Schlecker: „Ich dachte, hier werde ich alt“
„Das Leben muss weitergehen.“ Dieser Satz war von vielen der ehemaligen Schlecker-Beschäftigten zu hören, die sich zur Informationsveranstaltung in der Gladbecker Geschäfsstelle der Agentur für Arbeit eingefunden hatten.
25 Damen und Herren aus allen Kreisstädten waren eingeladen, sich in Kleingruppengesprächen über Erfahrungen der Arbeitsplatzsuche auszutauschen, rege Gespräche zu führen und sich von den anwesenden Agenturmitarbeitern Tipps zu holen, um die eigene Suchstrategie zu optimieren. Ein nützliches Angebot für diejenigen, die sich seit Jahrzehnten nicht mehr für einen Job beworben haben.
Ein halbes Jahr nach Eintritt der Insolvenz der Drogeriemarktkette zog die Agentur für Arbeit nun Bilanz über bisher ereichte Vermittlungsleistungen.
56 Prozent der arbeitslosgemeldeten ehemaligen Schlecker-Mitarbeitern im Kreis Recklinghausen wurde innerhalb dieses Zeitraums eine neue berufliche Perspektive geboten (In Gladbeck sind 20 Damen betroffen, die aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen nicht im Detail erläutern werden können). Im April hatten sich kreisweit 159 Betroffene arbeitslos gemeldet. 89 von ihnen sind nicht mehr auf Hilfe angewiesen.
„Damit liegen wir über dem Bundesdurchschnitt,“ erklärt Pressesprecherin Cordula Cebulla. „Der liegt unter 50 Prozent.“
Zahlen, die den arbeitssuchenden Einzelfall nur bedingt interessieren dürften. Elke Hafemann hat elf Jahre bei Schlecker gearbeitet und dank ihres Engagements im Betriebsrat bis zuletzt gehofft und gebangt.
„Wir hatten ein tolles Betriebsklima in unserem Team. Nicht nur wir, auch die Kunden waren traurig, als der Laden dann schließen musste. Ich würde sofort wieder zurückgehen!“ Wenn man von den unmöglichen Arbeitsumständen -meistens war die 46-jährige alleine im Laden und dann hilflos gegenüber Diebstahl - absieht...
„Manchmal kamen ganze Räuberbanden rein, um Rasierklingen mitgehen zu lassen.“ Sie würde gerne wieder als Verkäuferin arbeiten, doch die Aussichten sind nicht rosig. Von acht Bewerbungen kam gerade einmal eine zurück. Und das war eine Absage.
„Es ist hart,“ berichtet auch Sigrid Sträter. „Die Stellensuche ist nervenaufreibend und der Markt anscheinend übersättigt mit Schlecker-Leuten.“ Dass sie sich mit 55 Jahren nochmal auf Jobsuche begeben muss, „damit hatte ich absolut nicht gerechnet. Ich dachte, ich würde hier alt.“ Bis Oktober hat die Halternerin 30 Bewerbungen geschrieben, ohne nennenswerten Erfolg. Das Alter spiele natürlich immer eine Rolle.
Auch vor der drohenden Pleite habe die Bundesagentur für Arbeit die damaligen Schlecker-Mitarbeiterinnen schon zu ähnlichen Veranstaltungen eingeladen, um sie über passende Berufsfelder zu informieren. „Und das auch zu unüblichen Geschäftszeiten wie samstags,“ erklärt Agenturleiter Marcus Kowalcyk. Damit die Betroffenen ihren laufenden Arbeitsvertrag frühstmöglich kündigen konnten. Die bisherigen Vermittlungserfolge seien „ein gutes Zeichen für die hiesige Wirtschaft und die Aufnahmefähigkeit des vestischen und überregionalen Arbeitsmarktes.“
Man habe zu vielen Unternehmen intensiven Kontakt aufgenommen und sich gemeinsam dafür eingesetzt „viele der ehemaligen Schlecker-Mitarbeitern eine neue berufliche Heimat zu verschaffen. In vielen Fällen ist uns das geglückt.“ Neben der Anzahl neu entstandender Beschäftigungsverhältnisse ist es für Markus Kowalczyk „ebenso entscheidend, dass jeder ehemaligen Schlecker-Mitarbeiterin mindestens ein Angebot gemacht werden konnte - sei es eine Stelle oder Qualifizierungsmaßnahme, um die individuellen Fähigkeiten zu erweitern.“ Im Durchschnitt habe man jeder Betroffenen 16 Stellen vorschlagen können. Und auch mit dieser freiwilligen Veranstaltung, „denken wir meßbare Erfolge erzielen zu können,“ so Kowalczyk.
Der ehemalige Bezirksleiter von Schlecker-Bremen, Ralf Flake, sieht das eher kritisch: „Eine Alibi-Veranstaltung, die den Eindruck vermitteln soll: ‚Wir bemühen uns!‘. Mehr nicht. Es gibt schon Stellen. Nur spielen auch Distanzen eine Rolle. Und wie flexibel ist man mit Familie?,“ fragt der 52-jährige.
„Ich bemühe nur ungern platte Phrasen, aber es ist nunmal so: Man muss das Beste draus machen. Das Leben muss weitergehen.“
Autor:Christian Gensheimer aus Essen-Nord |
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