72 Krippen in Stadtkirche Unna
In der ältesten Kirche der Stadt Unna die Krippenausstellung aufzusuchen hat für viele Besucher einen festen Platz im vorweihnachtlichen Terminkalender. Vor mehr als 15 Jahren begannen Familien damit, ihre Krippen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mit mehr als 70 Ausstellungsstücken hat sie eine zuvor kaum gekannte Größe erreicht und lockt bis kurz vor Heiligabend wohl rund 3 500 Besucher in die Ev. Stadtkirche.
Ruhe, Schutz, ein Zeichen für Leben und Hoffnung im hektischen Alltag und in politisch unsicheren Zeiten zu finden, ist seit Jahrhunderten das Motiv für Weihnachtskrippen in ihren unterschiedlichen Formen. Der Brauch geht auf den heiligen Franz von Assisi zurück. Er nahm am 24. Dezember 1223 in Greccio leibhaftig Ochs und Esel und arrangierte eine Krippe mit Heu. In Europa fand die Krippe ab dem 16. Jahrhundert durch die Jesuiten Verbreitung. Der Jesuiten-Orden baute die erste etwa 1560 in einem Kloster in Portugal auf, später in Spanien, Italien und schließlich in Süddeutschland. Die Anfangs großen Figuren wurden immer handlicher, die Heilige Familie durch Engel, Hirten und die Weisen aus dem Morgenland ergänzt. Der Zauber ist bis heute geblieben.
Urzelle
„Die Krippe als eine Art Urzelle gibt Ruhe“, bringt es Pfarrerin Barbara Dietrich auf den Punkt. Sie habe beobachtet: Die kleine, heile Welt lässt Besucher, die gestresst vom Einkaufsgetümmel in die Stadtkirche eintreten, im wahrsten Wortsinn geerdet wieder das Gotteshaus verlassen. „Die Familien als Aussteller identifizieren sich auch sehr mit der Kirche.“ Das Interesse ist groß. Die Gemeinde hat mittlerweile eine Liste von Teilnehmern, die im September angeschrieben werden. Für Vielfalt ist gesorgt, jedes Jahr kommen neue Krippen hinzu. Etwa eine mit Figuren in größerem Puppenformat, gefertigt aus Jute, aus dem Nachlass einer Familie. Indes platzt der Keller der Gemeinde fast aus den Nähten und so steht diese heilige Familie ausnahmsweise zum Verkauf. Aus Holz, Ton, Gips, Stoff, Metall und Papier und Papprollen sind die Krippen hergestellt. Familien aus der Unna, Holzwickede und Bergkamen bauten ihre Krippe auf.
Heimisches Holz
Aus Zweigen und Altholz, das ihre Mutter im Bornekamp einst sammelte, bastelte der Großvater von Anja Lohmann eine Krippe samt Figuren. Das ist 90 Jahre her, alles ist im besten Zustand, denn Anja Lohmann hat die heilige Familie nicht nur „als Kind andächtig angeschaut“. Vor kurzem hat sie die Familien-Weihnachtskrippe einer gründlichen Renovierung unterzogen. Die dünnen, runden Zaunlatten mit kleinsten Nägelchen zu befestigen war eine Herausforderung. Ihre Mutter war stolz, alles selbst gesucht zu haben. Auch die Figuren, hoch und flach ausgesägt, beklebt mit den heiligen Figuren sind erhalten. Der Großvater habe viel gebastelt, etwa eine Puppenstube für ihre Mutter oder ein Kasperletheater für ihren Bruder.
Jedes Jahr wurde das Ensemble aufgebaut, selbst ins Altersheim brachte sie die Krippe mit. Das die Familie nach Unna kam, verdankt Anja Lohmann einem Zufall. Ihr Großvater Gustav Lettau lebte in der Hertinger Straße, war Bäcker und lernte im Krieg auf der Isle of Man (England) seine Frau kenne. Sie heirateten dort, doch die Sehnsucht in die Hellwegstadt war zu groß und das Paar kehrte zurück. Ein ganz besonders schönes Weihnachtsfest mag Anja Lohmann nicht herausstellen. „Sie waren alle schön.“ Zwischen Eisenbahn und Weihnachtsbaum stand stets die Krippe, später sogar elektrisch beleuchtet, jetzt mit LED-Licht.
Im hellen Kiefernholz erstrahlt die Krippe der Familie Rolf und Renate Sippel. Es sei auf einer Ausstellung in der Vorweihnachtszeit gewesen, als sich ihr, längst erwachsener Sohn, darin verliebte. Beim Einkaufsbummel der Familie nörgelte er schließlich: „Kauft nicht so viel, sonst ist kein Geld mehr für die Krippe da.“ Die hat einen speziellen Charakter, besteht komplett aus recyceltem Holz, dass bereits im Sperrmüll lag. Was man weder Stall noch der heiligen Familie ansieht. Renate Sippel: „Es wurde immer mal ergänzt, ein großes Kamel vom ältesten Sohn, das kleine vom Weihnachtsmarkt Unna, ein Elefant, ein Tannebaum der LÜSA.“ Die Krippe sei das Jahr über stets Spielzeug gewesen und nicht kaputt gegangen. Eine zweite Krippe der Familie Sippel daneben besteht aus dem Holz ausgedienter Apfelsinenkisten. „Beide werden aufgebaut im Haus“, erklärt Rolf Sippel.
Kulturkompetenztraining
Die Ausstellung interessierte auch Schüler der Werkstatt Unna. Im Rahmen des „Kulturkompetenztraining“ besuchten rund 10 junge Flüchtlinge einer internationalen Förderklasse die Ev. Stadtkirche. Die Geburt Jesu aus unterschiedlichen Perspektiven vorgestellt zu bekommen, ist das Ziel des Besuchs. Einen Hauptunterschied zur muslimischen Ansicht stellten Maädi Husseini und Seajean Aegemosavi heraus: „Jesus gibt es auch im Koran, aber es gibt Joseph nicht. Meist stört er hier.“ Dass Maria, Joseph und das Jesuskind als Flüchtlinge einst Schutz vor Verfolgung und Tod suchten, ist den jungen Migranten bewusst.
Info
Die Krippenausstellung in der Ev. Stadtkirche Unna ist geöffnet bis zum 4. Advent-Sonntag, 18.12.2016.
Öffnungszeiten sind: Dienstags bis freitags von 10 bis 13 Uhr und von 15 bis 17 Uhr, samstags von 10 bis 14 Uhr und zusätzlich an den Adventswochenenden samstags von 10 bis 18 Uhr und an den Sonntagen von 12 bis 18 Uhr.
Autor:Stefan Reimet aus Holzwickede |
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