Nachts, als Goch schlief ...
Nachts wenn Goch schlief, konnte Hermann Ullenboom seinen Erinnerungen lauschen. Und weil er so viel erlebt hatte, waren es etliche Dinge, an die sich der Nachtwächter erinnerte. So viele, dass jetzt ein Buch daraus wurde. Mit Geschichten, die aus seinem Leben berichten und auch was über die Stadt erzählen. Doch beinahe wären sie alle im Schredder gelandet ...
„Der Onkel Hermann (lebte von 1893 bis 1973 in Goch) war bekannt dafür, dass er bei verschiedenen Anlässen immer Döntjes zu erzählen wusste“, erzählt Gerd Ullenboom. Diese hatte der Gocher nach dem Krieg während seiner nächtlichen Arbeit in kleine Heftchen geschrieben.
Am 17. März 1973 verstarb Hermann Ullenboom, der zuletzt mit Tochter Maria zusammen lebte. Seine „Aufzeichnungen“, die vielen Geschichten über sein Leben und das seiner Heimatstadt, hatte die von ihrem Vater beschriebenen Heftchen aufbewahrt und nach ihrem Tod der Maria Magdalena-Kirche vermacht.
Dort gerieten sie langsam in Vergessenheit ...
Bei einer „Haushaltsauflösung“ der Kirche kamen unter anderem zwei Tragebeutel mit handbeschriebenen Heftchen zum Vorschein. Der Rendant Gerd Thyssen sprach daraufhin Gerd Ullenboom an, der zu dieser Zeit als Hilfsküster arbeitete, ob er mit Maria Lange, geborene Ullenboom, verwandt sei, und ob er sich die Tragebeutel ansehen wolle, bevor sie in Altpapier-Container geworfen werden. „Mein Interesse war natürlich sofort geweckt“, erinnert sich der Neffe Gerd Ullenboom.
Weil die Geschichten allerdings in Sütterlin verfasst waren, nahm Gerd Ullenboom die Hefte mit zur Mundartgruppe, damit sie dort vielleicht übersetzt werden könnten.
Da war er bei Adele Sonntag genau richtig. Sie ist nämlich eine Expertin in Sachen alten Sprachen und Schriften. „Das kann ja heute kaum einer noch lesen“, sagt die aktive Gocherin und verriet, wie sie das Geschriebene von Hermann Ullenboom dennoch entzifferte: „Zum einen hatte mein Schwiegervater fast alles in Sütterlin geschrieben und so blieb die Schrift bei mir lange frisch. Zum zweiten waren viele Texte in Reimform verfasst, so dass ich schnell ableiten konnte, was dort geschrieben stand.“
Doch mit der Übersetzung war es dann nicht getan: Weil die Geschichten jeden, der sie las, zum Schmunzeln brachte, wurde schnell die Idee geboren, dass alle Gocher „Ullenbooms Erzählungen“ lesen sollten.
„Mein Onkel hatte die Geschichten sicherlich nicht nur für sich geschrieben, sondern wollte damit auch eine breitere Öffentlichkeit erreichen“, ist sich Neffe Gerd sicher, das Erbe seines Onkels richtig zu handhaben: „Schließlich hatte Onkel Hermann seine Geschichten auch im Gocher Wochenblatt (damals noch Gocher Nachrichten) unter dem Pseudonym „HuGo“ veröffentlicht.“
Zusammen mit Ehefrau Anita, Sohn Georg, dessen Lebensgefährtin Maike Otte-Schacht, Enkelin Denise, Joachim Duderstadt, Sarah Well und natürlich Adele Sonntag entstand das Druckwerk, das heute den Namen „Was das Leben uns gebracht“ trägt.
In vier Kapiteln erzählt Hermann Ullenboom von seiner Liebe zur Heimatstadt, den Kirmes-Traditionen, seine Verbundenheit zu Kirche und Geistlichkeit und seinem Interesse zur Landwirtschaft. Die Texte teils in Mundart, teils in Hochdeutsch geschrieben, oft launig, aber zwischendurch auch nachdenklich, sind nicht nur für die Ur-Gocher gedacht, wie Adele Sonntag meint: „Wir wollen natürlich auch bei der jüngeren Generation das Interesse für die alte Geschichten und die Mundart wecken.“
Der Autor selbst umschrieb die Gründe etwas anders, als er meinte: „Nicht leere Worte schrieb ich nieder, oder dass ich mir was ausgedacht. Ich schreibe das, schreib es immer wieder, was das Leben uns gebracht.
Oft muss ich die Wahrheit sagen, weil ich es nicht umgehen kann. Ob es nun jeder kann vertragen, wem der Schuh passt, der zieh ihn an.“
Autor:Franz Geib aus Goch |
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