Kirche im Dorf: Auf dem Land glaubt man nicht mehr einem allein
Wie die Menschen auf dem Land Glauben leben, glaubt Pfarrerin Anke Kreutz zu wissen: „Die Menschen am Niederrhein nehmen Vorgegebenes nicht mehr hin, sondern schaffen sich ihre eigenen Räume, Verstehensmuster und Rhythmen: Weihnachten mit der Kleinfamilie im Gottesdienst, in der Woche Tarotkarten legen mit der Presbyterin ...
Derlei Thesen waren Inhalt der jüngsten Synodaltagung der Evangelischen Kirche im Kreis, die in Kalkar stattfand, und dienten mithin der Beschäftigung mit den derzeit drängendsten, existentiellen Fragen, der sich wie die Katholiken, auch die evangelische Kirche in Zeiten des demografischen Wandels und des anhaltenden Mitgliederschwundes stellen muss: Wie und wo muss gespart und wie das verbleibende Personal eingesetzt werden?
Superintendent Hans-Joachim Wefers „Spätestens in zehn Jahren setzt im Kirchenkreis Kleve die große Pensionierungswelle und es bleibt die Frage, wie das kompensiert werden kann.“
Große Pensionierungswelle kommt
Zur Zeit würden, so Wefers, 30 Pfarrer und Pfarrerinnen im Kirchenkreis ihren Dienst in den Gemeinden, in Schulen, JVA und Landesklinik versehen. „Bis 2030 werden 21 von ihnen aus dem Dienst scheiden und nur drei bis vier junge Pfarrer nachrücken“, prognostiziert der Superintendent.
Im Klartext: Ein Pfarrer hätte dann 4000 „Schafe“ zu betreuen statt wie bisher 2000. Goch beispielsweise hat derzeit zwei Pfarrer (Rahel Schaller und Armin Rosen) und müsste künftig mit einem auskommen.
„In fünf bis 10 Jahren wird es so sein, dass wir nicht mehr genügend junge Leute haben“, glaubt Wefers. Die Gründe für das mangelnde Interesse Jugendlicher für den vielseitigen Beruf des Pfarrers sieht der Super-Intendent in der verschlechterten Besoldungssituation und einer ehemals falschen Personalpolitik, als es noch „zu viele“ Bewerber gab und den Jugendlichen geraten wurde, sich nach Alternativen umzuschauen. „Auch der wachsende Traditionsabbruch dürfte eine Rolle gespielt haben. Irgendwann war das Arbeiten in und für die Kirche einfach nicht mehr selbstverständlich“, weiß Wefers.
Theologie ist spannend und vielseitig
Mit einer bundesweit angelegten Werbeaktion versucht die evangelische Kirche dem Trend entgegenzusteuern und junge Menschen für den Beruf des Pfarrers („Theologie ist spannend und vielseitig“) zu gewinnen.
Der 800.000 Euro umfassende Haushalt des Kirchenkreises Kleve gestaltet sich derzeit zwar ausgeglichen, aber das nur dank der Entnahme von 50.000 Euro aus Rücklagen, gibt der Superintendent zu. Darum wurde der Finanzausschuss nun beauftragt, den Haushalt auf mögliche Sparmaßnahmen zu prüfen. Mittelfristig sollen so 100.000 Euro, kurzfristig 50.000 Euro eingespart werden. „Es wird keine Personalentscheidungen geben, aber irgendwo muss das Geld ja herkommen“, orakelt Wefers. Stattdessen könnten Kooperationen einzelner Gemeinden für die monetäre und personelle Entlastung sorgen.
Auf dem Land sei die Situation keineswegs rosiger als in der Stadt, so Wefers und zitiert die eingangs erwähnten Thesen aus dem Referat von Pfarrerin Anke Kreutz: „Die Hälfte der Bevölkerung am Niederrhein ist berufstätig, davon pendeln rund 60 Prozent zwischen Heimat- und Arbeitsort, leben in so genannten Zwischenräumen.“
Und auch das religiöse Verhalten habe sich, so Kreutz verändert: „Der pensionierte Handwerker beteiligt sich an der Ausgabe an der Tafel, glaubt, dass die Natur der beste Lehrmeister ist, ist Baukirchmeister und hängt ein Heiligenbild über die Tür.“ Hans-Joachim Wefers: „Es gibt bei den Gemeindemitgliedern ein Mischung aus spirituellen Antworten. Wir müssen diese Veränderungen annehmen. Die Kontinuitätsfunktion, nach der alles bleibt wie es war, greift nicht mehr.“
Kirchliche Arbeit habe einen Balanceakt zu bewältigen: Einerseits werden von ihr die traditionellen Angebote, wie der Gottesdienst am Sonntag Morgen erwartet, andererseits muss sie die erreichen, die im Gemeindeleben nicht oder nicht mehr vorkommen. Kirche müsse dahin gehen, wo die Menschen sind, müsse Vernetzungen schaffen.
Beispiele seien gemeindeübergreifende Projekte wie in der Kirchenchorarbeit bereits hier und da geschehen oder ein zweites Programm (Bsp.: Gottesdienst am Samstag Abend) für die Mitglieder aufstellen.
Autor:Franz Geib aus Goch |
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