Hochwürden auf Abwegen

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Sommer 2013, schönes Wetter, hohe Berge, Familienurlaub im Wallis in der Schweiz.
Wie in jedem Jahr habe ich wieder die schöne Aufgabe übernehmen dürfen, in den beiden Gemeinden Randa und Täsch als "Ferien-Örgler" (schweizerisch für Vertretungs-Organist)
die Gottesdienste musikalisch zu gestalten. Doch am Samstag, dem 3.August, kam alles ganz anders
...

Wir hatten den wunderschönen sonnigen Tag für eine Bergtour zum Almageller Horn genutzt und waren beim Abstieg noch knapp einem drohenden Gewitter entronnen. Pünktlich waren wir wieder in Randa, und um 18 Uhr spielte ich beim Vorabendgottesdienst die Orgel, während draußen bei Blitz und Donner gewaltige Wassermassen niederprasselten. Doch zum Glück war das Unwetter zu Ende, als ich mich nach dem letzten Orgelstück auf mein "Velo" (schweizerisch für Fiets) schwang, um in den 4 km entfernten Nachbarort Täsch zu radeln, in dem der nächste Gottesdienst um 19:30 Uhr beginnen sollte. Auch der indische Pfarrer Dolphi, der für beide Gemeinden zuständig ist, und der Gocher Diakon Jochen van Loon (Feriengast in der Gaesdoncker Augustinushütte in Randa) fuhren zusammen mit dem Auto Richtung Täsch.

Hausgroße Felsbrocken!

Ich hatte gerade die halbe Strecke geschafft, als ein Stau auf der einzigen Straße durchs Tal mich unruhig werden ließ. Und richtig: Nach weiteren 300 Metern war die Straße komplett gesperrt, auch für Velofahrer und Fußgänger! Was war passiert? Der heftige Regen hatte mehrere riesige Felsbrocken etwa 1000 Höhenmeter oberhalb der Straße in Bewegung versetzt, und diese hatten eine Schneise durch den Wald gerissen, bis sie in großen Sprüngen das Tal erreichten und die Kantonsstraße überrollten - zum Glück kurz nachdem ein voll besetztes Reisecar (schweizerisch für Omnibus) diese Stelle passiert hatte! Niemand war zu Schaden gekommen, doch die Täscher Feuerwehr hatte sofort den kompletten Durchgangsverkehr abgeriegelt, da weitere Steinschläge drohten.

Gesperrt, auch für den Pfarrer!

Wie sollte ich nun pünktlich zum Gottesdienst nach Täsch kommen? Und viel wichtiger noch: Hatten Pfarrer Dolphi und der für die Predigt zuständige Diakon Jochen die Stelle noch rechtzeitig passieren können? Ich wendete mein Velo und fuhr kurzerhand über einen schmalen Waldweg, den man noch nicht abgesperrt hatte, am anderen Ufer des Flusses zur Täscher Kirche und kam 10 Minuten vor Messbeginn dort an. Aber von Dolphi und Jochen war noch keine Spur! In der Sakristei wurde man schon langsam nervös, hatte man doch vom Steinschlag und der Straßensperrung schon erfahren. Die Kirche war bereits gut gefüllt, die Glocken hatten aufgehört zu läuten, die Ministrantinnen waren eingekleidet, die Kerzen schon entzündet - nur die hohe Geistlichkeit fehlte!
Da hörte man plötzlich durch die Stille ein Geknatter, dann quietschende Bremsen, die Tür zur Sakristei wurde aufgerissen, und herein stürmten zwei Männer mit Motorradhelmen auf den Köpfen. Diakon Jochen und Pfarrer Dolphi zogen die Helme ab, und während sie in aller Eile die Messgewänder anlegten, erzählten sie uns von ihrer Odyssee.

Die rettende Idee - ein Töff!

Jochen hatte, als die beiden tatsächlich im Stau standen, die rettende Idee gehabt: Er wendete das Auto, raste in 5 Minuten zur Augustinushütte zurück, verpasste dem staunenden Pfarrer einen Motorradhelm und stieg auf sein Töff (schweizerisch für Motorrad), also auf den Motorroller, der für kleine Besorgungen immer an der Hütte parkiert (schweizerisch für geparkt) steht. Der entsetzte Pfarrer kam auf den Soziussitz, und los ging die rüttelnde Fahrt über den Feldweg am Fluss entlang nach Täsch. Und drei Minuten vor dem Gottesdienst kamen ein verschmitzt lachender Diakon und ein trotz der dunklen Hautfarbe recht blasser Pfarrer noch pünktlich in der Kirche an. Der Pfarrer hatte wohl noch nie auf so einem Gefährt gesessen, und der Diakon hatte vermutlich auch nicht alle schweizerischen Verkehrsregeln eingehalten...

Don Camillo im Steinschlag

Aber nun konnte die Messe doch noch pünktlich beginnen, und ich musste nur noch überlegen, ob ich zum Einzug spontan lieber die Filmmusik von "Don Camillo und Peppone" oder ein beruhigendes Stück von den "Rolling Stones" (englisch für Steinschlag) spielen sollte.

Autor:

Christoph Krott aus Goch

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