4U9421: Mein Germanwings-Flug über die Alpen

Fotos: Marjana Križnik
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Ich würde lügen, wenn ich sagte, dass es genauso war wie bei früheren Flugreisen. Am Karfreitag - bei meinem ersten Flug mit Germanwings - verspürte ich nicht Angst, „es“ fühlte sich "einfach" anders an. Zehn Tage nach der Absturz-Katastrophe in den französischen Alpen.

Ausgerechnet Germanwings. Ausgerechnet jetzt. Dies ging mir im Vorfeld durch den Kopf, nachdem die Flug-Buchung durch war. Die Abläufe im Cockpit vor einem Flug, wie dieser Bereich eines Flugzeuges sich darstellt oder wer dort was wann tut: All dies hatte früher nie in besonderem Maße meine Aufmerksamkeit erregt. Vielmehr: Hinsetzen. Anschnallen. Losfliegen. Ankommen. Aussteigen. Urlaub machen. Die Gesichter oder Namen der Menschen, die mich lächelnd an Board begrüßt hatten und mit dazu beigetragen hatten, dass ich sicher an mein Ziel gelangt war, waren nach jedem Flug stets in meiner Erinnerung verblasst und rasch verschwunden.
Diesmal war es anders. Während der Wartezeit vor dem Boarding gingen mir am Düsseldorfer Flughafen Gedanken durch den Kopf, die ich schnell bei Seite schob: Genau so haben „sie“ auch gesessen und gewartet. Was mag „ihnen“ wohl durch den Kopf gegangen sein? Ich werde fast dieselbe Flug-Route fliegen. In umgekehrter Richtung zunächst einmal. Im gleichen Airbus-Typ. Über das Absturzgebiet hinweg.

Ansonsten war am vergangenen Freitag vor dem Boarding des Flugs „4U9421“ alles „wie immer“, bevor es los geht: Reisende lasen Zeitung, hörten Musik über Kopfhörer, beschäftigen sich mit Smartphones oder Tabletts oder unterhielten sich miteinander. Keiner der Menschen blickte irgendwie „auffällig“ oder gar nervös. Dann erfolgte das Boarding. Im Schuttle-Bus zum Flugzeug gab es die obligatorischen Witze-Reißer, die sogar vor Geschmacklosigkeiten in Zusammenhang mit dem jüngsten Absturz nicht halt machten. Im Airbus selbst empfing ein junger, hübscher und dunkelhaariger Pilot mit Dreitagebart und bernsteinfarbenen Augen sympathisch lächelnd die Einsteigenden. Mein Blick blieb für einen kurzen Moment an dem Namensschild an seiner Uniform hängen. Dann wurde mir bewusst, dass mein Blick wie magisch im Inneren des Cockpits verharrte: Dessen Stahltüre war weit geöffnet. Dann wurde ich von den Nachrückenden sanft „weiter geschoben“. Die Position meines Sitzplatzes erlaubte mir, weiterhin ins geöffnete Cockpit zu schauen. Was ich auch tat, bis eine der Stewardessen die Sicherheitstüre schloss. Bis dahin konnte ich noch registrieren, dass der andere Pilot an seinem Platz linker Hand im Cockpit saß. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen. Technische Angestellte des Flughafens in neon-orangen Sicherheitswesten erschienen und verließen nach dem Vorflug-Check den Cockpit-Bereich eine Weile später wieder. War dieses Prozedere auch während meiner früheren Flugreisen auf dieselbe Weise abgelaufen? Ich habe nie sonderlich darauf geachtet. Dann schloss eine der Stewardessen die Sicherheitstür zum Cockpit. Meine Blick schweifte von der Stahltür weg und blieb an den fetten Buchstaben einer Zeitungs-Schlagzeile hängen: „Soko ermittelt an Airbus-Absturzstelle!“: Auf einem Gangplatz auf der linken Seite des Flugzeugs (ich saß auf einem Gangplatz rechter Hand) im Bereich vor mir raschelte ein Mann, von dem ich nur den Hinterkopf wahrnahm, mit der besagten Zeitung. Blätterte um. Die Headline „Liebeskrieg mit Verlobter“ erregte bald mehr seine Aufmerksamkeit als die zuvor Erwähnte. Mein Vordermann hielt über den Mittelgang hinweg die rechte Hand einer weiblichen Passagierin auf einem Gangplatz hinter dem Zeitungsleser. Eine sympathische Stewardess mit blondem Flechtzopf verteilte Zeitschriften an die Kinder unter den Passagieren. Ein braun gelockter etwa Zehnjähriger begann, im Wickiheft zu blättern. Eine junge Frau schaute Kaufgummi kauend aus dem Fenster. Mein Nachbar war bereits eingeschlafen. Die asiatisch aussehende junge Frau auf dem Fensterplatz in meiner Reihe würde es ihm bald gleichtun.
Dann ging alles sehr schnell: Nach einem problemlosen Start gewannen wir zügig an Höhe. Ich hörte jemand sagen: „Ist heftig, wie schnell man hoch kommt.“ Das sieht hübsch aus, dachte ich: Die Landeshauptstadt unter den Schäfchenwolken.
Fazit: Mein erster Flug mit Germanwings war mein bislang angenehmster. Ich hatte zeitweise den Eindruck, als schwebte der Airbus auf der Stelle. Der Rückflug am Ostermontag - zurück nach Düsseldorf - war ähnlich angenehm. Diesmal streifte mein Blick beim Einsteigen nur für einen kurzen Moment das Innere des geöffneten Cockpits. Der Airbus glitt bei strahlendem Sonnenschein durch die Luft. Sagenhafte Ausblicke auf die schneebedeckte Berglandschaft unter mir zogen langsam an mir vorüber. Darf ich mich an diesem Anblick überhaupt erfreuen, schoss es mir kurz durch den Kopf. Darf ich überhaupt schauen? Irgendwann veränderte sich die Szenerie. Eine dichte Wolkendecke tauchte unter uns auf, je mehr wir uns Düsseldorf näherten. Dann begann der Sinkflug zur Landung. Draußen war alles grauweiß, als würde man durch ein Nichts fliegen. Der Landeanflug vollzog sich durch ebendiese, dichte, grauweiße Schicht. Auch beim „Eintauchen“ in den Flugraum über der Landeshauptstadt umschloss uns ein grauweiße Nebel-„Suppe“. Die Landung verlief angenehm.
Beim Aussteigen verabschiedete sich ein sympathisch lächelnder, junger, dunkelblonder Pilot mit Dreitagebart und wasserblauen Augen von mir und den übrigen Passagieren. Ich begab mich zur Gepäckausgabe. Es war ein unvergesslicher Kurztrip über die Ostertage. An die Gesichter der jungen Piloten und Stewardessen werde ich mich erinnern.

Autor:

Marjana Križnik aus Düsseldorf

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