Wolfgang Rüdell ist mit Trecker und buntem Bauwagen Baudenkmälern hinterher
Wolfgang Rüdell ist vor drei Jahren von seinem Gerüst hinuntergestiegen und ist nicht heimgefahren, sondern wollte sehen, was er in seinem Arbeitsleben geschaffen hat. Seitdem ist der ehemalige Steinrestaurator mit seinem Trecker-/Bauwagengespann in Europa unterwegs, immer den Baudenkmälern nach. Gestern haben wir ihn in Goch auf dem Friedensplatz entdeckt.
Technische Hilfsmittel benötigt der 69-Jährige bei sein Touren nicht, sein Navigationsgerät ist das „Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler“ von Georg Dehio. „Als ich noch gearbeitet hatte, blieb keine Zeit, zu sehen, was ich da tat“, erklärte gestern der Bamberger, der als Restaurator beim Naumburger Dom dabei war, am Bremer Rathaus mitarbeitete und das Bernburger Schloss in seiner steinernen Struktur kenne. Und die Zeit, die Bauwerke genauer zu betrachten, die nimmt er sich nun, und hat sich dafür das 22-PS-starke Gespann als fahrbaren Untersatz gewählt. „Sie sehen viel mehr , wenn sie langsam unterwegs sind“, beschreibt er das Gefühl, wenn er auf seinem 1963er Kramer-Traktor an der frischen Luft sitzt und mitsamt bunt lackiertem Bauwagen bei Tempo 12 km/h durch die Republik tuckert.
Der Wagen ist innen zum Einzimmer-Appartement umgebaut, mit Bett, Schreibtisch, Küche und Schränken. Und jede Menge Regale mit noch mehr Büchern, die er liest, wenn er mal nicht gerade schreibt oder eine der romanischen Kirchen am Niederrhein aufsucht und deren „magisches Moment“ erkundet.
„Das wurde meist bewusst in jeden Kirchenbau verbaut, um nicht perfekter als der liebe Gott zu sein“, schmunzelt der Handlungsreisende in Sachen Baudenkmäler. Auch die Gocher Maria Magdalena-Kirche, die Rüdell am Donnerstag sah, hat eine solche „Bausünde“: „Die Kirche hat einen merkwürdigen Grundriss, der Hauptaltar ist im Südschiff (Seitenschiff), das darum auch höher als das Hauptschiff ist.“
Weniger aus missionarischem Eifer, mehr aus reiner Neugier, ja Passion, „untersucht“ Rüdell die romanischen Gotteshäuser: „Die Architektur versinnbildlicht die jeweilige Zeit und als Steinrestaurator fühlt man sich dem verbunden.“ Das Rheinland, und hier vor allem der Niederrhein, galt als Schwerpunkt des romanischen Schaffens, darum gibt es hier für den früheren Diplom-Pädagogen noch viel zu entdecken. Grieth, Emmerich, Kranenburg oder Wissel birgen etliche „Geheimnisse“.
Von Bamberg Richtung Norden mit Thüringen, Sachsen-Anhalt und Nordsee hat er bereits kennengelernt, er fuhr entlang der Romanischen Straße mit ihren 40 Stationen und deren Bauwerken und ist jetzt rheinabwärts unterwegs.
Und das Tag für Tag, Jahr für Jahr: seine Wohnung hat er aufgegeben, und nur wenn der Winter zu ungemütlich sein sollte, schlüpft er bei Freunden unter. Seine postalische Adresse hat er bei seinem Schwager, weil er sich „das Wahlrecht nicht nehmen lassen will“.
Nur freundliche Begegnungen habe er in den drei Jahren gehabt. In Grefrath habe man ihn „adoptieren“ wollen, andernorts habe ihm ein Polsterer ein neues Traktorkissen gefertigt, und zwar umsonst. Und zu Pfingsten muss ich zum Treckertreff nach Hommersum, so viele Einladungen habe ich bekommen“, lacht er. Einsamkeit verspüre Rüdell, der mal verheiratet war, nicht,und außerdem ginge diese Tour auch nicht zu zweit: „Es ist zu eng. Dies ist ja auch kein Urlaub, sondern meine Art der Lebensführung.“
Solange die Rente überwiesen wird und so lange es körperlich noch klappt, will Wolfgang Rüdell die Baudenkmäler aufsuchen: „Und wenn dann das Internet in der Lage sein sollte, die architektonischen Wunder in den Himmel zu senden, kann ich auch nach meinem Ableben weiter mit meinem Bauwagen umherziehen ...“
Autor:Franz Geib aus Goch |
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