An Kaugummiautomaten gab es ein Stück vom Glück für kleines Geld
Szenetreff in Kindertagen
Sie waren mal der In-Treff für Kinder, für einen oder zwei Groschen (heute 20 oder 50 Cent) bekam man ein Stück vom Glück und wer geschickt war, kriegte noch ein bißchen mehr: An Kaugummiautomaten kam man als Junge oder Mädchen kaum vorbei, wenn man noch ein bißchen Kleingeld in der Hosentasche hatte. Gibt es sie noch und sind sie nach wie vor so begehrt wie in früheren Zeiten? Lorenz Henkel-Jürß hat sich auf die Suche gemacht.
VON FRANZ GEIB
Kreis Kleve. Man muss heute schon genauer hinschauen, und hoffen, dass sie nicht derart ramponiert sind, dass sich der Zweck ihres Seins weder einem Erwachsenen noch einem Kind erschließt. Das durfte auch Lorenz Henkel-Jürß erfahren, als er das Fossil seiner Kindheitstage suchte: "Vor ein paar Wochen fiel mir ein Kaugummiautomat in Pfalzdorf auf und da wurden meine Jugenderinnerungen an die Blechkisten geweckt. Zu meiner Zeit hingen sie noch an jeder Ecke und in jedem Dorf."
Also hat sich der Nierswalder auf die Pirsch gemacht und gleichzeitig über Facebook einen Aufruf gestartet, um zu gucken, wo noch solche Relikte aus vergangenen Zeiten hängen. Er wurde prompt fündig: "Es gibt tatsächlich noch ein paar funktionierende Exemplare in der Umgebung!" Wobei der Schwerpunkt auf dem Wort "paar" liegen dürfte, denn viele der begehrten Automaten haben die beste Zeit bereits hinter sich gelassen.
Objekt für Vandalen
Zum einen haben Sonne, Wind und Regen die metallenen Kästen gezeichnet, zum anderen dienten sie so manchem wohl als lohnendes Vandalismus-Objekt. Die eigentliche Funktion lässt sich aus dem Bild, was einige Automaten von sich geben, nicht mehr ableiten: Die Ursprungsfarbe ist ausgeblichen, der Rost schafft sich Raum auf und in den Kästen. Die kleinen Zettel, die den Inhalt des Automaten beschreiben sollen, sind, sofern noch vorhanden, vergilbt, wellen sich, oder lassen sich hinter einem milchig-trüben Plastikfenster kaum noch entziffern. Und der Inhalt? So mancher wird sich fragen, ob der Kaugummi, der darauf wartet beim Einwurf einer Münze durch die kleine Luke ins Freie kullern zu dürfen, noch vor der Ur-Zeiten in den Kasten gelangte. Und über Hygiene nachzudenken fällt dann schwer, wenn sie in Straßenecken hängen, die auch schon mal schönere Zeiten hatten.
Blasen machen
Naja, und dann erst der Inhalt. Wer erinnert sich nicht daran, dass sich die heiß erwartete rote Kugel im Mund schnell zum blassrosa, geschmacksneutralen und zähen Gummi entwickelte. Aber hauptsache, man konnte Blasen damit machen.
Für zwei Groschen oder heute 50 Cent bekam man da schon Verheißungsvolleres, einen Ring aus Plastik oder ein Silikon-Bändchen, welches sich am Handgelenk zum kleidvollen Schmuckstück entwickelte. Alles mögliche warfen die Zwei- oder Dreischachter, wie die Experten sie nennen, aus: Prickel-Pit, Strawberry-Shake, Flummis, Quatsch-Kugeln, Billig-Spielzeug oder Super-Bubbles. Ja, sogar Glibbertiere und Stinkbomben gab es. Gimmicks, die man halt als Kind so braucht auf dem Weg zur Schule oder Spielplatz.
Kaum Umsatz
Wer dem Internet-Lexikon Wikipedia vertraut, erfährt, dass die Automaten in der Nachkriegszeit mit den Kaugummis nach Deutschland kamen. Der Verband Automaten-Fachaufsteller (VAFA) schätzte ihre Anzahl im Jahr 2017 auf 500.000 bis 800.000. Wieviele Aufsteller es heute gibt, lässt sich nicht genau verifizieren, es müssten um die 850 sein, hat Michael Macheroux erfahren, der am Niederrhein einige von den Automaten hängen hat. Wie das Geschäft denn so laufe mit den Automaten? "Schlecht und immer schlechter", sagt der 45-jährige, der in Wuppertal sein Unternehmen Macheroux Warenautomaten führt und unter anderem auch in Goch einige Automaten hängen hat. Problematisch seien der Vandalismus und die Diebstähle: "Die Leute haben ja keine Angst mehr erwischt zu werden." Ganz schlimm sei es Silvester, wie er in den vergangenen Jahren leidvoll feststellen musste: "Wenn da so ein Polen-Böller reinknallt, fetzt der den ganzen Automat weg!"
Über seine Umsätze mit den Kästen spricht er nicht gern, aber mit dem Geschäft könne man eh nicht reich werden sagt er: "Da müsste man schon mindestens 3.000 Automaten haben, damit man seinen Lebensunterhalt verdient." Er selbst arbeitet im Hauptberuf als Garten- und Landschaftsbauer und betreibe die Automaten nur nebenbei. Seit nunmehr 50 Jahren sei das Familienunternehmen auf dem Markt und Macheroux übernahm das Geschäft von seinem Vater: "Das ist wie ein Erbstück und das gibt man nicht einfach weg."
Smartphone statt Kugeln
Ob es die Kaugummiautomaten auch noch in 50 Jahren geben wird, lässt sich nur spekulieren. In Zeiten in denen Jugendliche lieber mit dem Smartphone daddeln, sind bunte Kugeln, die aus einem Blechkasten rollen, tatsächlich schon so was wie ein Fossil und für Erwachsene allenfalls eine liebevolle Erinnerung an Zeiten als der Szenetreffpunkt im Kindesalter genau hier war ...
Autor:Franz Geib aus Goch |
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