Caritas-Projekt in Gladbeck bietet auf Wunsch "Besuche am Telefon" an
Ein "Offenes Ohr" gegen das Schweigen
Corona und kein Ende. Die meiste Zeit verbringen auch die Gladbecker - wie immer wieder gefordert - im engsten Familienkreis. Wenn denn Familie vorhanden ist. Denn es gibt viele Senioren, die inzwischen allein leben. Und bei jüngeren Menschen nennt man so was neudeutsch "Single". Eines haben Jung und Alt gemeinsam: Ihnen droht Einsamkeit und Schweigen.
„Was Schweigen mit einem machen kann, das stelle ich mir sehr schlimm vor.“ Diana Hesse ist 42 Jahre alt und steht als Mutter zweier Kinder mitten im Leben. Mit allem, was dazu gehört – mit vielen Kontakten und vollem Familienprogramm. Ihre Stimme klingt nach Herzlichkeit, Wärme und Offenheit. „Einsamkeit kann ich mir mit meinem Alltag schwer vorstellen. Und doch weiß ich, dass viele, insbesondere ältere Menschen, Tag für Tag alleine sind. Um sie herum ist nur Schweigen.“
Vor ein paar Monaten hatte sich Diana Hesse an den Caritasverband Gladbeck gewandt. „Meine Kinder werden groß und selbstständig. Ich kann etwas von meiner Zeit abgeben“, beschrieb sie damals ihr Anliegen. „Ich möchte mich für etwas Sinnvolles einbringen.“ So stieß sie auf Annegret Knubben, die bei der Caritas für ehrenamtliches Engagement zuständig ist. Knubben stellte Diana Hesse das Angebot „Offenes Ohr“ vor: den Besuch per Telefon.
„Wir vermitteln feste Telefonbesuche zwischen ehrenamtlich Engagierten und Menschen, die sich einsam fühlen“, erklärt Annegret Knubben das Angebot. „Häufig sind das Menschen, die nicht mehr so mobil sind und deshalb nur noch selten das Haus verlassen. Einmal pro Woche findet dann zu einer fest vereinbarten Zeit ein Telefonat statt. Treffen sind nicht vorgesehen, so dass es in gewisser Weise ‚anonym‘ bleibt.“ Worüber gesprochen wird? „Das liegt ganz im Ermessen der Beteiligten“, so Annegret Knubben.
„Ich konnte mir das prinzipiell gut vorstellen“, beschreibt Diana Hesse ihre erste Reaktion auf das „Offene Ohr“. „Allein ist keiner gern.“ Inzwischen bereitete sie sich mit weiteren ehrenamtlich Interessierten auf ihren Einsatz vor. „Im Rahmen von zwei Seminaren haben wir Hinweise erhalten, wie wir unsere Aufgabe gestalten können. Dabei kommt es im Wesentlichen auf das Zuhören und das Wahrnehmen an. Viele Dinge kann ich vielleicht schon an der Stimme erkennen“, so Diana Hesse. „Eingeprägt hat sich bei mir der Satz: ‚Ratschläge sind auch Schläge.‘“ Diana Hesse lacht. „Man ist ja oft versucht, Ratschläge zu erteilen, dabei sind Zuhören und Nachfragen häufig die besseren Ansätze.“
Ein bisschen mulmig ist ihr vor dem ersten Kontakt. „Ich mache mir schon Gedanken darüber, ob man zueinander passt und ob ich alles richtig mache. Aber wenn der Stein einmal ins Rollen gekommen ist, dann wird es bestimmt gut“, sagt Diana Hesse. Kommunikation und Kontakt mit Menschen ist sie ohnehin von Berufs wegen gewohnt. „Ich arbeite als Reiseverkehrskauffrau. Da wird manches Mal ebenfalls aus einer kurzen Frage ein längeres Gespräch.“ Wichtig sei ihr vor allem, dass der Besuch per Telefon beiden Seiten Freude bereite. „Ich fände es schön, wenn sich beide auf diesen festen Termin in der Woche freuen und Spaß daran haben.“
„Treten Unsicherheiten oder Fragen auf, dann stehen wir als Ansprechpartner zur Verfügung“, ergänzt Annegret Knubben. „Je nach Bedarf und Wunsch können wir natürlich auch an die verschiedenen Beratungs- und Unterstützungsangebote unseres Verbandes weiter vermitteln.“ Zudem werde es regelmäßige Feedback-Gespräche mit und zwischen den ehrenamtlich Engagierten geben, damit keine belastenden Situationen entstehen.
Dass sie wahrscheinlich sehr viel jünger sein wird als ihre „Besuchspartner“, verunsichert Diana Hesse nicht – im Gegenteil: „Ich habe da keine Berührungsängste. Vielleicht ist genau das spannend. Wenn man auf einer Wellenlänge schwimmt, dann spielt das Alter ohnehin keine Rolle.“
Nun hofft sie, dass Betroffene das „Offene Ohr“ auch annehmen. „Schon während des ersten Lockdowns habe ich in der Nachbarschaft die Erfahrung gemacht, dass Menschen Hilfe gar nicht gerne annehmen, sondern sich eher zurückziehen. Ich stelle mir das schlimm vor, niemanden mehr zum Rausgehen zu haben. Deshalb mache ich hier mit.“
Wer einen Besuch per Telefon wünscht, kann sich bei Annegret Knubben unter Tel. 02043–279142 melden. Sie vermittelt den ehrenamtlichen Gesprächspartner beziehungsweise die -partnerin. Auch für ehrenamtlich Interessenten ist Annegret Knubben die richtige Ansprechpartnerin.
Autor:Uwe Rath aus Gladbeck |
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