Bist Du Internethasser oder was ?
Natürlich nutze ich das Internet
, gebe einige (oder wohl doch schon zu viele) Daten preis.
Natürlich bestelle ich im Internet
, Eintrittskarten für Konzerte, Fahrkarten und vieles mehr.
Natürlich überlege ich
mir immer wieder, was denn wohl mit diesen Daten geschieht.
Natürlich säubere ich regelmäßig Browser
, habe Firewall und Spyware und und und ….
Und trotzdem
bekomme ich komischerweise immer wieder Werbung zu Artikeln oder Artikelgruppen, die mich gerade eben oder auch irgendwann einmal interessiert haben. Oder die ich entweder interessehalber angeklickt oder sogar mal bestellt habe.
Wer Kooza nicht kennt, sollte mal (googeln – da hat´s mich schon wieder, Mist !) ins web schauen. Nur kurz, alles weitere kommt dann automatisch. Wobei Kooza mich ja noch ausgesprochen doll interessiert. Aber alles andere............
Und manchmal wundere ich mich, daß ich erst über Umwege, über viel Werbedatenmüll hinweg zu den Infos kommen kann , die ich suche.
Da wird doch nicht etwa etwas manipuliert???
Da wird doch nicht etwa....ach nein. NSA ist nun aber wirklich nicht für alles verantwortlich.
Oder doch ? Im Zusammenspiel mit den großen Digitalplayern ? Jeder profitiert von jedem ? Ob wir es wollen oder nicht, ist doch scheißegal......
Aber : Läuft mir doch neulich so
ein seltsames Buch
über den Weg – knall - orange, mit seltsamen Zeichen.
Der Circle.
„1984 reloaded“ lese ich da und viele andere, mir seit langem schon bekannte interessante Dinge über George Orwells Literatur der 30er Jahre Und über Aldous Huxleys Brave New World von 1931.
Macht mich verdammt neugierig!!!!
Ohne mich nun erst einmal in die zahllosen Literaturbesprechung über Autor Dave Eggers und seine Science - Fiction - Version hineinzuwagen, erwerbe ich das Buch, natürlich im realen Buchhandel, und beginne zu lesen.
Ich gestehe, erst ein wenig gequält von Seite zu Seite, dann mit immer größerem Interesse, in immer größeren Lesezyklen bis hin zum faszinierenden, natürlich auch irgendwie erwarteten und trotzdem überraschenden Finale.Hätte ja vielleicht doch sein können, das „Alles wird gut!“ Aber weit gefehlt.....
Beim „Schwarm“ von Frank Schätzing erging es mir vor ein paar Jahren auch genau so – erst mühsam die ersten 100 Seiten, dann immer schneller und gebannter. Bis zum rasanten Finale. Spannend, bis der Arzt kam, fast.....
Schätzing hatte damals auch – wenn ich mich korrekt erinnere – einiges an Ablehnung wegstecken müssen. Aber er hat sich dann doch durchgesetzt, als anerkannter Wissenschaftsjournalist.
Und nun Dave Eggers !
Bei diesem Buch bin ich von vornherein nicht von der literarischen Qualität eines hochgelobten Literaten wie Böll oder Lenz oder Borchert ausgegangen. Geschweige denn von einem Format eines Schiller oder Goethe. Aber gab es zu deren Zeit überhaupt derart brisante Themen, die im Nano - Sekundentakt neue Tatsachen produzieren ? Und wir merken es erst viel später, weil wir weder in Nanosekunden lesen noch denken können ?
Kurz und gut : Natürlich gibt es Holperstellen und Brüche im Roman, bei denen man nach einigem Nachdenken über den Sinn gerade dieser Passage zum Ergebnis kommen kann : nee, so doch nicht. Natürlich stellt man fest, dass der Autor aus seiner subjektiven Sicht vieles überzeichnet. Aber das will er ja gerade, er will – schließlich handelt es sich um Science Fiction – auf durchaus möglich erscheinende Auswüchse und unliebsame Entwicklungen hinweisen, die in der Realität ansatzweise nicht nur zu erkennnen sind, sondern schon in der Realität existieren. Und nichts Gutes verheißen !
So verstehe und interpretiere ich persönlich das Buch und die Intention des Autors.
Nur eins hätte ich nicht tun sollen :
Im Nachhinein einzusteigen in den Literaturkritikerzirkusmit seiner außerordentlich schillernden Manegenvielfalt.
Da wird zerrissen, was das Zeug hält, da wird vorsichtig Kritik geübt und doch gleichzeitig gelobt. Und im Impressum findet man dann einen Hinweis auf die enge Zusammenarbeit mit einem Global Player, der auch im Buchhandel alles durcheinander wirbelt.
Da findet man in Tages- und Wochenblättern seitenweise Auseinandersetzungen mit Eggers Themenkreis, mit dem Silicon Valley, mit den Großen der Branche und der digitalen Welt und ihren Vor- und Nachteilen. Ihren Segnungen und Gefahren – jetzt schon existenter und zukünftig drohender. Da gibt es sehr gute, sachlich fundierte und mit nachvollziehbaren Argumenten ausstaffierte Diskussionen. Da wird Pro und Contra hart an der Sache an sich abgewogen und gegenübergestellt. Da wird nach Antworten gesucht, ob der Inhalt des Buches wiederzufinden ist in den Philosophien der Konzernlenker dieser derzeit marktbeherrschenden Konzerne.
Ob sie ihre
Welterlösungsmission
ernst meinen und aus der Welt
„a better place“
machen wollen.
Ob ihre Datensammelwut und die der Überwachungsinstitutionen langsam aus dem Ruder läuft oder ob es eher so ist : „Transparenz und neue Chancen eröffnen unbegrenzte Möglichkeiten. Vernetzung und Technologien sind der beste Weg, um das Leben in aller Welt zu verbessern. Bekommen Menschen Zugang zu beidem, kümmern sie sich selbst um den Rest “ ( Eric Schmidt, Jared Cohen; Die Vernetzung der Welt; Buch Ein Blick in unsere Zukunft; Originaltitel: The New Digital Age.)
Es gibt aber auch Stimmen, die dem Autor vorwerfen, es sich viel zu einfach gemacht zu haben. Nichts fundamental Neues zu erzählen, was uns also noch unbekannt wäre. Sie sprechen von simplen Feindbildern und benutzen weitere „Verbalentgleisungen“. Und danach geht’s dann ans Eingemachte, zu den Mechanismen der Literaturkritik, zu den anderen Literaturkritikern, die nicht sehen (wollen ?), wie platt und öde der Roman doch sei. Zwar hätte er prinzipiell nicht ganz unrecht, für die von ihm detailgetreu dargestellten Netzperversionen gäbe es eine Gefahr, aber seine Schwarz – Weiß - Malerei ginge ja nun gar nicht. „Wie cool ist das denn ?“, würden viele heute antworten....... Nur ich nicht. Für mich persönlich ist das wieder einmal
Rezensionblablabla....
Und dann kommen da auch noch Baumarktwerkzeuge zum Einsatz ! Da wird einem doch glatt eingehämmert, „man... hat beim Lesen schnell mit Schwierigkeiten zu kämpfen“ (www.taz.de...) wegen flacher und klischeehafter Schreibweise usw. So ginge das ja nun nicht. Waren da wirklich profunde Rezensenten am Werk ? Oder eher netzaffine „Internetversteher“, für die Netzkritiker in der Gesamtheit Internethasser sind????
Dieses Buch polarisiert ! Find ich große Klasse !
Aber bestimmt hilft beiden Seiten einfach mal die Betrachtung eines Interviews von Denis Scheck (Das Erste, druckfrisch) mit Dave Eggers (Der Circle) und Jaron Lanier (Wem gehört die Zukunft/ Friedenspreisträger des dt. Buchhandels) !
Datensammelwut, Infantilisierung von Sprache und Kommunikation, Stellenwert der Privatsphäre, Vermögens- und Machtanhäufung mit Hilfe von Sirenenservern, Verfassung für digitale Themen und deren Inhalte u.v.m. Eine Grundfrage: Wer versteht überhaupt noch das Internet.....,
Hier das Interview :
http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/druckfrisch/videos/dave-eggers-und-jaron-lanier-im-interview-100.html
Autor:Lothar Dierkes aus Goch |
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