Zwillinge und Brückentage ...

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Telefon! Eine helle Kinderstimme: „Können wir zu euch kommen?“ … „Na klar, Opa holt euch ab!“
Es war einer der spargelblonden Zwillinge, der für sich und seinen Bruder den Besuch „ankündigte“. Sie hatten keine Lust, mit Mutter und Schwestern zu shoppen. Dafür habe ich großes Männerverständnis.

Die beiden sind aufgeweckte Bürschchen, und mittlerweile kräftig in die Höhe geschossen – richtige Spargel-Tarzans eben, mit petersilchengrünen, nein nein, mit großen, himmelhellblauen Augen. Nur ein Problem habe ich mit ihnen, ich kann sie einfach nicht auseinanderhalten. Namenstechnisch natürlich. Für mich sehen sie völlig gleich aus. So gleich, wie Zwillinge nun mal aussehen können.
Da nützt es auch nichts, wenn sie unterschiedliche Shirts tragen. Einer ein blaues mit fauchendem Tiger auf der Brust, der andere ein grünes mit grinsender Micky Maus. An anderen Tagen haben sie jeweils Fußballtrikots unterschiedlicher Klubs an. Zum Verzweifeln.
Neuerdings trägt einer die Haare länger als der andere. Aber was sagt das einem Außenstehenden. Also, ich als Opa stehe da „voll“ im Abseits – besser noch, ich sitze rätselnd auf der Reservebank.

Es gibt nur ein Detail, an dem ich sie sicher unterscheiden kann: ihr unterschiedlich angesetzter Haarwirbel am Hinterkopf. Bei Zwilling x sitzt er genau mittig, bei y deutlich seitlicher – eben wie bei einem y. Nicht gerade sehr hilfreich. Ich kann die beiden ja nicht immer bitten, sich mal umzudrehen – nur im äußersten Notfall.
Jetzt habe ich einen neuen Trick. Einen von ihnen spreche ich mit dem vermutlich richtigen Namen x an. Reagiert er darauf mit: Ja bitte, habe ich Glück gehabt. Murmelt er: ich bin doch y, dann kontere ich: „Wollte nur mal testen, ob du auch deinen Namen behalten hast.“ Breites, verstehendes Schmunzeln – auf beiden Seiten. „Ich werde dir glauben, wissen können wir es beide nicht“, biete ich ihm noch zur Verbrüderung an.

Der nächste Tag ist ein sogenannter Brückentag. Die Zwillinge sind wieder bei ihren Eltern und Geschwistern. Nur die Brücken stehen hier noch herum. Ja, Brücken, Stellwerke und ein Bahnhof. Dazu eine Bahntrasse riesigen Ausmaßes mit atemberaubend angelegten Gleiskörpern. Wahnsinn! Wenn unser Fußboden nicht so stabil angelegt wäre, hätten die beiden mit Sicherheit noch einige Tunnelröhren in die Erde gegraben – oder gar gesprengt!
Aber ein wenig stolz bin ich schon auf ihre Leistung. Tolle Konstruktion! Schienen auf mehreren Ebenen, verknotet um Tisch- und Stuhlbeine. Alle Achtung!
Der Bahnhof enthält einen Chip, der Töne aufnehmen und danach abgeben kann. Roter Knopf: Aufnahme eines gesprochenen Textes, etwa: Vorsicht an der Bahnsteigkante, der Zug fährt ein! Grüner Knopf: Wiedergabe des gespeicherten Textes ... Alles klar?

In unserem Fall lautet die Ansage: Scheiße!

Die Bürschchen hatten den roten Knopf eingedrückt, als ich, beim Versuch ins umgewidmete Lese-Bügel-Kinderzimmer zu treten, über einen Schienenstrang stolperte. Fast wäre ich der Länge nach in dem Wunderwerk der Holzbautechnik notgelandet. Nicht auszudenken! Vier große, erschrocken aufgerissene Kinderaugen verfolgen meine unkontrollierten Flugbewegungen. Noch bevor ich die Landung an einer rettenden Tischkante abstoppen konnte, durchbrach mein verbaler Ausrutscher wie eine knallende Fehlzündung die Stille.
Es tut mir nachträglich leid, mein Kraftausdruck kam von Herzen – trug aber nicht gerade zur Kindererziehung bei. Er fällt aber immer öfter. Besonders in den Krimis des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.
Und um ein Haar wäre ich ja auch gefallen. Und das an einem Brückentag, an dem kein Arzt zu erreichen ist …

© Text und Fotos: G. Lambert / 2014

Autor:

Gottfried (Mac) Lambert aus Goch

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