Wissenschaft vor Ort
1.500 Arbeitsstunden zur Vermessung des Felsenmeers
Es ist ein ehrgeiziges Projekt: Eine moderne Präsentation des Montanensembles Felsenmeer als überregional bedeutendes kulturelles Erbe der Stadt Hemer und der Region soll entstehen und als 3-D-Video digital zugänglich sein. Doch zuvor braucht es den Einsatz unermüdlicher Ehrenamtler im Gelände.
Die Vermessungsarbeiten zur Visualisierung des mittelalterlichen Bergbaus im Felsenmeer liegen voll im Zeitplan. Das berichten die ehrenamtlichen Mitglieder der Speläo-Gruppe Sauerland (SGS), die bei 50 Einsätzen bereits weit mehr als 1.500 Arbeitsstunden – zumeist unter Tage – verbucht haben und in diesem Jahr mit Laser-Scans in den schwer zugänglichen Höhlenbereichen fortfahren werden.
Geschichte aufs Handy gebracht
Geplant ist bekanntlich eine moderne Präsentation des Montanensembles Felsenmeer als überregional bedeutendes kulturelles Erbe der Stadt Hemer und der Region. Diese Präsentation soll zeitgemäß mit 3D-Videos umgesetzt werden. Der mittelalterliche Bergbau des Felsenmeers wird virtuell an die Oberfläche projiziert und für jedermann sichtbar gemacht werden. Dies geschieht in der Form, dass die Besucher zwar oberirdisch auf den Wegen gehen, virtuell aber schrittweise die Höhlensituation unter ihren Füßen auf ihren digitalen Endgeräten erleben.
Mit drei Teams, in denen zehn Personen aktiv sind, widmet sich die SGS seit dem Frühjahr 2021 den Vermessungsarbeiten. „Ohne diesen ehrenamtlichen Einsatz wäre die Umsetzung des einmaligen Projektes undenkbar“, zollt Bürgermeister Christian Schweitzer der SGS größten Respekt und Dank, „Besucher des Felsenmeeres nehmen diesen Einsatz kaum war, weil er ja hauptsächlich untertage stattfindet.“
Erkundung der Bärenschlucht
Nach den ersten Oberflächenvermessungen, die zunächst die Anbindung an das Geo-Datennetz und dann die Daten zur Achsenvermessung erbracht haben, kletterten die SGS-Teamleiter Wolfgang Hänisch und Björn Wegen mit ihren Helfern und hochmodernen Messinstrumenten nach der Fledermausschutzzeit im Frühjahr in die so genannte Bärenhöhle. „Da aber bei den übertägigen Vermessungsarbeiten geräte- und standortbedingte Schwierigkeiten auftraten, kam es zu Verzögerungen aufgrund notwendiger Nachmessungen. Demnach konnte mit der digitalen untertägigen Vermessung erst Mitte April begonnen werden“, blickt das Duo auf ein arbeitsreiches Jahr 2021 zurück, „zunächst wurde die ,Bärenschlucht‘, dann der Hauptgang der zu visualisierenden ,Bärenhöhle‘ vermessen und die Hauptreferenzpunkte bestimmt.“
Daneben und in der Folge wurden auch schon Vergleichsuntersuchungen und -vermessungen in weiteren potenziellen Höhlen des Bergbaukomplexes der „Durin-Hallen“ durchgeführt; ebenso in neuzeitlichen Grubenbereichen. Die Laser-Scans und die begleitenden Fotoaufnahmen in der Bärenschlucht konnten ab Mitte August in Angriff genommen werden. „Ab Anfang September wurde dann der Flussgang der Bärenhöhle aufgenommen und bis Ende Oktober das projektierte Ziel (Anm. d. Red.: Ende des Hauptgangs) auch erreicht, so dass wir die Arbeiten vor Ort für 2021 vor Beginn der erneuten Fledermausschutzzeit abschließen konnten“, berichtet Björn Wegen.
Etappenziel erreicht
Auf das erreichte Etappenziel dürfen die Ehrenamtlichen wahrlich stolz sein, und wie akribisch sie die Messungen umsetzen, zeigt ein Beispiel. „Durch das Aufstellen von überproportional großen verwandten Zieltafeln beziehungsweise Plots wurde die Gesamtarbeitszeit zwar verlängert, dies kam allerdings der Genauigkeit der Aufnahmen extrem zu Gute. Nur mit dem hohen Einsatz der Messteams und der Helfer konnte Ende Oktober die Vermessung des circa 600 Meter langen Hauptganges erreicht werden. Es wurden rund 240 Laser-Scan-Standpunkte aufgenommen, das Datenvolumen beträgt derzeit rund ein Terabyte.“
Fachwissen nötig
Da die komplexen Vermessungsarbeiten auch jede Menge Fachwissen erfordern, stand für die SGS allerdings zusätzlicher Schulungsaufwand auf der To-do-Liste. Hänisch: „Schulungen von Teammitgliedern wurden von Externen und SGS-Fachkräften durchgeführt. Eigenkräfte bereiteten die beiden vorrangig aktiven Teams speziell auf die Arbeiten vor und behandelten besonders die speziellen Voraussetzungen der Felsenmeer-Arbeiten in Bezug auf die Naturschutz-, Bodendenkmal- und Sicherheitsbelange.“ Unterstützt wurde die SGS bei den Messarbeiten teilweise von Fachleuten des Archäologiezweiges des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe.
Auch wenn sämtliche Teilnehmer vor Beginn jeder Tour unter Aufsicht geschulter Personen auf das Coronavirus getestet werden und vollständig geimpft sind, wird auf das Tragen einer Maske nicht verzichtet. „Daher bedanken wir uns bei der Stadt Hemer und den Kalkwerken Hönnetal (Lhoist-Gruppe) für die Bereitstellung von Masken und Corona-Schnell-Tests“, sagt Wolfgang Hänisch.
So werden ab März 2022 weitere Oberflächen-Scans und ab April weitere Arbeiten unter Tage beginnen. „Diese werden dann in schwerer zugänglichen Bereichen erfolgen müssen“ verrät Hänisch, „zeitgleich mit diesen Arbeiten werden in Zusammenarbeit mit der LWL-Archäologie die Gesamttexte für den mittelalterlichen und neuzeitlichen Bergbaukomplex erstellt.“ Die Aufarbeitung der visuellen SGS-Daten soll von der zu beauftragenden Firma bis Ende 2022 erfolgt sein.
Hintergrund
Das über- und untertägig weitläufige Bodendenkmal Felsenmeer bei Hemer ist in ganz NRW eine der archäologisch bedeutendsten Altbergbaustrukturen. Im Lehm der Hohlräume, in denen das wertvolle Eisenerz abgebaut wurde, sind noch Arbeitsspuren der Bergbauer sichtbar, zudem wurden Feuerstellen und Werkzeugdepots entdeckt.
Holzproben, die in das Hochmittelalter datieren sowie Größe und Erhaltungszustand machen das Bodendenkmal einzigartig in Europa. Umso wichtiger erscheint es, dass das schwer bis kaum zugängliche Areal mit Hilfe der Fördermittel einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird und so weitere Forschungen möglich werden. Dieser widmet sich die Speläo-Gruppe Sauerland bereits seit Jahrzehnten intensiv, ihr ist zudem die Erkenntnis zu verdanken, dass es sich beim Felsenmeer nicht nur um eine Karsterscheinung, sondern eben um einen Altbergbau handelt. Seit einigen Jahren arbeitet sie hier in enger Kooperation mit den Archäologen des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) in Olpe zusammen.
Vom Land gefördert
In Kooperation mit der Speläo-Gruppe Sauerland und den Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe wurde ein Förderantrag für das Programm „Heimat-Zeugnis“ des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung NRW erfolgreich gestellt und eine Förderung in Höhe von 180.000 Euro bewilligt. Über eine 3D-Vermessung und die digitale Aufbereitung der Daten soll mithilfe einer pädagogisch konzipierten App die unterirdische Höhlenwelt sichtbar gemacht werden. Zudem sollen auf geeigneten Abschnitten Wege ertüchtigt, Schutzmaßnahmen und Sitzgelegenheiten erneuert und Informationspunkte eingerichtet werden. Ziel ist es, die regionale Besonderheit des Felsenmeeres in seiner Vielfalt deutlicher sichtbar zu machen.
Autor:Andrea Rosenthal aus Mülheim an der Ruhr |
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