Wirtschaft
Spitzensport in Corona-Zeiten - Sportler im Ungewissen

Foto: Photo by Andreas Klement

Der Spitzensport in Corona-Zeiten hat es nicht einfach. Deutschlands Athleten leben immer noch im Ungewissen. Während für die einen die Wettkämpfe gerade wieder beginnen, ist bei anderen immer noch nicht klar wie es weiter geht. Über die Auswirkungen der Corona-Krise auf Sportwelt, Athleten und Wirtschaft, sprechen Martin Strobel und Andreas Klement. 

Handballer Martin Strobel:
„Jede Krise birgt auch eine gewisse Chance“

Publikumsliebling, Integrationsfigur und Handballer mit internationalem Erfolg: Martin Strobel spielte erfolgreich in der Nationalmannschaft und der Bundesliga, zuletzt beim Bundesligisten HBW Balingen-Weilstetten, den Galliern. 2010 gewann er den EHF Pokal, wurde 2016 Europameister und gewann Bronze bei Olympia 2016.

Wie andere Sportarten auch, wurde Handball im Frühjahr im Zuge der Corona-Krise zunächst bis Mitte April unterbrochen – zu einem Zeitpunkt, als es eigentlich in die wichtige Phase der Saison gegangen wäre. Da stand der HBW Balingen-Weilstetten auf dem 16. Tabellenplatz. Zwei Drittel der Spiele waren gespielt, doch standen in vielen Regionen der Tabelle die entscheidenden Spiele noch aus.

Sich fit halten, trotz Lockdown – das war für Leistungssportler wie Martin Strobel zu diesem Zeitpunkt entscheidend, aber auch eine echte Herausforderung. Das versuchten die Sportler „über Laufeinheiten und Krafteinheiten, die jetzt nicht dem Standard entsprechen, wie wir ihn unter der Saison normalerweise haben“, sagt Martin Strobel. Für viele Sportler schafft Sport eine Ablenkung und einen körperlichen und mentalen Ausgleich – entweder aktiv oder zumindest passiv als Zuschauer auf der Tribüne. „Wir als Sportler möchten natürlich jeden Tag in die Halle, aber das stellen wir halt jetzt zurück im Zuge der Gesundheit“, sagt Martin Strobel.

Doch tut eine Zwangspause vielleicht auch einmal gut? „Eine Zwangspause tut in der Hinsicht vielleicht gut, dass verletzte und angeschlagene Spieler diese Zeit für sich nutzen können, um gestärkt daraus hervor zu gehen. Allerdings können sie sich auch nicht unter Belastung testen, das ist die andere Kehrseite“, sagte Martin Strobel dazu im April 2020. Kurz nach dem Interview wurde die Handballsaison 2019/20 abgebrochen und der THW Kiel zum Meister erklärt. Absteiger gab es aufgrund der Sondersituation dieses Mal keine, dafür zwei Aufsteiger. Die neue Saison soll am 1. Oktober 2020 starten – mit 20 statt den üblichen 18 Mannschaften.

Alternative Nutzung der Hallen zur Hoch-Zeit der COVID19-Krise

Strobels Handballverein gilt als sehr bodenständiger Verein mit viel Nähe zu den Fans. Auch in der Corona-Krise bemühen sich Sportler den Kontakt mit den Fans zu pflegen. „Natürlich ist man über die sozialen Medien, über den Verein in einem gewissen Austausch“, sagt Martin Strobel. Der direkte Kontakt zu den Fans fehlt aber. Im Lockdown wurde die Vereinssporthalle der Gallier zur ersten Aufnahmestation für Hausarztbesuche, um die Landärzte und die Ärzte in den Städten zu entlasten. „Da ist ein riesen Zentrum in unserer Spiel- und Trainingshalle eingerichtet worden, damit hier die Kapazität einfach erweitert werden kann.“

Die neue Saison soll wieder in den Hallen stattfinden. An einem Nutzungs- und Hygienekonzept wird gefeilt. Denn die Vereine sind auf die Zuschauereinnahmen dringend angewiesen, sagt Martin Strobel. HBL-Geschäftsführer Frank Bormann hält derzeit eine Hallenauslastung von bis zu 50% für möglich. Geisterspiele wie im Fußball will man nach Möglichkeit vermeiden.

Rechtzeitiges Training – aber wie planen?

Die Unsicherheit über die Zukunft von Wettkämpfen ist für Sportler und Vereine schwierig, schließlich müssen sie sich rechtzeitig darauf vorbereiten und den Trainingsplan entsprechend abstimmen. Einfach loslegen geht nicht. „Das ist etwas, dass die Trainer als großes Problem sehen, da die Verletzungsgefahr extrem hoch ist, wenn man keine hochbelastende Vorbereitungsphase hatte, wo man die Spieler austestet oder an ihr Maximum bringen kann“, sagt Martin Strobel. Hinzu kommt, dass die Corona-Reglements Ländersache sind. Das heißt, dass die unterschiedlichen Clubs mit ganz unterschiedlichen Vorgaben arbeiten: Bei einigen ist die Halle geschlossen – wie bei den „Galliern“ im April – andere haben eigene Trainingszentren, was es ihnen erleichtert frühzeitig mit dem Training zu beginnen. „Das sind dann eben so Punkte, wo die Fairness oder die Toleranz eben gegeben sein sollte. Und da ist es sehr, sehr schwer, eine einheitliche Linie zu fahren.“

Karriereende inmitten der Pandemie

Martin Strobel hatte sein Ende als Profi-Sportler bereits für das Ende der Saison 2019/20 angekündigt. Olympia 2020 mit der Nationalmannschaft hätte da noch einmal ein Höhepunkt sein können. Doch Olympia ist inzwischen auf 2021 verschoben. Sein eigenes Karriereende zu verschieben, kommt für Martin Strobel aber nicht in Frage: „Entscheidung ist Entscheidung und die wurde getroffen“, sagt er. „Ändert jetzt auch keine Pandemie etwas dran. Klar, ist das jetzt keine Optimalsituation und man stellt sich vielleicht manche Sachen anders vor, aber wichtig ist, dass wir alle – auch von der Gesellschaft her – wieder in eine Normalität reinkommen. Und von daher ist es für mich nicht so wichtig, wie es bei mir da ausgesehen hätte.“ Die Zeit, sagt er, könne er jetzt anders nutzen, vor allem, weil noch gar nicht klar war, ob er sich überhaupt wieder für die Nationalmannschaft qualifizieren würde.

Aber er sagt auch: „Wenn man so lange etwas leistungsorientiert gemacht hat und seine Leidenschaft und sein Hobby zum Beruf gemacht hat, dann guckt man natürlich immer ein bisschen mit Wehmut zurück. 2016 in Rio, das war natürlich ein Erlebnis, das ich niemals vergessen wollen würde und das steckt im Kopf und im Körper immer mit drin.“ Dass es nun nicht klappt, hat Martin Strobel akzeptiert. „So ist es nun eben“, sagt er. „Ich freu mich für die Athleten, die dann nächstes Jahr antreten dürfen.“

Grundsätzlich aber ist das Karriereende für Sportler schwer, vor allem, wenn der geplante Höhepunkt zum Ende der Karriere so plötzlich wegfällt. „Wenn du vier Jahre alles hinten dran stellst, alles opferst für diesen einen Wettkampf und wenn der dir dann wegbricht, dann geht schon ein Ziel verloren“, sagt Martin Strobel.

Vom Spielmacher zum Teammacher

Martin Strobel hat bereits Pläne für die Karriere nach der Karriere: Die Erfahrungen aus dem Leistungssport möchte er an andere weitergeben – kombiniert mit seiner Qualifikation durch ein Management-Studium. Im Fokus stehen bei ihm Methoden, um starke Teamplayer zu entwickeln, sagt er. „Da gehört für mich zum einen der Einzelne dazu, hauptsächlich als Grundbaustein, aber letzten Endes natürlich das gesamte Team.“ Martin Strobel will Teams an mehr Leistungsstärke heranführen. Dabei arbeitet der Ex-Handballer auch eng mit Leadership-Coach Andreas Klement zusammen, mit dem er gemeinsame Projekte und eine Kooperation hat. Themenschwerpunkte sind dabei Teambuilding, Kommunikation, Coaching und die Weiterbildung von Managern im Sport.

Homeoffice stellt beispielsweise für Unternehmen und Mitarbeiter eine neue Herausforderung dar. „Ich denke, dass es wichtig ist, dass weiterhin eine gute Kommunikation stattfindet. Und ich glaube, viele Unternehmen sehen jetzt auf einmal Möglichkeiten, die sie vorher vielleicht gar nicht so bewusst wahrgenommen haben. Trotzdem ist es wichtig, die Distanz nicht zu distanziert werden zu lassen.“

Wie sich die Zukunft nach Corona gestaltet, ist noch nicht absehbar. Doch glaubt Martin Strobel, dass es Spuren hinterlassen wird – und nicht nur negative: das intensive Leben in der Gemeinschaft und in der Familie auf der einen Seite, die Nutzung der sozialen Medien auf der anderen Seite. „Online findet deutlich mehr Aktivität statt, sei es geschäftlich, aber auch privat. Manche Gruppierungen von Freunden über größere Distanzen, da hätte man ja auch mal vor einem Jahr darauf kommen können, dass man sich per Skype oder so trifft oder austauscht.“ Das Intensive und die Achtsamkeit werden bleiben, sagt er, und dann bleibe abzuwarten, wie sich das Gesellschaftsgefüge entwickele. „Es kann natürlich sehr schnell gehen, dass man wieder in seinem Tunnel oder in seinem Leben festfährt, weil alle natürlich wollen, dass es wieder bergauf geht.“

Für Mitarbeiter, die lange zu Hause waren und ins Büro zurückkommen, bedeutet es, neue Motivation zu finden. Das dürfte aber nicht allzu schwierig sein: Martin Strobel vergleicht es mit der Rückkehr aus einer Verletzungspause. Aber natürlich müssen alle wieder einen gemeinsamen Arbeitsrhythmus finden.

Eine Krise hat immer Gewinner und Verlierer. Für Unternehmen kommt es darauf an, wie stark sie von der Corona-Krise betroffen sind, sagt Martin Strobel. „Trotzdem sehe ich es allgemein, dass jede Krise auch eine gewisse Chance birgt und man muss nur dafür offen und bereit sein, diese Dinge anzugehen, auch wenn sie in dem Moment vielleicht nicht optimal erscheinen.“ Martin Strobel kann sich selbst einen besseren Zeitpunkt als eine internationale Krisensituation vorstellen, um sich selbstständig zu machen. „Ist vielleicht auch nicht der optimale Zeitpunkt. Aber gibt es den überhaupt?“ Durch die eigene Leistung könne man sich aber viele Möglichkeiten erarbeiten.

Der Umgang mit der Krise: Kann man vom Handball lernen?

Handball ist ein emotionaler „und brutaler Sport in mancher Art und Weise“, sagt Martin Strobel. „Das tut auch manchmal weh, aber wir stehen oft auch schnell wieder auf. Ich glaub in vielen Sportarten ist es so, dass man das dann annimmt und mit einer Niederlage umgeht.“ Und das lässt sich vom Sport auf die Wirtschaft übertragen. Viele Sportler und Athleten gehen aus einer Niederlage gestärkt hervor. „Die meisten sagen, aus Niederlagen haben sie am meisten gelernt.“ Aus eigener Erfahrung sagt Martin Strobel: „Daran wächst man irgendwo. Und wenn man das wirklich annimmt und das auf einer rationalen Ebene betrachtet und die Emotionen mal ein bisschen außen vor lässt, dann kommt man als Mensch ganz gut weiter vorwärts – auch nach der Krise.“

Das komplette Interview mit Martin Strobel findet sich auf Youtube. Darin erzählt er über Handballtraining im Lockdown, seine Karrierepläne und sein aktuelles Buchprojekt.

Wirtschaftsfaktor Sport mit Martin Strobel und Andreas Klement

Autor:

Andreas Klement aus Iserlohn-Letmathe

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