Stille Nacht ...
Überall Lichterketten, Weihnachtsmärkte, hastende Menschen mit großen und kleinen Päckchen, mit sperrigen Taschen. Glühweinduft und Jingle Bells-Musik in der schneekalten Luft. Die Schaufenster in den Shopping-Zentren sind praller gefüllt als je zuvor und verführen mit gleißenden Lichtern zum Kauf. Und natürlich lässt sich die Zeit nicht zurückdrehen, viele lieben ja auch das gemeinsame Durchstreifen dieser Märkte. In einigen Tagen ist wieder Weihnacht. Wie jedes Jahr, wie schon so oft.
Warum denke ich in all diesem Vorweihnachtstrubel an ein Foto, das ich 1996 in Riva del Garda gemacht habe, genauer über diesem Ort? Auf dem mühsamen Fußweg zur Bastion, von deren Ruinen grandiose Ausblicke auf Teile der Stadt und das gegenüberliegende Ufer mit seinen Weinbergen den Aufstieg belohnen.
Auf halbem Weg stehe ich vor einer niedrigen Grotte. Mit eingezogenem Kopf trete ich ein – und befinde mich in einer anderen Welt. In einer Welt der Ruhe, der Stille. Eine Stille, die mich berührt und ergreift. Keine gotische Kathedrale, mit ihrer himmelstürmenden Architektur hat mich so ergriffen, wie diese Stimmung in der kleinen Grotte. Geschmückt mit frischen Blumen, brennenden Kerzen, Tannenzapfen, Votiv- und Heiligenbildchen, Postkarten und Bittbriefchen. Besen und Kehrblech in einer Ecke rufen in mir das Bild einer alten, schwarz gekleideten Frau auf, die sich hier wohl jeden Tag herauf quält, sich bekreuzigt, ihr Gebet verrichtet und nach dem Rechten schaut.
Und irgendwie beneide ich diese unbekannte, gläubige Frau. Um diesen besonderen Ort, mehr noch um ihren Glauben an eine Kraft, die von diesem Ort auf sie ausstrahlt. Auch wenn ich nicht besonders gläubig bin, berührt mich diese schlichte, kindlich-naive Anordnung der einfachen Gegenstände. Hier in dieser winzigen Grotte über der quirligen Touristenstadt macht die Stille auch in mir einen Platz frei – und ich summe unbeschwert wie ein Kind die Melodie eines der beliebtesten Weihnachtslieder: „Stille Nacht, Heilige Nacht“.
© Foto und Text: G. Lambert, 2012
Autor:Gottfried (Mac) Lambert aus Goch |
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