Gladbecker Apotheker sieht auch die Politik in der Pflicht: Arzneimittelengpässe sorgen für Probleme und verärgerte Kunden
Gladbeck. Wer krank ist, geht hierzulande davon aus, dass er die Medikamente bekommt, die er benötigt. Doch in der letzten Zeit kommt es in Apotheken und Krankenhäusern immer wieder zu Arzneimittelengpässen. Wie kann das sein?
"Im Zuge der Globalisierung werden viele Wirkstoffe nur noch von wenigen Herstellern hergestellt, manchmal sogar nur von einem," berichtet der Gladbecker Apotheker Christoph Witzke. "Zudem werden aus Kostengründen die Inhaltsstoffe oft im Ausland - beispielsweise in China oder Indien - hergestellt. Durch die langen Lieferwege kann man nicht mehr so flexibel auf akute Anforderungen reagieren. Zudem werden selten vorkommende Arzneimittel von den pharmazeutischen Unternehmen häufig nicht mehr selbst hergestellt, sondern möglichst preiswert auf dem Weltmarkt eingekauft. Aus Kostengründen ist die Lagerhaltung dieser Medikamente oft unzureichend, was zu weiteren Engpässen führt."
Pharmaunternehmen seien gesetzlich angehalten, von allen Medikamenten, die sie vertreiben, eine ausreichende Menge zur Verfügung zu halten, führt Witzke weiter aus. Doch was könne man unter einer "ausreichende Menge" verstehen? Hier sieht der Gladbecker Apotheker eine Teilschuld beim Gesetzgeber, denn der Gesetzgeber habe diesbezüglich leider keine genauere Definierung gegeben. In der Praxis bedeutet dies, das bei epedemieartigen Ausbrüchen bestimmter Krankheiten, beispielsweise eine heftige Grippewelle, die gestiegene Nachfrage nicht mehr bedient werden könne.
Zudem würden sich moderne Arzneimittel oft aus mehreren Bestandteilen und Wirkstoffkombinationen zusammensetzen. Komme es dann zum Beispiel bei nur einem der Inhaltsstoffe beim Hersteller zu Problemen im Produktionsablauf (durch Verunreinigungen oder andere Komplikationen), wirke sich das sofort auf die Produktion des Endproduktes aus. Da auch hier oft keine ausreichenden Reserven vorgehalten würden, komme die Produktion relativ zeitnah zum Erliegen.
"Ein großes Problem bei der heutigen Arzneimittelversorgung in Deutschland sind die Rabattverträge mit den Krankenkassen," weiss Witzke aus leidvoller Erfahrung. "Die Krankenkassen schreiben jedes Jahr für jeden Wirkstoff die Lieferverträge neu aus - den Zuschlag erhält der Anbieter, der das günstigste Angebot macht. Erhält ein Anbieter den Zuschlag für eine große Krankenkasse, zum Beispiel den AOK-Verband, muß er auf einen Schlag zirka 30 Prozent des Gesamtmarktes bedienen. Passiert in einem solchen Fall etwas im Produktionsablauf und fällt der Vertragsanbieter aus, ist auch bei anderen Herstellern kaum an Ausweichpräparate zu kommen, weil sie auf eine so große Nachfrage nicht eingestellt sind. Die Hersteller produzieren aufgrund von Lagerhaltungskosten nur die Menge an Ware, die aufgrund abgeschlossener Verträge vorbestellt ist."
Das Fazit von Apotheker Christoph Witzke fällt entsprechend aus: "Die Arzneimittelversorgung leidet heutzutage an zwei großen Problemen: den immer größeren Kostendruck der Krankenkassen, der die Hersteller zwingt, immer günstiger zu produzieren, um im Vertragswettbewerb mithalten zu können. Das zweite Problem ist die Globalisierung, die den Herstellern die Möglichkeit gibt, wegen des hohen Kostendrucks günstig im fernen Ausland (Ostasien) produzieren zu lassen. Ausfälle ganzer Chargen durch mangelnde Qualität und lange Lieferwege tun dann ein Übriges."
Hier sieht Witzke letztendlich die Politik in der Pflicht. Denn nur dann, wenn die Politik erkenne, dass ein leistungsfähiges Gesundheitswesen mit einer flächendeckenden Versorgung an Arzneimitteln nicht zum Billigtarif zu bekommen ist, könne man das Problem dauerhaft - und letztlich zum Wohle der Bürger - in den Griff bekommen.
Autor:Uwe Rath aus Gladbeck |
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