Die "Soziale Bürgerinitiative e.V." informiert: Für Alte und Kranke wird bald eine "Eiszeit" entstehen
Dies ist eine Kopie des im Netz stehenden Beitrages von Susan Bonath, von der wir hoffen, dass Sie uns die Verbreitung Ihre Beitrags stillschweigend gestattet.
Ihr Beitrag wurde 1:1 übernommen und nirgendwo geändert, wobei das von ihr eingestellte Foto sich als "nicht kopierbar" herausstellte. Daher nur der Text:
Knute für Alte und Kranke
Arbeitsentwurf: Bundesregierung will geplante Hartz-IV-Verschärfungen teilweise auf die Sozialhilfe übertragen
Von Susan Bonath
Kranke, Behinderte und Rentner müssen mit Einschnitten rechnen
Foto: ReutersStrafsanktionen bis auf null Unterstützung, Arbeits- und Ortsanwesenheitspflicht: Die Zusammenlegung der einstigen Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe 2005 hat nicht nur den vom Grundgesetz geforderten Schutz der Menschenwürde in die Bedeutungslosigkeit verbannt, sondern ein Dauerchaos produziert. Hinter verschlossenen Türen bastelt die Bundesregierung deshalb an einer umfassenden Hartz-IV-Reform. Durchgewunken wird diese wohl im Sommer. Man will das Zweite Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Verwaltung »vereinfachen«, wird es aber, wie nach außen gedrungene Dokumente belegen, für »erwerbsfähige« Leistungsbezieher teils drastisch verschärfen. Nun wurde bekannt: Kranke, Behinderte und Rentner, die Grundsicherung nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) beziehen, müssen mit ähnlichen Einschnitten rechnen.
Das geht aus einem »Arbeitsentwurf« des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) für ein »Gesetz zur Änderung des SGB XII« vom Februar hervor, den der Sozialrechtler Harald Thomé jetzt zugespielt bekam und veröffentlicht hat. Das Papier listet Vorschläge für Änderungen und Erweiterungen zahlreicher Passagen des Gesetzes auf. Danach sollen einige der bei Hartz IV geplanten Neuregelungen, vor allem beim »Verfahrensrecht«, auf »dauerhaft Erwerbsgeminderte« übertragen werden. Behörden sollen schneller Zahlungen einstellen oder kürzen können und »Vermögen« und Einkünfte strenger anrechnen. Die »Angemessenheit« für eine Unterkunft soll stärker reglementiert werden. Hier solle »das Hartz-IV-Sonderrecht auf das SGB XII übertragen werden«, konstatiert Thomé. Dieser Plan der Regierenden müsse »umfassend kritisiert und gestoppt« werden, ruft er zum Protest.
Erwerbsgeminderte erhalten grundsätzlich dieselben Sätze wie Hartz-IV-Bezieher. Alleinstehende bekommen monatlich 399 Euro, Lebenspartner je 360 Euro. Dazu wird die »angemessene« Miete erstattet. Auch bei den Wohnbedingungen für bedürftige Kranke, Behinderte oder Rentner ist es ähnlich: Obergrenzen für die Miete bestimmen die Kommunen. Vielerorts liegen diese weit unter der Wohngeldtabelle. Ist die Bleibe zu teuer, wird auch Grundsicherungsbeziehern auferlegt, innerhalb von sechs Monaten umzuziehen. Danach werden ihnen nur noch die »angemessenen« Kosten erstattet, den Rest müssen sie zuzahlen. Wie bei der Hartz-IV-Reform will das Arbeitsministerium die Vorgabe ausbauen, dass jeder Umzug von der Behörde explizit genehmigt werden muss. Die könnte das verweigern, wenn die neue Wohnung teurer als die alte ist oder wenn sie nicht selbst zum Umzug aufgefordert hat. Auf Grundsicherung Angewiesene müssen damit rechnen, in einer zwar billigen, aber mangelhaften Wohnung bleiben zu müssen. Selbst wenn das Amt den Umzug verlangt: Mietkautionen oder Genossenschaftsanteile soll es weiterhin nur als Darlehen übernehmen. Das müssen Betroffene dann in Raten abstottern.
Zudem will das BMAS die Sozialämter berechtigen, schneller Leistungen einzustellen, etwa, wenn der Betroffene innerhalb einer »angemessenen« Frist verlangte Unterlagen nicht vollständig eingereicht hat – und das ganze ohne Bescheid. Dazu heißt es in dem vorgeschlagenen Anhang an den Paragraphen 44: »Zur Vermeidung einer rechtswidrigen Leistungsgewährung kann der (…) zuständige Träger die Zahlung (…) ohne Aufhebung des Bewilligungsbescheides ganz oder teilweise vorläufig einstellen, wenn er Kenntnis von leistungserheblichen Tatsachen erhält, die eine künftige Verringerung oder einen Wegfall der bewilligten Leistung nach sich ziehen.« Außerdem soll auch für Erwerbsunfähige die »sofortige Vollziehbarkeit« amtlicher Entscheidungen gelten. Im Klartext: Wie bei Hartz IV seit Beginn praktiziert, sollen Widersprüche und Klagen gegen Verwaltungsakte keine aufschiebende Wirkung entfalten. Trotz unsicherer Rechtslage wird also sanktioniert, bis das Gericht entscheidet. Selbst bei Eilanträgen kann dies mehrere Monate dauern. Konkretisiert werden soll weiterhin, dass einmalige Einkünfte, wie Guthaben bei Gaslieferanten, im Folgemonat abgezogen werden. Dazu zählen auch »Zuwendungen«, die als Sachleistung – zum Beispiel ein kostenfreies Mittagessen – erbracht werden.
Bereits jetzt wird bei der Grundsicherung vorhandenes »Vermögen« weit strenger angerechnet als bei Hartz IV. So muss jemand, der letzteres beantragt, nicht komplett alles aufbrauchen, bevor er Hilfe erhält. 150 Euro pro Lebensjahr darf er für die Altersvorsorge angespart haben. Bei einem 45jährigen sind das 6.750 Euro, ein 60jähriger darf 9.000 Euro oder Vermögensgegenstände in diesem Wert behalten. Beantragt jemand Grundsicherung, muss er zuvor jegliche Ansparbeträge über 1.600 Euro für den Lebensunterhalt ausgeben. Über 60jährigen werden 2.600 Euro gewährt.
Ebenso haben Grundsicherungsbezieher keinen Anspruch auf Freibeträge. Das gilt nicht nur für Rente und Kindergeld, sondern auch für Erwerbseinkommen. Der Grundfreibetrag von 100 Euro, wie bei Hartz IV, gilt hier nicht. Zudem kann die Behörde Klienten, die das Rentenalter noch nicht erreicht haben, regelmäßig zur Überprüfung ihrer Arbeitsfähigkeit bei einem amtsärztlichen Dienst verpflichten. Ist diese nach dessen Attest noch teilweise (unter drei Stunden täglich) vorhanden, darf das Amt die Leistungsbezieher unter Androhung von Kürzungen in Maßnahmen oder »zumutbare« Arbeit zwingen. Im Paragraphen 39 a des SGB XII heißt es dazu: »Lehnen Leistungsberechtigte entgegen ihrer Verpflichtung die Aufnahme einer Tätigkeit (…) ab, vermindert sich die Regelbedarfsstufe um bis zu 25 Prozent.« Bei wiederholten »Vergehen« können die Sanktionen summiert werden. Das heißt: Auch Behinderte dürfen bis auf null sanktioniert werden, wenn sie nicht spuren. Daran soll auch mit der geplanten Novelle nicht gerüttelt werden.
Ausgegrenzt und verhöhnt
Kapitalismus produziert Armut. Wer durchs Raster fällt, weil er krank, behindert, mittellos, Migrant oder schlicht vom Pech verfolgt ist, landet unten: in Leiharbeit, Minijobs, Erwerbslosigkeit, in einer schäbigen Wohnung, im Asylheim, manchmal auf der Straße. Hartz IV oder Sozialhilfe lauern mit Stapeln von Antragsformularen. Wer da nicht durchblickt, bekommt nichts. Am Ende wartet die Altersarmut.
Was die sogenannte Elite von Betroffenen hält, tut dem Volk zum Beispiel Bild-Berichterstatter Dirk Hoeren kund. In steter Regelmäßigkeit zieht der Mann in dem Springer-Blatt über ausgesuchte Gruppen her. »Warnte« er im vergangenen Jahr vor allem vor »Bulgaren, Rumänen und Polen«, die in Deutschland »Stütze abgreifen« wollten, machte er in diesem Februar Front gegen »Hartz-IV-Griechen«. Nur eine Woche später schlug er auf »EU-Ausländer« ein, für die Hartz IV der »Haupteinwanderungsgrund« sei. Im April wollte er »alle Faulen aufs Sozialamt« schicken. Er meinte damit die eine Million im Jahr 2014 Sanktionierten, die das Sozialrecht wohl als »reine Stützeveranstaltung« begriffen und »Behördentermine und Jobs verpennen«. Bereits im Vorjahr forderte er für jene »keine Stütze für null Bock«.
Dass derlei Hetze in einem öffentlich vertriebenen Blatt – und Bild ist nicht das einzige – straffrei publiziert werden darf, ist das eine. Der größere Skandal: Über sieben Millionen Menschen sind auf existenzsichernde Sozialleistungen angewiesen. Viele davon sind nicht einmal arbeitsfähig. Rentner und Behinderte müssen oft ein Leben lang von den kläglichen Mitteln ihr Dasein fristen. Selbst bei ihnen wird die Daumenschraube angezogen: Spuren oder Hungern. Bei 18- bis 25jährigen geht das ruckzuck. Schon einem verpassten Termin kann die Totalsanktion folgen – gesetzlich legitimiert. Betroffene können »wählen«: Drei Monate lang betteln oder stehlen, verachtet von gut Betuchten wie Niedriglöhnern und manchen Journalisten.
»Fördern und fordern« nennt das die Bundesregierung. So wolle man »die Motivation steigern«, erklärte der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, 2011 in einem »Grußwort« an das Arbeitsministerium und EU-Politiker. Das ist nichts anderes als zynische Verhöhnung aller Abgehängten, Mittellosen, Alten, Kranken, Behinderten durch selbsternannte »Leistungsträger« unserer »Wertegemeinschaft«. (sb)
Autor:Johannes Alfred Gay aus Gladbeck |
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