Katzenliteratur
Hallo, meine Lieben. Heute, für das Wochenende, möchte ich euch eine Geschichte aus meinem Leben erzählen. Aber ich möchte euch auch warnen. Ich kenne die Menschen. Ihr habt manchmal eine etwas andere Sicht auf die Dinge des Lebens. Wer etwas zart beseitet ist, der liest besser Morgen weiter. Die Erzählung handelt von einem Kaninchen.
Es war einer dieser einzigartigen Tage, von wohligwarmen Sonnenstrahlen geweckt,von der Liebsten geleckt, der Frühstückstisch gedeckt, alles perfekt. Nun etwas frische Luft. Ich scheite durch die Pforte der Freiheit in einen samtigweichen Sommermorgen. Die erfrischenden Nachtkühle umfängt mich mit einer süßen Umarmung, nicht so kalt, dass die Schnurhaar zittern, sondern dass alle Lebensgeister elektrisiert werden. Ein selten so stark wahrgenommener Tatendrang durchflutet mich. Und doch läßt sich die wohlige Hitze des aufkommenden Tages schon erahnen. Ich steige die Treppen hinauf, aus dem Schatten des Hauses hinaus in den Sonnenschein. Auf dem Rasen glitzern Millionen Diamanten, kleine Tautropfen, die sich an die Grashalme klammern und sacht von dem noch kühlen Morgenwind hin und her gewiegt werden. Ich halte einen kurzen Moment inne, um diese Komposition aus Frieden und Verheißung in mich aufzunehmen. Mit einem tiefen Atemzug sauge ich das Leben in mich auf. Ich bin verliebt in das Leben, in mein Leben. Es gibt im Moment nur mich und diesen wunderbaren Augenblick. Dann setze ich die erste Pfote auf das kühlnaße Gras, der Tau benetzt meine Ballen, ich erschaudere kurz. Die Grashalme senken sich unter mir zu Boden, aber sobald ich über sie hinweg gegangen bin, richten sie sich wieder auf, der Sonne entgegen, um mit ihrem Tagwerk zu beginnen, dem großen Geheimnis der Photosynthese. Sie sorgen unermüdlich dafür, dass ich Luft und Sauerstoff zum Atmen habe, um dieses Leben zu genießen. Die Luft ist erfüllt vom lieblichen Gesang dieser wunderbaren, kleinen Geschöpfe, so leicht, so zerbrechlich. Sie recken ihre Köpfchen zum Himmel und aus ihren Kehlen erhebt sich die Synfonie der Schöpfung. Die Musik steigt auf in die unendlichen Tiefen des blauen Himmels, der alles überspannt. Fast werde ich von dem ergreifenden Moment eingesogen, bin eins mit der Welt, dem Universum. Spüre die Einzigartigkeit aller Existenz, spüre die Sterne über mir, vom Sonnenglanz vor meinen Augen verborgen. Doch, wie sagte schon mal ein Fuchs :,, Nur mit dem inneren Auge sieht man richtig " Ich schreite weiter durchs Gras und lasse meinen versonnenen Blick über den in bunten Farben erstrahlenden Garten wandern. Doch plötzlich macht sich mein Auge an einem bestimmten Punkt fest, da liegt etwas im kühlen Grün, etwas was gestern noch nicht da war. Haben die Schlamper wieder mal alles liegen lassen? Nein, hier ist etwas nicht in Ordnung, aber überhaupt nicht in Ordnung. Der zarte Zauber des Morgens zerplatzt wie ein Luftballon von einer Kinderfete, den die Blagen zerknallen, um meine Nervenstärke zu testen. Ich schleiche näher, oh man, da liegt ein Hase auf der Wiese und schläft, der hat Nerven. Kennt der nicht das Revierverzeichnis? Wenn hier einer in der Sonne liegt und schläft, dann bin ich das. Döf schläft nie, sie hat Angst vor Bienen und Käfern. Ich setze also Pfote vor Pfote, komme ihm näher, keine Reaktion. Jetzt bin ich ihm ganz nah, er macht nichts, atmet noch nicht mal. Ah, er hat mich doch bemerkt, hält die Luft an und stellt sich tot. Aber so lange Luftanhalten ist nicht gesund. Soll ich ihm das mal lieber sagen, wenn er jetzt einfach so aus Luftmangel verreckt, hat keiner was davon. Er ist tot, ich habe keinen Spaß mehr mit ihm, die Grashalme sind frustriert, weil er ihren Sauerstoff verweigert. Nun, zum Erlegen ist er zu groß, zum Essen sowieso, aber jagen könnte man ihn. Auch nicht schlecht. Ich stupse ihn an,,, Löffelmann mach keinen Quatsch, lass uns etwas rennen". Aber nichts. Jetzt werde ich etwas massiver, ,, Ej Angsthase" , wieder nix. Mit der Beleidigung könntest du mich selbst aus der Unterwelt zurück holen. Er fühlt sich auch nicht gut an, irgendwie zu kalt. Na sowas, er ist schon tot, ohne mein Zutun, Spielverderber. Was jetzt? Wäre ich ein Hund, würde ich schnell, laut kleffend zu Frauchen rennen und,, Er ist tot, er ist tot", schreien,,, Ich habe ihn gefunden". Aber wie wir ja alle wissen, bin ich nie und nimmer so einer. Last uns mal überlegen, was kann man mit einem großen toten Kaninchen machen? Einfach liegen lassen und sich weiter der Poesie dieses einzigartigen Morgens hingeben? Langweilig. Essen? Eckelig, erstens habe ich schon gefrühstückt und, zweitens wer weiß, wo dies Tier her kommt und warum es hier vor mir in der Sonne liegt. Zu irgendwas muss er doch noch nütze sein. So wäre sein Tod doch völlig sinnlos gewesen. Da fällt mir was ein. Wird etwas anstrengend, einige Zeit in Anspruch nehmen, aber das Ergebnis wird großartig sein. Frisch ans Werk, solange die Luft noch frisch ist.
Fell aufgekrempelt und los. Mit größter Anstrengung ziehe ich den toten Löffeler über die Wiese , Stück für Stück, ähm, den Hasen natürlich an einem. Ich bin jetzt an der Treppe angekommen, erst mal eine Pause. Nutze die Erholungsphase für Erkundungen, kein Mensch in Sicht, kein Hund auf der Pirsch, nichts. Schaue doch besser mal im Haus nach, aber alles ist ruhig und verlassen, Frauchen ist wohl mit Schnuffel gassi, die Brut in der Schule, Blödsinn lernen, und der Große beim Dosenverdienen, mein Mietzi döst in der Sonne, ,, mach weiter so Schatz", perfekt. Zurück zum Tatort. Jetzt muss der Überrest die Treppe runter. Ein Schups und drei Stufen sind geschafft, noch einer, wieder zwei. Voll Kraft voraus und unten ist er. Eine Verschnaufpause und ein Kontrollgang, alles liegt ruhig und friedlich im gleißenden Sonnenlicht, der Hase auch. Aber die Zeit drängt, auch das längste Gäßchen ist mal zu Ende. Möchte mir bei der Arbeit nicht über die Schulter sehen lassen. Neue Kraft, neues Glück. Eine neue schwierige Aufgabe liegt vor mir. Wie bekomme ich das Resttier durch die Katzenklappe? Wenn auch Leben und Seele raus sind, ist doch noch ein beträchtlicher Teil vorhanden. Erst mal nahe ran an die Tür damit, und dann... Ich glaube, die Einzelheiten erspare ich auch euch Hartgesottenen. So, er ist durch. Der Rest ist Routine, nicht dass ich sowas täglich mache, aber drinnen geht's weiter wie draußen. Pfoten auf den Boden stämmen und ziehen, ein Stück weiter tänzeln und Vorgang wiederholen, usw. Jetzt noch eine Kurve, eine Tür durchqueren und wir sind am Ziel, er und ich, puh, und der Morgen fingt so ruhig und harmlos an. Wir sind im Zimmer von Stefanie angekommen. Jetzt heißt es nur noch, alles etwas nett drapieren und warten. Nun habe ich mir erstmal ein Schläfchen verdient. Wenn das ginge, wäre mein Hemd schweißgetränkt. Mein Deo hat aber sowas von voll versagt. Jetzt könnt ihr euch meinen Zustand vorstellen. Ab auf die Couch. Geraume Zeit und manch süße Träume später fährt der erwartete Schrei durchs Haus :,, Mama, Mama komma, guck mal, was ist das? " Ja, so hatte ich mir das vorgestellt. Mama lässt alles fallen und rennt los, stolpert über den Hund, nimmt gehörige Geschwindigkeit auf, kann aber die aufrechte Haltung bewahren, schafft die Kurve, Himmel sei Dank, sonst hätte sie der Eingangstürscheibe den Rest gegeben. Ein Loch hat die lichtdurchlassende Abtrennung zum Treppenhaus ohnehin schon, dank einer Erziehungsmethode für Hunde. Unser kleiner Collieverschnitt hats manchmal doch kleinerfingerdick hinter den Schlappohren. Der Gute. Für solche Fälle hat Frauchen eine Socke, sie arbeitet gerne mit Socken, für Handys und Hunde. Ihr Handy hat sie in eine Lilane gesteckt. `Für die Hundedressur hat sie das Säckchen mit Geldmünzen gefüllt und zu geknotet. Wenn der Schwanzwedler nun eigene Ideen hat, kann man das Klappersöckchen nach ihm schmeißen, es knallt auf den Boden, scheppert schrecklich, der Hund erschrickt und weiß, da war was falsch, mach das nicht noch mal. Wenn das Säckchen aber nicht auf dem Boden landet, sondern in der Scheibe? Ich glaube, ich brauche nichts weiter zu erklären. Habe extra so einfache Wörter wie schmeißen verwendet, wir haben es ja mit einem Hund zu tun. So, jetzt aber schnell hinterher, sonst verpassen wir das Beste. Geschickt nimmt sie auch noch die letzte Kurve, mir ist jeder Centimeter ihres Laufes sehr vertraut und bremst ab. Die Augen werden riesengroß, der Gesichtsausdruck sehr dümmlich und der Kiefer klappt runter. Die Mutter schaut auf mein Präsent, dann auf ihr Kind und zurück. Das Kind schaut auf mein Präsent und zur Mutter. Vor dem Bett liegt ein großes, totes Kaninchen und zwei sehr verwirrt starrende Menschen stehen drum herum. Einfach köstlich. Dieses Bild hat sich auf ewig in meinen Gedächtnis eingebrannt. Aber langsam setzt eine Verwandlung ein, aus fassungslosem Staunen wird ein Fragezeichen, aus besorgter Mutter, Sherlock Holmes. Was ist hier passiert, wie kommt so ein großes, totes Kaninchen in ein hinteres Zimmer ohne Außenzugang? Ja, wie! Es werden viele Theorien ausgewelst und um gestoßen, hin und her und zurück. Doch am Ende wird mir die Ehre zu teil, die mir gebührt. Jaha, die Anstrengungen haben sich gelohnt, an vielen Lagerfeuern und Geburtsfeiern wurde diese Heldentat schon besungen ( natürlich bildlich gesprochen)
Das war schon ein Highlight in meinem Katzenleben, die mir anvertrauten Menschen so zu überraschen.
Jetzt wünsche ich euch ein schönes Wochende, auch von Woskar von der Aue. er meint noch, das Wetter könnt ihr euch Morgen selber machen, so ein Frechfrosch. LG Marko
Autor:Sabine Heiermann aus Iserlohn-Letmathe |
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