Jüdische Gemeinschaft kontra Stadt Goch - "An Niers und Kendel" erinnert an eine heftige Auseinandersetzung
In diesem Jahr blickt die Welt einhundert beziehungsweise achtzig Jahre zurück und erinnert an das Ende des Ersten Weltkrieges aber auch an die durch das Nazi-Regime initiierten Novemberpogrome gegen die jüdischen Mitbürger im Jahre 1938. Für Goch gab es ein weiteres einschneidendes Jahr: 1998.
VON FRANZ GEIB
Vor zwanzig Jahren gab es nämlich in der Stadt eine heftigst geführte Auseinandersetzung zwischen orthodoxen Juden und der Stadt Goch. Der geplante Bau eines Geschäftszentrums gegenüber dem heutigen Kaufland-Center hatte damals zu weltweiten Protesten der Glaubensgemeinschaft geführt. Grund war die befürchtete Überbauung des ersten jüdischen Friedhofs Hinter der Mauer. Nach langem Hin und Her einigte man sich damals darauf, für den Neubau auf eine Unterkellerung zu verzichten, um nicht in den Boden des bis dahin für viele Gocher unbekannten Friedhofs einzugreifen. Ein bereits bestehender Parkplatz durfte erhalten bleiben. Ein Schild an der Hauswand des neuen Gebäudeteils erinnert heute an die Existenz des Friedhofs.
An dessen Geschichte, die Neubaupläne und die daraus resultierenden, weltweiten Proteste erinnert der Heimatverein in seiner jüngsten November-Ausgabe von "Niers und Kendel". "Der jüdische Friedhof Hinter der Mauer war immer schon ein Thema auf unserer Agenda", sagt Heinz-Karl Meuskens, der Leiter des Arbeitskreises, der für die Historische Zeitschrift für Stadt Goch und Umgebung verantwortlich ist.
Versöhnliches Ende gefunden
In seinem Beitrag beschreibt der ehemalige Beigeordnete Peter Friedrichs, der sich vor zwanzig Jahren in der Auseinandersetzung um den jüdischen Friedhof erfolgreich als Krisenmanager bewies, wie die Situation entstand, alle Welt nach Goch schaute und wie schließlich doch ein versöhnliches Ende für alle Beteiligten erzielt werden konnte. Heinz-Karl Meuskens: "Peter Friedrichs hat die Geschichte sehr sensibel begleitet. Einen besseren Moderator hätte es damals nicht geben können."
Der zweite Bericht in "An Niers und Kendel" handelt vom Radfahrverein "Fortuna" Pfalzdorf: Werner Verfürth und Dieter Bullack erinnern auf zwölf Seiten an die Geschichte des zweiten Pfalzdorfer Radfahrverein, der eigentlich ein Theaterverein werden sollte. Da die Gründermitglieder jedoch befürchteten, nicht genügend "Schauspieler" zusammen zu bekommen, ließ man die Idee fallen und den Radfahrverein aus der Taufe heben, obwohl es mit dem "Abendstern" schon einen solchen Verein gab. Den Namen für den neuen Verein hatte der damalige Schriftführer Gerhard Vondermann ausgesucht, der bei der Maragarinefabrik Jurgens & Prinzen in Goch arbeitete und die Margarine-Marke "Fortuna" dem Verein als Glücksgöttin dienen sollte.
Schon die Anfänge des neuen Vereins standen unter keinem guten Stern, denn der damalige Pfalzdorfer Bürgermeister Gustav Adolf Preyers wollte von einem zweiten Radfahrverein nichts wissen, sondern empfahl den Mitgliedern sich dem "Abendstern" anzuschließen.
Später gab es eine weitere Auseinandersetzung mit dem Bürgermeister, als nämlich der Verein ein Straßenrennen organisieren wollte, dass auch durch Pfalzdorfer Gebiet führen sollte. Erst die Regierung in Düsseldorf überzeugte Preyers ...
Nach dem ersten Weltkrieg erhielt der Verein Auftrieb, sieben Jahre lang wurde die "Fortuna" Kreismeister im Korsofahren. Auch beim Radball zeigten die Fortunen beachtliche Leistungen.
Ein Höhepunkt war auch die Rad-Weltmeisterschaft 1927, in dessen Rahmen die Fortunen einen Korsozug stellten und vom damaligen Oberbürgermeister Dr. Konrad Adenauer als einziger Verein vom Niederrhein eine Bannerschleife ausgehändigt bekamen.
Nach dem zweiten Weltkrieg erwachte der Verein erst 1948 wieder zum Leben. Herausragende Ereignisse waren das Radrennen "90 km durch den Reichswald" mit 77 Teilnehmern im Mai 1950, ein Bundesrennen im Mai 1952 mit 117 Teilnehmern und verschiedene weitere kleinere Rennen. Doch schon bald zeichnete sich das Ende des Radsports mit den Fortunen ab, Ende der 50er Jahre schlief der Verein allmählich ein.
Ein Mord in Hassum
In drei weiteren Beiträgen zeichnet Franz van Well unter anderem ein Bild des Gocher Stadtjugendrings, der sich unter dem Vorsitz des ehrenamtlichen Stadtjugendpflegers Willi Ingenbleek und Annemarie Lensing im November 1956 zusammenschloss. Sein Ziel: Die Jugendarbeit auf sportlicher, kultureller und geselliger Ebene zu fördern, aber auch Bildungsarbeit zu leisten. Im Februar 1991 wurde durch den Vorstand die Auflösung beantragt, da das Interesse der Vereinsdelegierten aus persönlichen und beruflichen Gründen nachließ. Der Verein existiert zwar heute nicht mehr, ist aber formell nicht aufgelöst.
In den beiden letzten Beiträgen berichtet Hans-Joachim Koepp vom Mord am Sparkassenrendanten Heinrich Janßen im Jahr 1935 und über die Lebensleistung des Bauunternehmers Theo Jaspers (1860 bis 1927). Eine Tafel an der Hauswand erinnert an der Straße Hinter der Mauer an der ersten jüdischen Friedhof in Goch. Jetzt im Handel und beim Heimatverein zu haben.
Autor:Franz Geib aus Goch |
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