Recht auf Bildung: Stadtbildungskonferenz in Gladbeck legt Fokus auf Flüchtlingskinder

Bürgermeister Ulrich Roland (am Pult) eröffnete die Stadtbildungskonferenz. „Unsere Aufgabe als familiengerechte Kommune ist es, auch Flüchtlingskindern Zugang zu Bildung und Teilhabe zu ermöglichen.“ | Foto: Stadt Gladbeck
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  • Bürgermeister Ulrich Roland (am Pult) eröffnete die Stadtbildungskonferenz. „Unsere Aufgabe als familiengerechte Kommune ist es, auch Flüchtlingskindern Zugang zu Bildung und Teilhabe zu ermöglichen.“
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„Bildung ist nach wie vor das wichtigste Thema in unserer Stadt.“ Zu Beginn der Stadtbildungskonferenz vom vergangenen Mittwoch stellte Bürgermeister Ulrich Roland gleich zu Beginn die Wichtigkeit der Tagung heraus. Mehr als 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren der Einladung in den Ratssaal gefolgt. Im Zentrum der Vorträge und Diskussionen standen, wie sich auch in der Flüchtlingskonferenz im Mai andeutete, die Bildungsmöglichkeiten für Kinder aus Zuwanderer- und Flüchtlingsfamilien.

Eingedenk der globalen Krisen und immensen Zahlen von Vertriebenen sei davon auszugehen, dass auch Gladbeck mit Zuwanderung zu rechnen habe, so Roland. Für alle Kinder ab sechs Jahren ist dabei die Schulpflicht zu beachten. In seinem Vortrag spricht der Hauptredner, Pädagoge und Rechtsreferent Volker Maria Hügel, über Motive und Probleme von Flüchtlingen sowie über die Rolle Deutschlands in der internationalen Flüchtlingspolitik. Dabei zeichnete er ein ernüchterndes Bild von der deutschen Gesellschaft und ihrem Umgang mit Zuwanderern.

Trauriges Rekordjahr

„Der Stand von Ende 2014 zeigt ein trauriges Rekordergebnis. Etwa 53 Millionen Menschen befanden sich zu dem Zeitpunkt weltweit auf der Flucht - davon ungefähr die Hälfte Kinder und Jugendliche“, so Hügel. Als Gründe für eine Flucht nennt Hügel (Bürger-)Kriege, Menschenrechtsverletzungen, staatliche oder vom Staat geduldete Gewalt gegen Minderheiten, Umweltkatastrophen, Krankheit, politisches Engagement, Religion und familiäre Verfolgung. Nicht alles, was einen Menschen zur Flucht bewegt, müsse zwangsläufig lebensbedrohlich sein. „Versuchen Sie doch mal als serbische Roma, Hilfe von der Polizei zu bekommen. Freunde, Arbeit, Besitz - all das hinter sich zu lassen und ins Ungewisse aufbrechen, das macht man nicht einfach so.“ Angesichts der zahlreichen Flüchtenden müsse Deutschland verstärkt mit Zuwanderung rechnen. Weltweit verließen täglich etwa 32.000 Flüchtlinge ihr Land, so Hügel. Als erkennbare Konsequenzen, die EU und Deutschland aus diesen Tatsachen ziehen, führt Hügel den Schutz der Außengrenzen, die Visumspflicht, Rückübernahmeabkommen mit anderen Staaten sowie die Dublin-III-Verordnung der EU an, die südliche Mitgliedstaaten in Asylfragen erheblich stärker belaste als nördliche. Auch den umstrittenen EU-Agenturen „Frontex“ und „Eurosur“ begegnet das Pro-Asyl-Vorstandsmitglied Hügel mit Vorbehalten.

Kritik am Umgang mit Flüchtlingen

Deutschland rühme sich bei jeder Gelegenheit damit, EU-weit die meisten Flüchtlinge aufzunehmen. In absoluten Zahlen sei das zwar korrekt, gemessen an Einwohnerzahl oder Wirtschaftsleistung gehe diese Rechnung allerdings nicht mehr auf: Auf Rang acht abgeschlagen liege die Bundesrepublik zwar vor Luxemburg, aber weit hinter Schweden, Ungarn, Österreich und Malta. Doch auch den staatlichen Umgang mit bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen kritisiert Hügel scharf: Arbeitsverbot, Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften, Residenzpflicht für mindestens drei Monate, Wohnsitzauflagen - der Staat mache es seinen Zuwanderern nicht leicht, Fuß zu fassen, geschweigedenn Teil der Gesellschaft zu werden. Es bestehe auch keinerlei Anspruch auf Integrationskurse (Sprachkurse), sofern der Betreffende keine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung hat. In solchen Fällen sei an den Nachzug von Familienangehörigen erst gar nicht zu denken, im Gegenteil müsse „ein solcher Flüchtling eigentlich die ganze Zeit auf gepackten Koffern sitzen, weil jederzeit die Abschiebung droht.“

Gladbeck, so sagt Volker Maria Hügel, habe zwar ein gutes gesellschaftliches Klima für die Aufnahme von Flüchtlingen, dennoch gebe es unterschiedliche Behandlung bei Behörden, zum Teil beengte Unterbringungen und vereinzelt auch offene Ablehnung.
Menschenwürde und auch das Kindeswohl, so Hügel abschließend, fänden in Deutschland und der EU oft nicht genug Beachtung; Rassismus und Diskriminierung sollten gesellschaftliche geächtet werden.

Auf einem guten Weg

Im Anschluss machte Bettina Weist, Leiterin des Amtes für Bildung und Erziehung, deutlich, dass sich Gladbeck mit der Initiative „Angekommen in Gladbeck“ im Sinne Volker Hügels auf einem guten Weg befindet. 276 Kinder aus Flüchtlings- und Zuwandererfamilien gehen derzeit in Gladbeck zur Schule. Das Kommunale Integrationszentrum an der Roßheidestraße berät unabhängig von persönlichem Status, Ethnie oder Zuwanderungsland Familien betreffs schulischer Versorgung. In der Zeit von August 2013 bis Juni 2015 seien so 164 Kinder und Jugendliche erfasst und in Schulen vermittelt worden. Die größten Anteile entfallen dabei auf die Erich-Fried-Schule (38), die Wilhelmschule (25) und die Lambertischule (12). Je nach Sprachkenntnis stehe den Kindern auch spezieller Sprachunterricht und Förderung zu, die durch Lehrkräfte und Schulsozialarbeiterinnen gewährleistet werde.
Weiterhin sei vorgesehen, dass diese Kinder auch die Offene Ganztagsschule (OGS) oder weitere Freizeiteinrichtungen besuchen. Es werde auch darauf geachtet, dass die Schülerinnen und Schüler wohnortnah in Regelklassen gehen; sie sollen demnach den regulären Unterricht besuchen, unabhängig von ihren Deutschkenntnissen.

Gemeinsam mit dem Gesundheitsamt, der evangelischen Flüchtlingshilfe, dem Internationalen Mädchenzentrum, den verschiedenen Jugend- und Freizeiteinrichtungen und dem Kinderschutzbund steht das Kommunale Integrationszentrum als Ansprechpartner für Flüchtlinge bereit. Die nächste Zeit wird zeigen, ob die Stadt Gladbeck ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden kann.

Bürgermeister Ulrich Roland (am Pult) eröffnete die Stadtbildungskonferenz. „Unsere Aufgabe als familiengerechte Kommune ist es, auch Flüchtlingskindern Zugang zu Bildung und Teilhabe zu ermöglichen.“ | Foto: Stadt Gladbeck
„Versuchen Sie doch mal als serbische Roma, Hilfe von der Polizei zu bekommen." Volker Maria Hügel wirbt um Verständnis und Hilfe für Flüchtlingsfamilien.
Autor:

Jens Steinmann aus Herne

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