„Kein Mensch ist illegal“ - Rita Süssmuth referierte in Gladbeck zum Thema Migration

Für ihren mutigen und kenntnisreichen Vortrag vor rund 200 Zuhörern, darunter zahlreiche Migranten, erntete Rita Süssmuth viel Applaus. | Foto: Bugzel
  • Für ihren mutigen und kenntnisreichen Vortrag vor rund 200 Zuhörern, darunter zahlreiche Migranten, erntete Rita Süssmuth viel Applaus.
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„Migration und Integration - Testfall für eine tolerante Gesellschaft“ - so lautete das Thema eines Vortrags von Prof. Dr. Rita Süssmuth, zu dem die Evangelische Erwachsenenbildung (EEB) im Kirchenkreis Gladbeck-Bottrop-Dorsten in die Christuskirche eingeladen hatte.

Rund 200 Interessierte fanden den Weg in das Gladbecker Gotteshaus, um den Thesen der ehemaligen Bundestagspräsidentin im Themenjahr „Reformation und Toleranz“ auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 zu folgen.
„Migration und Integration gehören unbestritten zu den wichtigsten Zukunftsfragen unserer Gesellschaft und stehen gleichsam in einer engen Beziehung zum diesjährigen Leitmotiv der Lutherdekade „Toleranz“, sagte Süssmuth. Aus der christlichen Perspektive müsse Toleranz in einer Glaubensgewissheit gründen, um derentwillen der Mitmensch in seiner abweichenden Glaubensweise respektiert werde.

Dies bedeute aber auch, sich darauf zu verständigen, was – bei allen Unterschieden – für beide Seiten Geltung habe. In diesem Sinne werde Toleranz nicht nur als begrenzend, sondern als öffnend, erweiternd und bereichernd erfahren. „Friedliches Zusammenleben erfordert Respekt vor dem Anderen und dem Andersartigen, wechselseitige Anerkennung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede in unseren Wertsetzungen und Verhaltensnormen“, unterstrich die ehemalige Bundesministerin für Jugend, Familien und Gesundheit (1985-1988) im Kabinett Kohl.
In ihrer politischen Arbeit sei sie oft mit Intoleranz konfrontiert worden. „Nicht erst seit der Aufdeckung der rassistisch und ausländerfeindlich motivierten Mordserie des NSU wissen wir, wohin blinder Hass und Intoleranz auch bei uns in Deutschland immer noch führen können“, gab Süssmuth zu bedenken. Die erfolgreiche Integration von Migranten sei eine der zentralen Zukunftsfragen überhaupt, auf die die Gesellschaft jetzt dringend Antworten finden müsse. „Das kann nur gelingen, wenn Migranten und Aufnahmegesellschaft ernsthaft und aktiv gemeinsam daran arbeiten“, stellte Süssmuth in ihrem Vortrag eindrücklich heraus.

Auch gegen die Meinungen ihrer eigenen Partei habe sie schon früh darauf hingewiesen, dass Deutschland längst vom „Rotationsland“ zum Einwanderungsland geworden sei, sagte die Ex-Ministerin. „Wir leben im Zeitalter der Migration, in dem Menschen oft ihre Plätze in immer neuen Ländern suchen.“ Deshalb sei die Arbeit an der Integration auch eine, die längst ein einzelnes Land nicht mehr alleine leisten könne.
„Migration wird zum Testfall für ein funktionierendes Miteinander in den Gesellschaften weltweit. Gelungene Integration ist gleichzeitig aber vor allen eine Herausforderung auf kommunaler Ebene. Es gelte, die Integration mit der Wirklichkeit zu verbinden. „Wir beklagen den Fachkräftemangel, und auf der anderen Seite lehnen wir Flüchtlinge ab.“
Auch zur Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa fand Süssmuth deutliche Worte: „Es gibt illegale Grenzüberschreitungen, aber keine illegalen Menschen“, hob Süssmuth unter großem Applaus hervor. Auch Flüchtlinge hätten Grundrechte und Würde. „Wenn wir das als Christen nicht vorleben, wer dann?“

Kenntnisreich und mit eingestreuten Hinweisen auf Kultur, Religion und Geschichte wies die Bundestagspräsidentin a.D. darauf hin, „dass entgegen oft gehörter Meldungen über 80 Prozent der Migranten in die Gesellschaft integriert sein wollen. Zum Teil best ausgebildete Menschen aus anderen Ländern sollten wir nicht in Aushilfsjobs verkommen lassen. Wir sollten ihre Potentiale nutzen. Wir sollen alle gemeinsam auf eine spannende Entdeckungsreise gehen, um unsere Zukunftsgesellschaft zu gestalten.“

Autor:

Christian Gensheimer aus Essen-Nord

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