Ortsvorsteher a.D. - Polnischer Türstock und System Tewes

So richtig gesackt ist es weder in Massen noch in Königsborn, dass ihre Ortsvorsteher den Stab weitergericht haben.
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Zechensterben, Arbeitslosigkeit, Sparzwang und Kaufkraftschwund – Den Strukturwandel bekamen die Ortsteile Massen und Königsborn wohl am stärksten zu spüren. Helmut Tewes und Nino Mattich gestalteten den Übergang als Ortsvorsteher viele Jahrzehnte mit. Zum gemeinsamen Amtsende blicken beide zurück.

So richtig gesackt ist es weder in Massen noch in Königsborn, dass ihre Ortsvorsteher den Stab weitergericht haben. „Viele Bürger melden sich weiterhin“, erfährt Helmut Tewes(71). Seine letzte Sprechstunde hatte er am 11. Juni und bis dahin 30 Jahre ein Ohr für die örtlichen Belange der Bürger gehabt. Dabei wurde er in Massen Anfang der 70er Jahre, bedingt durch seine Ausbildung und Gewerkschaftsarbeit in Frankreich, eher belächelt: „Schlaue Idee, aber zum Arbeiten nicht zu gebrauchen.“ Für ihn Motivation, sich bei Massener Reizthemen zu engagieren. Flughafenausbau, Bäderschließung, Gründung des Bürgerhaus bis zur Gestaltung des Marktplatzes reicht sein Wirkungsbereich. Gegen den Bau der L 821n wetterte er mit Umweltargumenten. Im Rückblick bewertet er seine Tätigkeit heute, wohl auch mit Blick auf den wachsenden Flughafen, neu: „Auch der Mensch als Teil der Natur ist zu schützen.“ Stolz ist er darauf, ein Hallenbad, von einst drei, erhalten zu haben. „Das Resultat von Bürgerengagement.“ Ein Höhepunkt war die 800-Jahr-Feier Massens, als 1986 fast das ganze Jahr über gefeiert wurde. Hier habe das System Tewes bestens funktioniert – Gemeinsames Auftreten in Massen, frühzeitiges Einbinden von Bürgern und Verantwortlichen bei Aktivitäten über Parteigrenzen hinweg. Auch die Gestaltung des Marktplatzes sei ein Produkt des Systems, mit dem zahlreiche weitere Projekte realisiert wurden, etwa der Massener Rummel und Radweg Ost-West. Auf seinen Nachfolger warten jedoch Herausforderungen wie die Entwicklung der ehemaligen Landesstelle/Siedlung Korsika, auf Eis liegende Freibadpläne, der schrittweise Ausbau des Flughafens sowie die Lösung von Verkehrsproblemen. „Nicht nur der Massener Hellweg erstickt im Verkehr, da müssen Lösungen her.“ Dabei empfiehlt er auch den Blick innerhalb Europas. Aktiv möchte Helmut Tewes in jedem Falle im Bürgerhausverein bleiben, während er einige Mitgliedschaften Vereinen überdenke werde.

Nino Mattich:"Bürger kamen halt immer zu mir."

Mit "Lust, Liebe und Zeit" füllte Nino Mattich(77) sein Amt aus. Dabei hatte der Hauer im Bergbau Mitte der 70er Jahre wohl kaum Langeweile. Fußball beim KSV, Rassetauben und Mitglied in fast allen Massener Vereinen zu sein füllte das Ratsmitglied bereits gut aus. Als er 1975 vom Rat zum Ortsvorsteher gewählt wurde, war das neu zugeschnittene Königsborn gerade sechs Jahre jung. Mit hoher Arbeitslosigkeit und sanierungsreifen Zechensiedlungen hatte der größte Stadtteil zu kämpfen. Auch für ihn sei Maxime gewesen, die Interessen aller Bürger zu vertreten. „Politik habe ich hier nie gemacht.“ Die Bürger seien halt immer zu ihm gekommen.

Ob Probleme mit Wohnungen, die wachsende Zahl älterer Mitbürger, die Gewerbe-Entwicklung an der Kamener Straße oder das Dauerthema Markt, Nino Mattich hat den Wandel in Königsborn 39 Jahre mitgestaltet. Dabei gesteht er sich ein: „Für mich ist der Markt tot.“ 374 Unterschriften haben nichts genützt, „Es lohnt sich nicht mehr, gekauft wird in der neuen Mitte“. Die Zukunft sieht er in Veranstaltungen wie Markt in Flammen oder auch Gottesdienst unter freiem Himmel, der jetzt rund 750 Besucher anzog. Eine Kneipe und Cafés, das gebe es doch nur noch hier. Am Herzen liegen dem Ortsvorsteher a.D. Die Kinder. Erhalt der Spielplätze und sechs Kindergärten sind für ihn eine Zukunftsaufgabe. Der Kindergarten Heinrichstraße sei eine der schönsten Einrichtungen in Unna. Das die UKBS zwei weitere Häuser nahe dem Kasernengelände kaufen möchte, begrüßt er. „Für Wohnbebauung, dann ist das o.k.. Die Panzer und der Lärm sind ja weg.“ Gelungen sei die Standortentwicklung des ehemaligen „Schnäppchenmarkt“ an der Kamener Straße. „20 Jahre ein Schandfleck, das Schuhcenter ist ein Segen.“

Soziale Brennpunkte konnten in der Amtszeit Nino Mattichs entspannt werden.

22 Jahre öffnete Nino Mattich sein Büro im Bürgerservice ein Mal pro Woche. Eines kann er bis heute nicht leiden: „Lügen, mit Lügen gehe ich nicht zum Bürgermeister.“ Wenn ihm sein Gefühl Vorsicht gebot, wies er auf den polnischen Türstock. „Wenn wir rausgehen sind wir Freunde.“ Mit seiner handfesten Art fühlte Mattich vielen auf den Zahn. Seine Akten hat er mit nach Hause genommen, ist aber regelmäßig Gast im Bürgerservice, wo ihn mancher um zwei Mitarbeiterinnen beneidete, die auch für den Ortsvorsteher tätig sind. „Aber die Tätigkeit als Ratsmitglied und Ortsvorsteher habe ich immer sauber getrennt.“

Wo die Königsborner der Schuh drückt interessiert Mattich bis heute. Die Sauberkeit am Förderrad am Markt und im Kurpark sei ein Problemfeld. „Fünf Gärtner fehlen in Königsborn. Jeder macht nur was er machen muss.“ Von Amts wegen muss Nino Mattich jetzt nicht mehr. „Aber die Leute kommen immer noch, manche wissen das gar nicht.“ Ruhe findet Nino vor seinem Aquarium. Mit dem 500-Liter-Becken erfüllte er sich einen Traum. „Rollade hoch und das Liebesleben der Fische angucken.“

Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

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