Torhüter-Legende "Manni" Reichert erlebte noch die "Goldenen Zeiten" des Gladbecker Fußballs
Brauck. Das Schulheft in dem blauen Einband stellt auf den ersten Blick nichts Besonderes dar. Doch weit gefehlt, denn es ist eine Art „Geschichtsbuch des Gladbecker Fußballs“, gefüllt mit Zeitungsartikeln und Fotos, die an die „Goldenen Zeiten“ des Fußballs in Gladbeck erinnern. Und so hütet Manfred Reichert das Heft seit vielen Jahren wie seinen Augapfel, denn die erwähnten „Goldenen Zeiten“, ja, die sind seit vielen Jahren vorüber. Auch wenn es der SV Zweckel inzwischen immerhin bis in die Oberliga geschafft hat.
Manfred Reichert? Natürlich kennen eingefleischte Gladbecker Fußballfans den inzwischen 83-jährigen als „Manni“. Eben jener „Manni“, der bei den legendären „Sportfreunden Gladbeck“ über viele Jahre dafür sorgte, dass der Gegner nur sehr selten Grund zum Torjubel hatte.
Gerne blättert Manfred Reichert in seinem „Geschichtsbuch“. Anfangs war es die Mutter des Ex-Torhüters, die eifrig und sorgfältig alle Zeitungsartikel sammelte, in denen ihre Sohnemann erwähnt wurde. „Später habe ich das dann selbst gemacht,“ erklärt Reichert. Herausgekommen ist ein „Reichert-Band“, der zumeist Erinnerungen aus der Zeit zwischen 1956 und 1970 beinhaltet.
"Selbst im Bunker haben wir weiter gekickt!"
Doch es gibt auch ein Dokument, das auf den 1. Januar 1945 datiert ist. „Mein Mitgliedsausweis der Sportfreunde Gladbeck. Somit bin ich exakt am 1. Januar 2015 seit 70 Jahren sozusagen auch Mitglied des FC Gladbeck.“
Den Wirren und Entbehrungen des 2. Weltkrieges zum Trotz hatte Reichert als 13-jähriger den Weg zum damals erfolgreichsten Gladbecker Fußballverein gefunden. „Wir habe auch schon vor dem 1. Januar 1945 für die Sportfreunde gespielt, aber das war damals eben so. Selbst im Bunker haben wir noch gekickt,“ erinnert er sich.
Unmittelbar nach dem Kriegsende feierten die Sportfreunde ihr 25-jähriges Vereinsbestehen, konnten noch im Jahr 1945 auf der Platzanlage an der Roßheidestraße den FC Schalke 04 zu einem Freundschaftsspiel empfangen. „Hans Klodt, Fritz Szepan und Ernst Kuzorra waren dabei,“ gerät Manfred Reichert heute noch ins Schwärmen. Und die Sportfreunde machten es den Schalker nicht leicht, unterlagen gerade mit 1:3. Cirka 5.000 Zuschauer säumten den Spielfeldrand. „Das waren noch Zeiten!“
Das er mal selbst vor tausenden Fußballfans auf dem Platz stehen würde, ahnte Manfred Reichert damals sicher nicht. Doch gerade einmal 11 Jahre später war es so weit, als die Sportfreunde vor 8000 Zuschauern auf „Erle 08“ trafen. Und im Jahr 1956 schafften es die Sportfreunde sogar bis ins Finale um die „Westfalenmeisterschaft“, das gleichzeitig als Aufstiegsspiel für die damalige „2. Liga West“, vergleichbar heute mit der 2. Bundesliga, gewertet wurde. Bei der Spielvereinigung Beckum verlor man zwar das Hinspiel mit 1:4 und kam im Stadion an der B 224 vor 10.000 Zuschauern (!) auch nicht über eine 3:3 hinaus. Da die Beckumer aber auf den Aufstieg verzichteten, spielten die Sportfreunde fortan in der höheren Spielklasse.
5.500 Zuschauer bei jedem Heimspiel
5.500 Zuschauer fanden in den Folgejahren im Durchschnitt den Weg zu den Sportfreunde-Heimspielen. Und die Gladbecker, in deren Reihen unter anderem dann auch ein gewisser Günter Siebert am Ball war, konnten sich bis in die Saison 1962/63 in der Liga halten. Und nur mit ganz viel Pech verpassten sie die angestrebte Qualifikation für die neu geschaffene „Regionalliga West“.
Es folgte der Gang in die Verbandsliga und aus dieser Krise erholten sich die Sportfreunde nie mehr so richtig. Und dann kam das Jahr 1968, als man mit dem SuS Rosenhügel zum 1. FC Gladbeck fusionierte.
Höhen und Tiefen hat Manfred Reichert bei den Sportfreunden erlebt. Aber keine Minute möchte er missen. Schon gar nicht sein ganz persönliches Abschiedsspiel nach der Saison 1970/71 - standesgemäß gegen den FC Schalke 04.
Abschiedspiel gegen den FC Schalke 04
Und was hält „Manni“ vom heutigen Fußball? „Es ist nicht mehr wie früher,“ siniert er. „Spieler kommen und gehen, identifizieren sich kaum noch mit ihrem Verein. Mann, was haben wir nach den Spielen zusammen gesessen und auch mal kräftig einen gebechert. Heute ist das unvorstellbar.“
Traurig betrachtet Manni Reichert auch die Entwicklung bei den Zuschauerzahlen in den unteren Amateurligen. „Von 50 Zuschauern pro Spiel kann doch kein Verein dauerhaft überleben. Aber die Leute sitzen am Sonntagnachmittag lieber zu Hause, schauen sich im Fernsehen die Spiele der 1. und 2. Liga an.“
Ja, die „Goldenen Zeiten“, die ein Manni Reichert als aktiver Fußballer noch erleben durfte, sind wohl endgültig vorbei. Doch der Braucker bleibt „seinem FC“ treu. Und so wird er nach der Winterpause sonntags wieder auf der Platzanlage an der Roßheidestraße sein...
Autor:Uwe Rath aus Gladbeck |
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