Stolpersteine für Hemer
Hervorragende Recherchearbeit beeindruckt

Zum dritten Mal hat jetzt die städtische Arbeitsgruppe zur Errichtung von Stolpersteinen zum Gedenken an verfolgte und ermordete Hemeranerinnen und Hemeraner durch das nationalsozialistische Regime vor über 80 Jahren getagt und erste sehr beeindruckende Ergebnisse präsentiert. 
Foto: Stadt Hemer
  • Zum dritten Mal hat jetzt die städtische Arbeitsgruppe zur Errichtung von Stolpersteinen zum Gedenken an verfolgte und ermordete Hemeranerinnen und Hemeraner durch das nationalsozialistische Regime vor über 80 Jahren getagt und erste sehr beeindruckende Ergebnisse präsentiert.
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Stolpersteine für Hemer: Beeindruckende Recherchen enthüllen tragische Schicksale - Eine Stadt erinnert sich an ihre Vergangenheit. Die Arbeitsgruppe "Stolpersteine für Hemer" präsentiert bewegende Ergebnisse ihrer intensiven Forschungsarbeit. Von Überlebenden des Holocaust bis zu Opfern des Euthanasieprogramms - die Enthüllungen lassen niemanden unberührt. Ein Blick hinter die Kulissen einer bemerkenswerten Gedenkaktion.

Tief betroffen zeigten sich alle Arbeitsgruppenmitglieder, als Gisela Knauel die erschütternde und tragische Lebensgeschichte des jüdischen Hemeraner Mitbürgers Isidor Blumenthal anhand ihrer umfangreichen Forschungsergebnisse innerhalb der letzten Monate vorgestellt hat. Es ist heute fast undenkbar, was Isidor Blumenthal als Überlebender des Holocaust damals nach dem Krieg auf sich nehmen musste, um eine nur sehr kleine und geringe Entschädigung für seine Leiden im Konzentrationslager der Nationalsozialisten zu erhalten: Gerade mal eine Zahnprothese war möglich, die er benötigte, weil ihm KZ-Aufseher während eines Arbeitseinsatzes sämtliche Zähne ausgeschlagen haben. Ein Wiedererhalt seines beschlagnahmten und enteigneten Geschäfts war aussichtslos. Er stand vor dem Nichts, als er 1955 mit Anfang fünfzig als gebrochener Mann starb und als letzter Jude auf dem jüdischen Friedhof am Perick beigesetzt wurde.

Zum dritten Mal hat jetzt die städtische Arbeitsgruppe zur Errichtung von Stolpersteinen zum Gedenken an verfolgte und ermordete Hemeranerinnen und Hemeraner durch das nationalsozialistische Regime vor über 80 Jahren getagt und erste sehr beeindruckende Ergebnisse präsentiert.

Das Schicksal der Friedlands

Dr. Anne-Babett Woelke-Westhoff stellte beeindruckend die Biografien der Familie Friedland vor, die ebenfalls als Hemeraner jüdischen Glaubens in den Konzentrationslagern ermordet worden sind. Hierbei wurde auch nochmal deutlich, wie umfangreich die Recherchen sind, da durch Deportationen und Zwangsumsiedlungen die Adressen innerhalb und außerhalb Hemers häufig wechselten und viele Familien miteinander verwandt und verbunden waren.

Die Projektgruppe der Europaschule präsentierte ihren selbst erstellten Dokumentationsfilm, den sie zu den Einzelschicksalen der Familie Gottschalk recherchiert und erarbeitet haben. Die Tochter des 1943 ermordeten Arthur Gottschalk, Shoshana Avimeir-Gottschalk hält bereits seit vielen Jahrzehnten Kontakt nach Hemer und ist sehr erfreut, dass nun wieder durch diese Aktion an das Schicksal ihrer Familie gedacht wird. Sie begrüßt ausdrücklich, wenn hierdurch weitere Stolpersteine zur Erinnerung und zum Gedenken an ihre Familie in Hemer verlegt werden.

Laura Döring, Leiterin des städtischen Fachdienstes Kultur, las anschließend ein Kondolenzschreiben der Stadt für die einzige Überlebende der Familie vor. Shoshana Avimeirs Sohn Dani ist im Mai an Krebs verstorben. Dieses Kondolenzschreiben ist vom Bürgermeister Christian Schweitzer sowie den Mitgliedern des Arbeitskreises unterschrieben worden und wird ihr nun nach Israel übermittelt.
Schülerin Antonia Friedrich und ihr Großvater Eduard Schenk haben sogar Verwandte von Salli Bartmann in den USA ausfindig gemacht und von einem regen E-Mailverkehr berichtet, in dem deutlich wird, wie sehr die Enkel des ermordeten Hemeraners Salli Bartmann einem Gedenken an ihren verstorbenen Großvater in Form von Stolpersteinen befürworten.

"Stolperschwellen" zum Gedenken

Der ehemalige Stadtarchivar Hemers, Eberhard Thomas, stellte neue Erkenntnisse zur einer möglichen Stolperschwelle für die zahlreichen Opfer des Stalag VI A vor. Somit sei nach seinen neuesten Forschungsergebnissen davon auszugehen, dass in Hemer unmittelbar ungefähr 11.000 Menschen im Stalag ihr Leben verloren haben aufgrund von schlechter Behandlung, Folter, Totschlag und Mangelernährung. Hier wird in der nächsten Zeit geplant wo diese "Stolperschwelle" als Erinnerungs- und Mahnmal in der Nähe des Eingangs zum ehemaligen Stalag-Gelände an der Ostenschlahstraße im Boden eingelassen werden kann.

Werner Mirbach hat sich intensiv mit den Schicksalen möglicher Opfer des Euthanasieprogramms in Hemer beschäftigt. So hat er herausgefunden, dass es mindestens 42 Menschen in Hemer gab, die aufgrund einer geistigen Behinderung zwangssterilisiert oder ermordet worden sind. Zumindest von zwei Schicksalen konnte Werner Mirbach beeindruckend berichten. Weitere Ergebnisse sollen beim nächsten Treffen am 8. November vorgestellt werden. An dieser Stelle bittet Werner Mirbach um Mithilfe von Zeitzeugen oder Menschen, die hierzu möglicherweise schon geforscht haben oder noch Informationen kennen. Diese mögen sich gerne direkt an Werner Mirbach telefonisch unter 02372-17682 oder 0176-84321163 oder per E-Mail werner.mirbach53@googlemail.com melden.
Ingrid Mirbach hat sich mit der jüdischen Familie Reinsberg beschäftigt und hier herausgefunden, dass Erich Reinsberg 1933 nach der Machtergreifung in die Niederlande ausgewandert ist und von dort deportiert wurde und schließlich 1941 im KZ Mauthausen ermordet wurde.

Ergebnisse als digitale Stadtführung

Alle Schicksale sollen zudem dokumentarisch aufgearbeitet und veröffentlicht werden. Dazu erarbeitet die UNESCO-AG des Woeste-Gymnasiums eine digitale Stadtführung zu den Stolpersteinen und Hinweisen auf das Leben der Hemeraner Bürgerinnen und Bürger, die durch das NS-Regime ermordet, verfolgt oder misshandelt worden sind. Hier sollen dann zukünftig die Biografien auch als QR-Code abrufbar sein.

In naher Zukunft können die ersten Ergebnisse an den Künstler Demnig übermittelt und die ersten Anträge zur Legung von Stolpersteinen für die recherchierten Mitglieder der Familien Gottschalk, Friedland, Bartmann und Blumenthal erstellt werden. "Wir sind zuversichtlich, dass wir die ersten Ergebnisse in Form von konkreten Stolpersteinen bald in Hemer sehen werden," fasste Kulturbüroleiterin Laura Döring die Präsentationen zusammen. Das nächste Treffen ist für den 8. November 2024 geplant. Interessierte sind weiterhin herzlich eingeladen mitzuarbeiten. Besonders die herausgefundenen Kontakte und positiven Reaktionen der Familienmitglieder auf die Stolpersteinaktion zeigen, dass die Stadt Hemer einen richtigen Weg mit der öffentlichen Aufarbeitung der Schicksale Hemeraner Menschen eingeschlagen hat.

Autor:

Lokalkompass Iserlohn-Hemer aus Iserlohn

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