Grüne verärgert
Gladbecker AfD und SPD-Hübner geben Migranten Schuld an Infektionslage

Obwohl das Infektionsgeschehen im Kreis Recklinghausen und damit auch in Gladbeck vom Land als "diffus" angesehen wird, wollen die AfD Gladbeck und der SPD-Politiker Michael Hübner die Schuldigen ausgemacht haben: Menschen mit Migrationshintergrund seien die Treiber der Pandemie in Gladbeck, davon sind die Rechten und der stellvertretende SPD-Landtagsvorsitzende überzeugt. Die Grünen sind entsetzt.

von Oliver Borgwardt

Sind Migranten schuld an den anhaltend hohen Infektionszahlen in Gladbeck? Diese stark umstrittene These vertreten derzeit sowohl die AfD Gladbeck als auch der Sozialdemokrat Michael Hübner. Dabei nehmen sie insbesondere türkisch- und arabischstämmige Gladbecker in den Fokus.

Michael Hübner hatte am Dienstag die sogenannte 15-Kilometer-Regel mit dem Hinweis kritisiert, der wahre Grund für die anhaltend hohen Infektionszahlen seien "private Feiern", die von "Menschen mit Migrationshintergrund" veranstaltet würden. "Sie treiben die Corona-Zahlen nach oben."

In das gleiche Horn stößt nun auch die AfD Gladbeck. Sie hatte zunächst die Stadt Gladbeck aufgefordert, das Infektionsgeschehen nach Stadtteilen aufgeschlüsselt zu beurteilen. Die Stadt lehnte das mit dem Hinweis ab, eine solche Vorgehensweise sei weder zielführend noch derzeit aus Kapazitätsgründen machbar. Gegenüber einer Tageszeitung bestätigte Stadtsprecher David Hennig aber, dass es ein Nord-Süd-Gefälle bei den Infektionszahlen gebe. Diese Aussage greift die AfD nun auf. Man wisse schließlich, "dass gerade im Gladbecker Süden verstärkt Menschen mit Migrationshintergrund wohnhaft sind". Weiter heißt es in der Pressemitteilung der Fraktionsvorsitzenden Marco Gräber und Marcus Schützek: "Es mag unangenehmen und politisch nicht korrekt sein dies zu sagen, es entspricht jedoch der Faktenlage über die nun endlich schonungslos diskutiert werden muss".

Die Grünen kritisierten die Aussage von Michael Hübner scharf: "In kurzen Parolen hat er einen Schuldigen für die ganze Corona-Misere gefunden und nimmt damit eine ganze Bevölkerungsgruppe in Geiselhaft", betonten Lisa Engineer und Bernd Borgwerth am Mittwoch. Sie warfen dem SPD-Politiker Wahlkampfgeplänkel vor und forderten ihn auf, belastbare Zahlen anstelle bloßem "Bauchgefühls" zu liefern. Solche Verallgemeinerungen seien gefährlich und verärgerten Gladbecker mit Migrationshintergrund, "die genauso unter den Corona-Beschränkungen leiden." Die Grünen verwiesen auf eine Aussage der Kreissprecherin Svenja Küchmeister, die auf die Folgen des Weihnachtsfestes hingewiesen hatte. Dies sei aber bekanntlich ein Fest, "das nur zum Teil von Migranten gefeiert wurde", so die Kritik.

Die Stadt Gladbeck hält eine Untersuchung nach Stadtteilen weiterhin für nicht sinnvoll, da unklar sei, wo sich die Menschen angesteckt haben könnten. Sie will nun mit mehrsprachigen Flyern noch weiter sensibilisieren und informieren.

Kritik auch aus der eigenen Partei

Kritik kam auch aus der eigenen Partei. Gladbecks Bürgermeisterin Bettina Weist kritisierte Hübner in einem offenen Brief. Sein Vorwurf, Migranten seien die Treiber des Infektionsgeschehens in Gladbeck, sei nicht durch Daten gedeckt. "Die aktuellen Zahlen belegen, dass sich in der jüngsten Vergangenheit überwiegend Menschen nicht-migrantischer Herkunft mit dem Coronavirus angesteckt haben. Dies ist vor allem auf die Weihnachtsfeiertage zurückzuführen", so Weist.

Die Bürgermeisterin warf dem Landtagsabgeordneten vor, mit solchen Aussagen zu spalten und eine ganze Bevölkerungsgruppe zu stigmatisieren. Das stehe im Gegensatz zu den Werten, für die die SPD seit 140 Jahren stehe (mehr dazu lesen Sie hier).

Hintergrund: Süden Gladbecks von Migration geprägt

Die Stadtteile Brauck, Butendorf und Mitte sind die bevorzugten Wohnorte von Gladbeckern mit Migrationshintergrund, die rund 16 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. So leben rund 25 Prozent der rund 12.000 Menschen mit ausländischem Pass in Brauck, 20 Prozent in Butendorf und 17 Prozent in Mitte. In Rentfort oder Schultendorf beträgt der Anteil hingegen nur jeweils zwei Prozent. 

Mehr als die Hälfte der Ausländer stammt nach offiziellen Daten der Stadt aus der Türkei (rund 5000 Personen) und dem Nahen Osten. Dazu kommen rund 1000 Personen aus den Balkanstaaten. Insgesamt leben in Gladbeck Menschen mit Wurzeln in rund 110 Nationen.

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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