Wo ist der Wahlkampf? Die Hoffnung auf ein wenig Action & Profil vor der Wahl – ein provokanter Blick

Am 22. September ist es so weit. Millionen Wählerinnen und Wähler haben die Chance über Wechsel oder Kontinuität zu entscheiden. Millionen von ihnen wollen überzeugt werden, umworben werden. So laufen vor jeder anstehenden Wahl Werbe- und Druckmaschinen heiß, jagen Fernsehsender Wahlformate in die Wohnzimmer, reisen die Spitzenpolitiker von Dorfplatz zu Drofplatz. Parteien und Köpfe buhlen um die sogenannte ,,Gunst des Wählers‘‘. Dieser soll schließlich für die Mehrheit sorgen.

Zwischen ,,Weiter so'' und Wechselwille

Nur wo ist der Wahlkampf? Der Begriff ,,Wahlkampf‘‘ impliziert schon, dass es in irgendeiner Form zur Sache gehen muss. Dass zumindest zwei Parteien oder Personen sich gegenüber stehen, gegeneinander kämpfen. 2013 ist der Ring frei für Angela Merkel (CDU) und Peer Steinbrück (SPD). Nur wirkt es so, als stehe Steinbrück schon lange allein im Ring und boxt sich warm im TV und beim ,,Klartext-Open Air‘‘. Und Merkel? Ruhte sich erst einmal genüsslich im Urlaub aus und gebraucht den Namen ihres Herausforderers nie. Langsam, aber sicher tourt auch sie durchs Land. Wirbt mit gemeinsamem Erfolg. Familien seien der Regierung wichtig. Wachstum auch. Inhaltleeres Einlullen genügt der Kanzlerin und ihren Wahlplakatdesignern scheinbar. Kein Fordern oder Anregen zum Diskutieren wie beispielsweise Weise bei den Grünen. Keine klaren Ziele wie bei der SPD oder den Linken. Bloß niemanden auf die Füße treten. Da wäre, überspitzt gesagt, ein Plakat mit einem Stuhl gleichermaßen uninfromativ wie die bisherigen Wahlplakate. So wirbt die konservative Partei u.a. mit ,,Mehr für Familien‘‘. Was dieses ,,Mehr‘‘ sein soll findet sich nirgends. Zugegeben, auch die FDP reiht sich z.T. in die Inhaltslosigkeit ein. Über die plakative Desinformation hinaus ist der Wahlkampf insgesamt jedoch von keinen beiderseitigen Sticheleien oder großen gegenseitigen Vorwürfen der Hauptakteure geprägt. Merkel hält sich gewohnt zurück. Anders händelt es Steinbrück. Er kämpft rhetorisch stark mit Witz und Seitenhiebe. Er Spricht Klartext, gibt Inhalt. Wenn die CDU eher einen Heile-Welt- oder Weiter-so-Wahlkampf praktiziert, versucht die SPD Konkretes an die Wähler zu bringen und klar zu machen, dass ein Wechsel nötig sei, so z.B. mit einen gesetzetlichen Mindestlohn oder der Schaffung von mehr Kitaplätzen. Steinbrück gibt alles. Läuft auch mit von Tür zu Tür, um dem Umfragetief zu entfliehen und hofft mit seinen Genossen, dass sich der Satz bewährt: Umfrageergebnisse sind keine Wahlergebnisse.

Wirkt der Wahlkampf lahm, dann liegt es also nicht am sich abmühenden Herausforderer. Dabei gilt es ferner die Jugend zu begeistern und anzusprechen. Wer so manches Format auf den staatlichen Sendeplätzen verfolgt hat, wird festgestellt haben, dass zwar keiner der Spitzenpolitiker den Slang der Jugend drauf hat oder morgens ,,YOLO‘‘ ruft, aber CDU oder FDP dazu neigen Probleme von Erstwählern abzutun, indem ein Volker Kauder (Unionsfraktionschef) einer Jungwählerin versucht einzureden, sie könne doch froh sein in so einem so tollen Land zu leben. Oder Ilse Aigner (CSU) und Daniel Bahr (FDP) einem einkommensschwachen Mitbürger lediglich zum Jobwechsel raten. Inhaltsstarkes, zielhaltiges Ermutigen für die Zukunft, für das Morgen, erweist sich insofern als keine Manier der Regierungsparteien.

TV-Duell am Sonntag

Letzte Chance zu mehr Action und Inhalt mag da das kommende TV-Duell am Sonntag sein. Dort werden beide stehen: Merkel und Steinbrück auf Augenhöhe. Wie einst in der Großen Koalition nur dieses Mal nicht mehr als Partner. Werden Heile-Welt-Geschwafel auf der einen Seite und Ziel-Klartext auf der anderen Seite propagiert, taktisch gewolltes Einschlafen oder diskutable Kampfeslust gezeigt? Oder beeindruckt vielleicht doch ein lang ersehnter Kampf zweier politischer Persönlichkeiten die Zuschauer? Zeigen sich Unterschiede und Profil über die Charaktere hinweg? Kann elektrifiziert werden zur Wahl zu gehen und geholfen werden sich für ein Lager zu entscheiden? Das Duell wird in jedem Fall Einfluss haben. Zugunsten der Kanzlerin oder zum Vorteil des Herausforderers. 2009 galt das Zusammentreffen von Merkel und damals Steinmeier jedoch als langweilig und kampflos. Und so bleibt es spannend wie der hanseatische Stier auf die uckermärkische Glucke trifft. Noch kann die sog. heiße Phase zu einem wirklichen Kampf um die Wahl werden. Die Wahl ist noch nicht entschieden.

Autor:

Benedikt Lechtenberg aus Hünxe

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