Erstes Projekt der Zirkusschule Petit und Checkpoint für Iserlohner Flüchtlingskinder

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Wenn man sie beobachtet beim Herumtoben, beim Spielen, dann ahnt man noch nicht, dass sie möglicherweise trotz ihres jungen Alters schon Schreckliches erleben mussten. Sie haben Spaß, sie lachen – bis eine Situation entsteht, in der es ungewollt ernst wird. Fliegende Spielbälle werden begleitet von Geräuschen, die dem Flug bis hin zur Explosion einer Handgranate ähneln. Geräusche, die man nur nachmachen kann, wenn man sie erleben musste, wie manche der elf Kinder des ersten Zirkusprojektes dieser Art.

Elf der Kinder von 8 bis 13 Jahren, die mit ihren Familien aktuell in dem Wohnheim an der Oberen Mühle untergebracht sind, haben diese Woche an einem besonderen Projekt teilgenommen. Sie kommen aus Ägypten, Albanien, dem Kosovo und Mazedonien. Nach verschiedenen Kooperationsprojekten von Checkpoint/Lichtblick und der Iserlohner Zirkusschule Petit, haben beide nun erstmals ein Zirkusprojekt organisiert.
Die Kinder haben unter Anleitung des Zirkuspädagogen Rene Zeiler, unterstützt durch Checkpoint-Mitarbeiterin Tanja Wendland und Sven Pasel eine Woche lang von morgens bis abends in der Zirkusschule gemeinsam gespielt und Akrobatisches gelernt. Möglich gemacht hat das eine Spende der Kinderlobby.
Es ist faszinierend zu sehen, wie die Mädchen und Jungen, obwohl sie sich völlig fremd sind, miteinander respektvoll umgehen, sich gegenseitig helfen und zusammen lachen – denn dazu braucht es keine Sprache. Rene Zeiler: „Sie lernen schnell, auch deutsch, aber die Kommunikation findet in erster Linie nicht auf verbaler Ebene statt. Bei unseren artistischen Übungen helfen sie sich. Sie lernen, dass es ohne den anderen nicht geht. Denn bei einem sogenannten Turmbau, sind alle gleich wichtig. Jeder einzelne. Denn wer unten fehlt, kann oben nicht schön aussehen.“

Projekt hilft, anderen zu vertrauen

So viel Spaß sie auch haben an diesen Tagen, dass es sich hier um zum Teil stark traumatisierte kleine Menschen handelt, die Schlimmes erleiden mussten und nun in einem fremden Land auf kleinstem Raum untergebracht sind, ohne wirkliche Rechte, darf man nicht vergessen. Das Projekt hilft nicht nur, ein paar Stunden abzulenken, sondern auch, sich zu entwickeln, anderen zu vertrauen. Sie erfahren Lob, und die Pädagogen vermitteln ihnen, dass sie wertvoll sind und wichtig. Die Eltern, die genauso versuchen, ihr Erlebtes irgendwie zu verarbeiten, müssen sich nun um ihre Zukunft sorgen; da kommen die Kinder nicht unbedingt an erster Stelle.
Sieben Familien mit 14 Kindern sind an der Oberen Mühle aktuell untergebracht. Bei den meisten von ihnen ist noch unklar, ob sie bleiben dürfen in Deutschland. Da der Status noch unklar ist, eine Entscheidung kann zwei bis drei Jahre dauern, gibt es hier sprachlich auch noch keine Förderung. Jugendreferent Timon Tesche (Checkpoint): „Nach so langer Zeit ist der Zug so gut wie abgefahren. Wir wollen helfen, unterstützen, egal welchen Status die Menschen haben, ob sie abgeschoben werden, denn sie sind die Opfer der Flüchtlingssituation.“ Vor allem die Kinder leiden darunter. Niemand weiß hier wirklich, was sie erleben mussten. Wenn man mit ihnen spricht, sind sie erst sehr schüchtern. Sadije (12) ist mit ihrem Bruder Nasme (10) und ihren Eltern aus Mazedonien hier. „Es gefällt mir, mit den anderen Kindern zu spielen, mit Fahrrädern zu fahren und Sport zu machen“, sagt sie und läuft schnell wieder zu ihren neu gewonnen Freunden aufs Spielfeld in den Räumen der Zirkusschule.
„Hier wird natürlich niemand gezwungen mitzumachen. Manchmal kommt es vor, dass sich eines der Kinder still und bedrückt an den Rand setzt. Wir sind für denjenigen da, aber lassen ihm den Moment“, erzählt Rene Zeiler. Um weitere Projekte dieser Art wird sich auch in Zusammenarbeit mit der Stadt Iserlohn bemüht. Einiges ist in Planung, weiß Timon Tesche.

Verdienen unseren Schutz

Es sind Kinder, die mit ihren Familien aus ihrer Heimat fliehen mussten und hier Schutz suchen. Man erlebt kleine Menschen, die Vertrauen fassen, wenn man sich mit ihnen beschäftigt und findet sich beim Fotografieren auf einmal inmitten dieser Mädchen und Jungen wieder, die interessiert die Fotos auf dem kleinen Bildschirm angucken möchten, sich riesig freuen und wenigstens für Momente so glücklich scheinen, wie sie es verdient haben. Auch die Erwachsenen verdienen unseren Schutz, die Schreckliches, wie vielleicht das Mitansehen eines Mordes, noch bewusster erfahren mussten.

Autor:

Karola Schröter aus Hemer

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