Josef P. Janßen schrieb ein Buch über Leonardo da Vinci und was dessen Linkshändigkeit mit Bindungsstörungen zu tun hat
Gegen den Mainstream geschrieben
Josef P. Janßen hat ein Buch über Leonardo da Vinci geschrieben. Schon wieder eine Abhandlung über das weltberühmte Universalgenie werden jetzt viele denken, doch spätestens wenn man mehr über das Büchlein erfährt, dürfte so mancher genauer reinschauen: Wenn man so will, nahm die Entstehungsgeschichte auf dem Fußballplatz von Keppeln ihren Anfang und wurde nunmehr vom Pagina-Verlag gedruckt.
VON FRANZ GEIB
Goch. "Ich scheibe mit rechts und spiele mit links und Leonardo da Vinci ist Linkshänder", beginnt der Autor die Einführung in sein Gedankengut. Denn der Händigkeit eines Menschen und ihrer jeweiligen Entstehung widmete sich der studierte Soziologe schon in frühester Zeit: "Denn damals im Studium galt die These, dass die Linkshändigkeit genetisch bedingt sei. Aber das hat mich nicht überzeugt, denn kaum jemand hat sich die Mühe gemacht, entsprechende Fallstudien zu betreiben."
Habe er im Studium gelernt, methodisch und systemisch zu denken, und aus Gesprächen und Beobachtungen Aussagen über soziale Prozesse zu gewinnen, hat er aus unzähligen Aufsätzen Forschungsansätze ausgewertet, die die genetische Erklärung der Linkshändigkeit nicht schlüssig erscheinen lässt. "Und damit begebe ich mich in einen Widerspruch zum Mainstream", gibt der Keppelner, der mittlerweile in Bielefeld zuhause ist, zu.
Spiegelverkehrte Perspektive
Nicht die Genetik sei für die Linkshändigkeit verantwortlich, sondern vielmehr gäbe es mehrere Ursachen, darunter die Nachahmung des Kindes aus der spiegelverkehrten Perspektive, wenn es beispielsweise den Eltern, insbesondere der Mutter, gegenübersitzt. "Wenn das länger geübt wird, verbessert sich die Motorik, die in der Schulzeit wieder umgekehrt wird", hat Josef P. Janßen erforscht.
Vor allem aber hätten, so konnte der Autor nachweisen, frühkindliche Bindungsmuster eine starke Auswirkung auf die Händigkeit eines Menschen und macht seine These an Leonardo da Vinci, dem Universalgenie, fest (auch, um über das Universalgenie seine Theorie der Linkshändigkeit einer breiteren Leserschaft zukommen zu lassen).
"Fünfhundert Jahre nach seinem Tod gilt Leonardo da Vinci immer noch als eine der rätselhaftesten Persönlichkeiten der Renaissance. Auch das Rätsel der Mona Lisa scheint unlösbar zu sein", schreibt Janßen in einer Zusammenfassung zum Buch. Mit dem "Traktat von der Malerei" habe der Künstler aber einen Schlüssel hinterlassen, mit dem sich sein Werk und seine Persönlichkeit erschließen ließe: "Die Gemälde Mona Lisa, Anna Selbdritt und Johannes der Täufer spiegeln seine Gemütsbewegungen, die wir durch Forschungsergebnisse zur Bindungstheorie und Linkshändigkeit rekonstruieren und validieren (bestimmen) können." So habe seine frühkindliche Trennungsangst als Folge der Trennung von seiner Mutter Caterina (mit zirka achtzehn Monaten) und der Betreuung durch Fremde sein Selbst gespalten. Der Schmerz darüber habe ihn zeitlebens angetrieben, seine künstlerischen Ausdrucksmittel zu perfektionieren und die Einheit der Person wiederzuerlangen. Josef P. Janßen: "Wir verdanken ihm die zeitlose Botschaft, frühkindliche Gefühle und die Einheit der Natur zu achten."
Motivationaler Zustand
Nach einem toskanischen Sprichwort, demzufolge "sich jeder Maler selbst male", fungierte die Linkshändigkeit als symbolisches Hilfsmittel für seine Kommunikation mit sich selbst und mit anderen über seinen aktuellen motivationalen Zustand. Die religiös und kulturell bevorzugte rechte Hand symbolisierte für das verletzte Selbst den Konflikt insbesondre mit der Mutter, die sein Verlangen nach Nähe nicht mehr stillte. Trotzig wird Leonardo seine 'schöne' Hand verweigert haben, (...) und wandte sich der kulturell minderwertigen und geschmähten linken Hand zu, die ihren bevorzugten Gebrauch mit einem stetigen Kompetenzzuwachs dankte und das bedrohte Selbst stärkte und stabilisierte, schreibt Janßen im Buch: "Sein anfängliches Zeichnen mit der linken und gelegentlich rechten Hand können wir als sicheres Zeichen für sein unsicher-ambivalentes frühkindliches Bindungsmuster deuten. In der Auseinandersetzung mit seinem Trauma hat er seine Vorstellungskraft, Willenshärte und seinen Ehrgeiz entwickelt, mit dem er Demütigungen und Nachteile kompensierte."
Aus diesem Verständnis heraus fragt der Autor, ob Kinder, die in ihrer frühkindlichen Entwicklung gefährdet waren oder sind, heutzutage angemessen unterstützt werden. Vor allem die Gruppenbetreuung der unter Dreijährigen sieht Josef P. Janßen vor diesem Hintergrund kritisch: "Die Trennung von der Mutter im Alter zwischen zehn und achtzehn Monaten ist unbedingt zu vermeiden, wenn wir das Kindeswohl achten wollen." Die heutige Fremdbetreuung, insbesondere für alleinerziehende Mütter, in dieser sensiblen Phase sei ein Desaster und darum mache er den Vorschlag einer Tageseinrichtung für Eltern und Baby, deren Grundriss er in seinem Buch anhand einer Zeichnung wiedergibt. Die Finanzierung solcher Einrichtungen sei Aufgabe von Sponsoren und der Deutschen Fußballliga, sprich den Fußballvereinen.
Noch bis vor einer Generation geschah eine Fremdbetreuung durch die Großfamilie, die das Baby kannten und zu sekundären Bezugspersonen wurden, merkt Janßen in seinem Buch an. Eine sekundäre Bindung in Gruppenbetreuungen von Kinderkrippen gelingt dagegen nur selten.
Eine Rückkehr zu tradierten Geschlechterrollen will Josef P. Janßen dadurch aber nicht, sondern vielmehr sei der Staat in der Pflicht, die mütterlichen Kompetenzen dort einzusetzen, wo sie für den gesellschaftlichen Zusammenhang wertvoller sind, als die Tugenden des Ehrgeizes und der Rücksichtslosigkeit, wie sie unsere Kultur prägen würden.
Info: Josef P. Janßen, geboren 1953, studierte Soziologie in Marburg und Bielefeld, wo er in den Bodelschwinghschen Anstalten seinen Zivildienst leistete. Nach dem Diplom hat er Zivildienstleistende politisch gebildet und in der Jugend-, Alten. Kranken und- und Behindertenhilfe unterrichtet. In seiner Jugend hat er im linken Mittelfeld der erfolgreichen A-Jugendmannschaft des SV Fortuna Keppeln gespielt. Sein Buch "Leonardo da Vinci - Trauma und Traum" ist im Pagina Verlag erschienen und für 12,95 Euro im Buchhandel erhältlich.
Autor:Lokalkompass Goch aus Goch |
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