Auch die Besserwisser sollten sich fragen lassen, warum sie sich erst jetzt melden

Es scheint, als habe beinahe jeder irgendwie mit der Loveparade in Duisburg zu tun gehabt. In Gesprächen mit Arbeitskollegen oder Wochenblatt-Lesern erfuhr ich oft, dass es bei den Gesprächspartnern irgendeinen Bekannten gab, der bei der Mega-Techno-Party dabei sein wollte, oder dass mein Gegenüber einen Bekannten habe, der von einem Bekannten wusste, dessen Tochter/Sohn am Samstag dort abtanzen wollte.
Froh war ich dann, wenn ich erfuhr, dass der Bekannte rechtzeitig das Weite gesucht und somit der Katastrophe entkam. Schrecklich dagegen die Momente, in denen mir geschildert wurde, dass die Katastrophe beinahe auch in dieser Familie ihren Lauf genommen hätte.
Für mich als geborenen und nach wie vor bekennenden Duisburger, der nur ein paar Schritte vom Güterbahnhof aufwuchs und den Tunnel tausendfach auf dem Weg zu Freunden durchfuhr, berührten die Schilderungen wie schmerzende Schläge.
Wer hat diese hohe Zahl der Opfer zu verantworten? Wer hat zu verantworten, dass man dieser liebenswürdigen und arg gebeutelten Stadt für immer den Makel der Rücksichtlosigkeit, der Gier, der Verantwortlosigkeit, der Menschenmissachtung anhaftet? Der Tunnel wird künftig nie mehr einfach nur durchfahren. Immer wird der Blick an die Stelle gerichtet sein, an der das Unglück geschah. Natürlich müssen die Verantwortlichen die Konsequenzen ziehen, weil es ihre verdammte Pflicht war für Sicherheit zu sorgen. Es ist einfach nur unerträglich, wenn sich jeder hinter Ausflüchten á la „Ich war‘s nicht ...“ verschanzt. Ein Rücktritt allein ist aber zu wenig. Alle, Stadt, Veranstalter und Sicherheitsbehörden haben mit der Tragödie von Duisburg Schuld geladen. Und, so bitter es klingt, muss sich auch unsere Gesellschaft fragen, wie es sein kann, dass unsere Kids, zum Teil zugedröhnt, in Krisensituationen nicht mehr kennen, als sich selbst der Nächste zu sein ohne Rücksicht auf andere ... Und auch die Besserwisser, die jetzt auftauchen, müssen sich fragen lassen, warum sie nicht vorher laut genug geschrien haben. Meinetwegen auch beim Innenminister ...