"Männerseilschaften und rechtskonservative Einstellungen"
CDU-Ratsfrau Müzeyyen Dreessen legt alle Ämter nieder
![Müzeyyen Dreessen legt alle politischen Ämter in der CDU Gladbeck nieder. | Foto: Archiv](https://media04.lokalkompass.de/article/2020/10/07/0/11436180_L.jpg?1602077818)
- Müzeyyen Dreessen legt alle politischen Ämter in der CDU Gladbeck nieder.
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Es ist ein politischer Paukenschlag nach der Wahl: Mit sofortiger Wirkung hat CDU-Ratsfrau Müzeyyen Dreessen sämtliche Ämter niedergelegt. Sie begründet den Schritt mit lange angestautem Frust über Männerbünde, rechtskonservative und migrantenfeindliche Strömungen in der Gladbecker CDU.
von Oliver Borgwardt
Sie ist wohl eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Gladbecker Union: Müzeyyen Dreessen hat sich in den vergangenen Jahren nicht nur als Ratsfrau, Beisitzerin im Stadtverband, Vorsitzende des CDU-Ortverbandes Mitte oder im Vorstand der Frauen Union einen Namen gemacht, sondern ist auch noch in zahlreichen anderen Initiativen ehrenamtlich aktiv. Umso überraschender kam jetzt für Außenstehende die Entscheidung, mit sofortiger Wirkung von allen politischen Ämtern zurück zu treten.
In einem Schreiben, das dem Stadtspiegel vorliegt, nennt sie lange aufgestaute Spannungen innerhalb der Partei als Auslöser für ihre Entscheidung. Die liberalen und sozialen Flügel der Union seien in Gladbeck kaum noch zum Tragen gekommen, so Dreessen. "In Gladbeck ist sie aber in erheblichen Teilen so rechtskonservativ, dass man sich manchmal fragen muss, wofür das C im Namen überhaupt noch steht und wo das Herz geblieben ist".
Rassistische Äußerungen
Es ist kein Geheimnis: Dreessen, die als Kind mit ihren Eltern und Geschwistern aus der Türkei ins Ruhrgebiet gezogen war und seit über 35 Jahren mit einem christlichen Theologen verheiratet ist, liegt die Verständigung zwischen den Kulturen besonders am Herzen. Daher habe es sie schon lange gestört, wenn in ihrer Partei abfällig über Menschen mit Zuwanderungsgeschichte gesprochen wurde.
Erst im August sei aus der Mitte der Gladbecker CDU ein Leserbrief in einer Tageszeitung lanciert worden, in dem sehr negativ über eine Flüchtlingsfamilie geurteilt worden war, ohne dass der Brief im Stadtverband thematisiert oder gar gerügt worden sei. Und beim Festakt zum 100-jährigen Stadtjubiläum hätten CDU-Mitglieder die dunkelhaarigen Moderatorinnen des Jugendausschusses beim Festakt mit den Worten kommentiert, ob man wohl keine deutschen Jugendlichen dafür gefunden hätte. "Es hätte auch meine Tochter sein können, die schlank und mit dunklen Haaren dort auf der Bühne steht", so Dreessen.
So ein Verhalten sei "für eine Partei, die das C im Namen trägt, nicht würdig und brandgefährlich". Die latente Ablehnung habe sich unter anderem auch in der Einstellung vieler Parteimitglieder zur Städtepartnerschaft mit Alanya gezeigt - ein Herzensthema für die nun ehemalige Ratsfrau.
"Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und sozial schwache Gruppen hat die CDU hier anscheinend abgeschrieben", kritisiert Dreessen. Man habe ihr zu verstehen gegeben, diese seien nicht das gewünschte Klientel.
Frauen systematisch benachteiligt?
Auch den Umgang mit weiblichen Parteimitgliedern habe Dreessen in Gladbeck eher ausgrenzend erlebt. Allein in den letzten zwölf Monaten seien zwei Frauen ausgetreten, ohne dass dieses zu "Nachdenken oder Selbstkritik geführt" habe. Es werde gar nicht erst erörtert, "warum die CDU es hier nicht schafft, Frauen für die politische Arbeit zu gewinnen", oder warum sie "dann frustriert gehen, wenn sie mal gekommen sind". Konflikte würden nicht sachlich bearbeitet, sondern in emotionalen Entladungen und Vorwürfen in großer Runde ausgetragen.
"Die aktuelle Kungelei und Verteilung von Posten, die durchsickert, wo wieder alle entscheidenden Positionen unter den Männern verteilt werden, war nur noch der Tropfen, der das Fass bei mir zum Überlaufen gebracht hat", resümiert Müzeyyen Dreessen schließlich.
Bundeskanzlerin Merkel habe mit sozialen und umweltpolitischen Öffnungen auf die sich verändernde Gesellschaft reagiert und so Wahlen gewonnen. Die CDU Gladbeck verschließe sich aber diesem Wandel und könne so weder die Jugend noch Menschen mit Zuwanderungsgeschichte für sich gewinnen, betont Dreessen. "Als Minderheit in der Fraktion kann frau da auch nicht viel bewirken."
Parteifreunde bedauern Rücktritt
Nach Bekanntwerden des Rückzuges von Dreessen haben einige Parteimitglieder ihre Sympathie und ihr Bedauern ausgedrückt. Altbürgermeister Schwerhoff machte seine Betroffenheit deutlich. Er schätze Dreessen als "respektierte und geachtete Persönlichkeit" und hoffe, "dass spätestens jetzt ein Nachdenken bei den hierfür Verantwortlichen stattfindet". Ein Mitglied des Ortsverbandes Mitte teilte in einem Schreiben mit, dass er nach dem Rücktritt Dreessens austreten wolle. Er habe ebenfalls den "Rechtsruck" in der Partei beobacht und kein Verständnis für ein "Weiter-So" mit dem gescheiterten Bürgermeisterkandidaten Dietmar Drosdzol.
Von Drosdzol selbst liegt noch keine Stellungnahme vor. Das Tischtuch zwischen ihm und Dreessen scheint schon seit längerem ohnehin zerschnitten.
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Autor:Oliver Borgwardt aus Dorsten |
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