"Mehrheitsentscheidung oder Machtmissbrauch?"

Zur Schulausschusssitzung erreichte die Redaktion folgender Leserbrief von Silvia Burow und Petra Schlottmann:

"Nach dem Besuch der Schulausschusssitzung am 6.6.12 sind wir erschüttert, wie in Hemer Politik gemacht wird.
Die drei „bürgerlichen“ Parteien haben bei der Vorstellung ihres Schulkonzeptes darauf hingewiesen, dass sie Verbesserungsvorschlägen aus den Reihen der SPD und GAH durchaus aufgeschlossen seien. Zitat M. Gropengießer:“ Das Thema ist so wichtig und emotional, dass wir uns einen breiten Konsens ausdrücklich wünschen.“ Im Schulausschuss konnte jedoch nicht der geringste Hauch von Interesse an den Vorstellungen der SPD und GAH festgestellt werden, geschweige denn, auch nur für einen kleinen Augenblick einen Gedanken außerhalb des eigenen Konzeptes zuzulassen. Die
ganze Sitzung war nur darauf ausgerichtet, den eigenen Antrag durchzupeitschen. Die „Bürgerlichen“ waren von Beginn an in gereizter Verteidigungsstellung und boten den Zuschauern ein erschütterndes Schauspiel. Souveräne Darstellung der eigenen festen Überzeugung sieht anders aus. Trotz aller Schilderungen von Herrn Gropengießer zum dramatischen Zustandekommen dieses Konzeptes, klingt es für die Betroffenen
halbherzig. Wie will man überzeugend etwas empfehlen, wenn man ständig eigenes Unbehagen vermittelt. Wer einen „breiten Konsens“ wünscht, zeigt wenigstens etwas Interesse. Aber wer schon über 60 Prozent der Stimmen verfügt, hat für die „Bürgerlichen“ wahrscheinlich schon genug Konsens und sitzt den Rest aus. Alle Angebote der SPD und GAH wurden unwirsch zurückgewiesen. Die inständig vorgetragene versöhnliche Bitte von Frau Schlager-Fritsch auf einen kleinen Schritt vom sturen eigenen Standpunkt weg, perlte unbeeindruckt ab. Es war noch nicht einmal möglich, eine Abstimmung über die Anträge der Gegenseite zuzulassen. Rechtlich wahrscheinlich zulässig, aber wer mit solchen Haarspaltereien vorgeht, setzt nicht auf die Zustimmung der Betroffenen. Wenn man den Inhalt des neuen Konzeptes von CDU, FDP und UWG betrachtet, sieht man in den „Leitsätzen“, dass es oberstes Ziel der Schulpolitik sein soll, den Elternwillen aufzunehmen. Dieser Elternwille wurde auf CDU-Antrag durch eine unverbindliche Interessenabfrage bei den Erziehungsberechtigten der Zweit- und Drittklässlern ermittelt, jedoch ohne auf die Tragweite der Entscheidung hinzuweisen. Bei einem Rücklauf von weniger als 50 Prozent ist die Auslegung dieser Zahlen willkürlich. Der Elternwille wurde selbst zusammengezimmert und so für die eigenen Pläne missbraucht. Wer vorgibt dem Elternwillen entsprechen zu wollen, muss ihn unter fairen, transparenten Bedingungen
ergebnisoffen und unter Einbeziehung aller Möglichkeiten abfragen. Wer wirklich die beste Lösung suchen will, muss sich auch auf die „Suche“ einlassen. Weiterer Leitsatz des „bürgerlichen“ Bündnisses ist, dass alle Hemeraner Schüler/innen die von ihnen gewünschte Schulart besuchen sollen. Jede Schulart hat spezifische Eigenarten, die sie ausmachen. Aufgabe des Schulträgers ist es, die entsprechenden Voraussetzungen dafür zu schaffen. Nur wenn die äußeren Bedingungen stimmen und nach dem entsprechenden pädagogischen Konzept gelehrt werden kann, sind diese Voraussetzungen erfüllt. Wer vorgibt, ein verantwortungsvoller Kommunalpolitiker zu sein
und das pädagogische Konzept der Gesamtschule kennt und es beachten will, kann unter den in Hemer herrschenden Umständen keine 6-Zügigkeit in Betracht ziehen. Wer das dann unter dem Motto verkauft, dass jedes Kind in die gewählte Schule gehen soll, der folgt populistischen Forderungen, ohne die erforderliche Qualität der Schule zu sichern und schickt damit die Kinder vorsätzlich in eine ungewisse Zukunft. Als letzter Leitsatz wird von den drei Parteien angegeben, dass eine Schule ihre pädagogischen und organisatorischen Aufgaben am besten erfüllt, wenn sie nur an einem
Standort angesiedelt ist. Das hört sich gut an, aber noch viel besser arbeitet eine Schule, wenn sie über die notwendige Mindestausstattung verfügt. Jedoch befürchten wir, dass unsere Kinder, die in die 7. Klasse der Gesamtschule gehen, diesen Zustand während ihrer Schulzeit nicht mehr erleben werden.
Der Hinweis von allen 3 Parteien im Schulausschuss, dass es sich bei dem Beschluss lediglich um einen Prüfauftrag handelt und damit keine der angestrebten Änderungen beschlossen wird, ist einfach eine Täuschung. Allein schon der Faktor Zeit begünstigt den Plan. Dass drei Jahre die Probleme der Gesamtschule geleugnet und ignoriert wurden, zeigt die unrealistische Betrachtung. Es muss damit gerechnet werden, dass die Verwaltung grünes Licht für die Durchführbarkeit gibt. Damit scheiden alle anderen Lösungsmöglichkeiten aus und die Entscheidung ist praktisch am 6.6. unwiderruflich gefallen. Dieser Weg ist für die Hemeraner Schulentwicklung sehr riskant. Deshalb müsste von Beginn an die zuständige Aufsichtsbehörde beteiligt sein. Der Infoabend an der Gesamtschule, in der sich Herrn Gropengießer als Freizeitpolitiker outete, kann auch nur als Alibi-Veranstaltung gesehen werden. Die Zusage, dass die Einbeziehung eines neutralen Schulentwicklungsplaners die eigenen mangelhaften Kenntnisse der Freizeitpolitiker ausgleichen soll und beratend den Arbeitskreis und die
erforderlichen Entscheidungen begleiten soll, wird nicht in dem mit den Eltern
abgesprochenen Umfang umgesetzt. Das Schicksal der Hemeraner Schüler/innen liegt damit ungeschützt in den Händen der ehrenamtlichen Laien. Wer jedoch nur seine schulpolitischen Ideologien zulässt und erkennbar berechtigte Interessen der Schüler/innen, Eltern, Lehrer/innen und Schulleitungen ignoriert oder gar nicht anhört, nimmt Nachteile für die Betroffenen billigend in Kauf. Die Gesamtschule wurde von den Eltern erstritten und seitdem unterstützend begleitet. Diese Schule hat die meisten Anmeldezahlen, genießt über die Grenzen von Hemer hinaus einen exzellenten Ruf und arbeitet erfolgreich unter schwierigsten Bedingungen.
Die Gesamtschule ist unbestritten ein Gewinn. Wer jetzt nicht besonnen mit dieser Chance für Hemer umgeht, wird seiner Verantwortung nicht gerecht.
Die von den „bürgerlichen“ Politikern auch so beschriebene immense Verantwortung kann geteilt werden, wenn man bereit ist, andere teilnehmen zu lassen und die Entscheidung gemeinsam getragen wird. Das Handeln allein ist nicht mutig, jedoch für einen Konsens einzutreten und dabei über den eigenen Schatten zu springen, zeigt den Respekt der Politiker gegenüber den Betroffenen und bringt den Politikern den Respekt der Betroffenen. Alles andere kann nicht die angestrebte „beste Lösung“ des Schulproblems sein."

Autor:

Christoph Schulte aus Hemer

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