Kunden: Die kaufmännische Abwertung behinderter Menschen

Systemfehler im Behindertenbereich Teil IV.

In vielen Behinderteneinrichtungen werden die behinderten Menschen neuerdings als Kunden tituliert. Es stellt sich die Frage, ob diese (im Grunde gut gemeinte Geste) für die Achtung und den Stellenwert behinderter Menschen förderlich ist oder schlicht das Gegenteil bewirkt.

Teilweise erfolgen gegenüber dem Betreuungspersonal regelrechte Belehrungsprozesse wenn diese sie als Heimbewohner bezeichnen. Mit erhobenen Zeigefingern wird darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um „Kunden“ handelte! Die Bezeichnung „Heimbewohner“ sei eine veraltete Bezeichnung, die nicht mehr zeitgemäß sei!

Ich weiß nicht, ob man diesen Menschen einen Gefallen damit tut, behinderte Menschen mit dem Hintergedanken: „Der Kunde ist König“, aufwerten zu wollen. Fakt ist, dass für die beschränkten Geschöpfe umgangssprachlich zu Hauff denkbar schlimme Titulierungen vorherrschen, und man mit dieser gut gemeinten Geste schlicht in vielen Fällen das Gegenteil erreicht hat. „Jetzt sind die „Bekloppten“ schon eure Kunden geworden“!, heißt es häufig.

So, oder so ähnlich musste ich mir immer wieder unter zumeist spöttischem Gelächter die Kommentare von Leuten anhören, die wissen, dass ich im Behindertenbereich tätig bin. Und das ist nur eine leichte Form des Hohnes und des Gelächters, was dann auf einem zukommt. Doch die richtig bösartigen Kommentare wollte ich an dieser Stelle gar nicht aufführen!

Und dieser Hohn ist nicht unberechtigt, wenn man hiervon ableitet, was man unter einem Kunden unseres Gesellschaftsmechanismus versteht:
- ein Kunde ist immer mit Ware oder Dienstleistung in Verbindung zu setzen,
- die Gewährungsansprüche voraussetzen und die
- stets ein Umtauschrecht oder eine Nachbesserung der Leistungen beinhaltet.

Dies alles jetzt auf behinderte Menschen zu projizieren ist mehr als unglücklich, auch, wenn die Absicht noch so gut gemeint ist. Umso schlimmer dann, wenn die Institution dann auch noch mehr oder weniger dazu zwingt, derartige Bezeichnungen nutzen zu müssen, und diese Vorgänge dann noch mit Belehrungsprozessen unterlegt.

Zu behinderten Menschen, mit denen man sich beschäftigt, mit ihnen stundenweise zusammen wohnt, sich mit ihren Vorlieben, Sorgen und Ängsten beschäftigt, baut man eine innere Beziehung auf. Der eine mehr, der andere weniger. Doch Seitens der Heimleitungen vorzugeben, diese Menschen kaufmännisch zu betrachten und zu benennen, geht gar nicht.

Ich jedenfalls möchte zu behinderten Menschen keine Geschäftsbeziehung hegen, auch, wenn man mich dafür bezahlt. Nähe, Zuwendung und Herzblut sind die Elemente des Umgangs mit Schutzbefohlenen. Ähnlich wie die Beziehungen zu meiner Ehefrau und den Kindern. Auch, wenn meine Liebsten für mich „die Könige“ sind, käme es mir nie in den Sinn, sie als meine „Kunden“ zu sehen.

Man sollte insofern immer bedenken, dass Seitens der Einrichtungen eine gewisse Fürsorgepflicht gegenüber behinderter Menschen besteht. Sie jetzt durch aufgezwungene Bezeichnungen der Lächerlichkeit preiszugeben, ist mehr, als unglücklich.

Behinderte Menschen brauchen Nähe und intensiven Kontakt zu jenen, die sich um sie kümmern. Es wachsen wechselseitige Beziehungen die teilweise dahin gehen, dass man die Menschen gern hat und gern gemocht wird. Sie nun mit kaufmännischen Augen zu betrachten, geht bei mir darum gar nicht!

Eine Geschäftsbeziehung mit Kunden und gleichzeitige Gabe von Liebe und bezahlter Zuwendung gibt es in Bordellbetrieben, es sollte jedoch nicht im Behindertenbereich vorherrschen. Solchen Unsinn können sich einzig Verwaltungen ausgedacht haben ...

Foto: Albrecht E. Arnold, Pixelio

Autor:

Kurt Nickel aus Goch

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