Medienkompetenz für Schüler, Eltern und Lehrer der Waldorfschule Gladbeck
Die Schulgemeinschaft an der Horster Straße hat sich zwei Tage lang mit den Gefahren, Fallstricken und dem angemessenen Umgang mit dem Internet befasst. In lebendigen Vorträgen und Workshops haben Lehrer, Schüler und Eltern der Schule viel Neues über das World-Wide-Web gelernt.
Fast alle Finger schießen in die Höhe. Medienfachmann Uwe Buermann aus Neuwied fragt seine jungen Zuhörer im Festsaal der Waldorfschule Gladbeck an der Horster Straße gerade, wer denn ein Smartphone besitze. Wer daran glaubt, dass Waldorfschüler heute noch medienfern aufwachsen, muss sich in diesem Moment an neue Fakten gewöhnen: Kaum ein Kind von der sechsten bis zur zwölften Klasse lässt den Finger bei dieser Frage unten.
Eltern und Lehrer der Schule haben den freien Medienberater, studierten Pädagogen und wissenschaftlichen Mitarbeiter beim ipsum-Institut für Pädagogik, Sinnes- und Medienökologie für zwei Tage in die Schule eingeladen, um gemeinsam an der eigenen Medienkompetenz zu arbeiten. In einem intensiven Lehrerseminar, einem Abendvortrag für Eltern und Interessierte und in zwei Unterrichtseinheiten öffnete Uwe Buermann der Schulgemeinschaft am Anfang dieser Woche in vielerlei Hinsicht die Augen. Er nimmt Eltern und Lehrern schnell die Illusion, dass Kinder von Medien ferngehalten werden können. Auch seien Facebook oder Smartphone-Apps nicht generell gut oder schlecht. „Wir müssen fragen, was unsere Kinder mit diesen Medien tun wollen“, so Buermann, denn die erwachsene Herangehensweise sei eine völlig andere. Kinder möchten neue Menschen kennenlernen, dabei sein, mitreden können, gemeinsam kichern und ausprobieren. Und das führe ja gerade dazu, dass sie ihr Profil in Chatrooms nicht schützen, sondern sich vielmehr neugierig öffnen würden.
„Wusstet ihr, dass Apps auf eurem Smartphone eigentlich ganz legale Spionageprogramme sind?“, fragt der 45jährige provokativ ins Auditorium. 150 Schüler gucken überrumpelt. „Ich gebe da aber nicht meinen richtigen Namen an“, kommt ein vorsichtiger Schülereinwand. Der Medienfachmann pariert: Nichts, was ihr im Netz tut, ist anonym. Wenn man einen Spitznamen angebe, wüssten die bei Google, Facebook und den amerikanischen Spionagediensten obendrein also noch, welchen Spitznamen man trage. Mit eindrücklichen Beispielen beschreibt der Redner den Kindern und Jugendlichen, was ihnen bei unvorsichtigem Umgang alles passieren könne. Und streut auf diesem Wege viele Fakten ein, die selbst den erwachsenen Zuhörern oft unbekannt waren. „Wer in Zukunft eigene Bilder bei Facebook hochlädt, ist selbst schuld“, beschließt er die Geschichte über ein Mädchen, das während ihres Freiwilligen Sozialen Jahrs in Südafrika Strandbilder von sich mit ihren Freunden auf Facebook geteilt hat. Zuhause in Deutschland staunen ihre Eltern nicht schlecht, ihre Tochter plötzlich im Bikini in einem Werbeprospekt des Discounters Lidl abgedruckt zu sehen. Genauso wie das versammelte Publikum im Saal der Waldorfschule hatte auch sie die Nutzungsbedingungen von Facebook ganz offensichtlich nicht gelesen. Buermann lächelt wissend, als er seine Zuhörer informiert: „Alles, was bei Facebook geschrieben wird, auch in privaten Nachrichten, und alle Fotos, die dort eingestellt werden, gehören Facebook. Und die können all das sogar verkaufen.“ Wie geschehen mit dem Bikini-Foto im Lidl-Prospekt.
Nachrichten auf Whats App und in anderen Chatforen würden systematisch mitgelesen, gesammelt und gespeichert. Bewegungsprofile könnten auf den Meter genau angefertigt werden. Fotos – zum Beispiel von durchfeierten Nächsten und kleinen Streichen – bleiben im Internet ewig erhalten und könnten den Jugendlichen zum Beispiel bei einer Bewerbung um einen Ausbildungsplatz oder eine Mietwohnung später auf die Füße fallen. „Ihr lest bitte ab sofort für jede App die Nutzungsbedingungen durch, bevor ihr sie auf euer Smartphone herunterladet“, gibt er seinen Zuhörern mit auf den Weg. Einen wirklichen Ausweg und wirksame Schutzmaßnahmen der Privatsphäre kann er ihnen nicht nennen, weil es diese einfach nicht gebe. Aber nach diesem intensiven Medientraining kann niemand unter den Teilnehmern mehr sagen, sie oder er habe von nichts gewusst.
Autor:Jana Magdanz aus Gladbeck |
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