50 Jahre gemeinsam in Gladbeck

So wie auf dieser Motorhaube schmückten manche Fußballfans ihre Wagen und Häuser während der letzten großen Fußballturniere. | Foto: Dominik/piqs.de
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Ein historischer Moment im Ratssaal - über 100 Gladbecker unterschiedlicher Herkunft trafen sich auf Einladung von Bürgermeister Ulrich Roland.

Die Gäste erinnerten an den Beginn der türkischen Einwanderung nach Gladbeck vor 50 Jahren und sprachen über die gemeinsame Zukunft: Die Jüngste erst 20, der Älteste weit über 80, Vertreter der Religionsgemeinschaften ebenso wie der Gewerkschaften oder der Schulen, vor allem aber Menschen, die sich in den vergangenen Jahren oder Jahrzehnten für das Zusammenleben in Gladbeck eingesetzt haben.

Bürgermeister Roland erinnerte zu Beginn der Veranstaltung daran, dass die jüngere Geschichte der Stadt Gladbeck eine Geschichte von Einwanderung gewesen sei. Vor 150 Jahren kamen mit der Gründung der ersten Zeche 1873 Menschen aus ganz Europa nach Gladbeck, um hier zu arbeiten. Vor 50 Jahren begann dann die türkische Zuwanderung nach Gladbeck, als die ersten Bergleute aus der Türkei als Bergarbeiter auf Mathias Stinnes anfingen. Unter ihnen der 75-jährige Özkan Bakanay, am Dienstag Ehrengast im Rathaus.

Nachbarschaftlich gegen Vorurteile

Bürgermeister Roland erinnerte auch daran, dass es sowohl vor 150 als auch vor 50 Jahren Vorurteile, Vorbehalte und auch einzelne Anfeindungen gegenüber den Zuwanderern gab. Gleichzeitig hätten sich aber auch viele Menschen im Bergbau, in Schulen und Kindergärten, in der Stadtverwaltung und anderen Behörden, in Nachbarschaften und Hausgemeinschaften sehr engagiert um die neuen Gladbecker gekümmert und ihnen geholfen, in Gladbeck heimisch zu werden. Stellvertretend für die vielen Menschen, die geholfen haben, bedankte sich Ulrich Roland bei Elsbeth Weiland und Madleni Schröter. Beide haben sich als Lehrerinnen mit besonderer Kraft für ihre türkischen Schüler eingesetzt.
„Heute, 50 Jahre, nachdem die ersten türkischen Arbeiter nach Gladbeck kamen, haben wir viele Probleme der ersten Jahre und Jahrzehnte überwunden,“ betonte Roland und hob als besonders schönes Beispiel für die Gemeinsamkeit zwischen Gladbeckern unterschiedlicher Herkunft die Arbeit des Jugendrates hervor: „Im Jugendrat sind mindestens sechs verschiedene Nationen vertreten, darunter deutsch, türkisch, arabisch, thailändisch, polnisch und kroatisch. Sie alle arbeiten in diesem wichtigen Gremium an der Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft mit!“

Integration bleibt Daueraufgabe

Roland warb darum, trotz weiter bestehender Probleme die vielen Erfolge der letzten 50 Jahre in Kindergärten und Schulen, bei der Ausbildung, im Beruf, im täglichen Miteinander nicht klein zu reden. Alles in allem funktioniere das Zusammenleben in Gladbeck sehr gut! Er appellierte aber auch ausdrücklich: „Wir dürfen es nicht zulassen, dass einzelne Fanatiker auf beiden Seiten das friedliche Zusammenleben von Millionen Menschen stören.“
Als Vorsitzender des Integrationsrates dankte Bahtiyar Ünlütürk Bürgermeister Roland für die Einladung: Sie sei ein gutes Zeichen für die gemeinsame Zukunft! Ünlütürk betonte, dass Integration in Gladbeck funktioniert: „Es wird von allen Seiten professionell und engagiert gearbeitet.“ Integration bleibe angesichts weiter bestehender Probleme eine Daueraufgabe. Das Wichtigste im Zusammenleben sei aber die Zwischenmenschlichkeit!
Im Gespräch mit Erstem Beigeordneten Rainer Weichelt berichteten dann sechs türkisch-stämmige jüngere Gladbecker über ihr Leben in Gladbeck.
Ismail Gedik kam als kleiner Junge ohne Deutschkenntnisse nach Gladbeck, machte hier seinen Hauptschulabschluss und ist heute als selbstständiger Unternehmer tätig. Einer seiner Söhne ist mittlerweile KFZ-Meister und arbeitet im väterlichen Betrieb mit.

"Menschen nach dem Charakter beurteilen, nicht nach der Herkunft"

Recep Koraman ist vielen Handballfans als schneller Linksaußen des VfL bekannt. Er gehört zu den großen Talenten aus dem eigenen Vereinsnachwuchs. Koraman will Lehrer werden und studiert dafür Deutsch und Sport.
Wirtschaftsingenieurin will Eda Erdogdu werden. Die Absolventin der Waldorfschule studiert an der Hochschule Westfalen. Sie ist gleichzeitig das jüngste Mitglied des Gladbecker Integrationsrates und die einzige direkt gewählte Frau in diesem Gremium!
Einen europaweit einzigartigen Beruf hat Abdullah Nice. Er hat sich als Moscheemaler und Kaligraph selbstständig gemacht und steht damit in Europa konkurrenzlos dar. Der Vater eines kleinen Sohnes hofft, dass dieser sich später ebenfalls für das gesellschaftliche Miteinander engagiert.
Für Emine Sivrikaya war die Veranstaltung nicht der erste Besuch im Gladbecker Ratssal: Die 20-Jährige hatte dort bereits beim Arbeitnehmerempfang des Bürgermeisters mit anderen Schülern der Hauptschule Butendorf aus dem selbstentwickelten Theaterstück „König von Zeche“ vorgelesen. Zurzeit macht sie eine Ausbildung als Augenoptikerin und holt „nebenbei“ ihr Abitur nach, um anschließend zu studieren.

Ali Sirin ist Sozialwissenschaftler und arbeitet in Dortmund als Konfliktmanager – für den bekennenden Schalker keine einfache Aufgabe. Als Mitverfasser des „Manifest der Vielen“ hofft er, das Menschen künftig „nicht nach ihrer Herkunft beurteilt werden, sondern nach ihrem Charakter.“
Umrahmt wurde die gelungene Festveranstaltung musikalisch von jungen Musikern der Gladbecker Baglama- und Saz-Schule unter Leitung von Mehmet Varol und des Zupforchesters der städtischen Musikschule unter Leitung von Adrian Karperien. Beeindruckend waren vor allem die gemeinsam gespielte Europa-Hymne und das von allen mitgesungene Steigerlied.

Beim anschließenden Essen, es gab unter anderem Currywurst und Köfte, wurde intensiv über 50 Jahre gemeinsame Geschichte gesprochen, vor allem aber über die gemeinsame Zukunft in Gladbeck!

Autor:

Christian Gensheimer aus Essen-Nord

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