B 224/A 52: Die Entscheidung rückt näher - "Bürgerforum" behält ablehnende Haltung bei

Die Auseinandersetzung um die A52 durch Gladbeck dauert unvermindert an. Sie sorgt seit Jahrzehnten für einen weitgehenden Stillstand der Verkehrsentwicklung in und um Gladbeck und spaltet die Bürger der Stadt in drei Lager: Befürworter und Gegner der Ausbaupläne sowie die Menschen, die das Thema eigentlich gar nicht so interessiert.

Nein, nicht nur auf lokaler Ebene sorgt das Thema „Ausbau der B 224 zur Autobahn A 52 auf Gladbecker Stadtgebiet“ für jede Menge Zündstoff. Denn schon längst hat das Thema in der Landespolitik einen festen Platz eingenommen.

So will SPD-Landesverkehrsminister Groschek die A 52 auf Gladbecker Gebiet unbedingt und möglichst schnell bauen lassen. Zwar gegen den Willen seines grünen Koalitionspartner, aber in politischem Zusammenwirken mit der oppositionellen CDU im Lande.

Und schon setzt die Kritik der Ausbaugegner an: „Seine eigene Straßenbauverwaltung sieht sich aber nicht in der Lage, die Einwendungen der Bottroper und Gladbecker Bürger zur notwendigen Vorbereitung des Erörterungstermins im Planfeststellungsverfahren zu beantworten. Die Bottroper Bürger warten seit 2011 auf eine Antwort, die gesetzliche Dreimonatsfrist für die Eröffnung des Gladbecker Erörterungsverfahrens ist bereits im Mai 2015 abgelaufen,“ berichtet Matthias Raith, ausgewiesener Gegner der Ausbaupläne und Vorsitzender des „Bürgerforum Gladbeck“. Zudem, so Raith weiter, könne der Bund angesichts der allgemeinen Haushaltssituation nur die notwendigsten Maßnahmen im Straßenbau finanzieren. Vorrang für viele Jahre müsse die Sanierung maroder Brücken haben, ohne die der Verkehr an Rhein und Ruhr schwere Schäden erleiden würde. „Wie aus Trotz soll ausgerechnet die A 52 durch Gladbeck aber dennoch gebaut werden, obwohl der Bedarf für die Teilstücke in Bottrop und Gladbeck fraglich ist und noch lange kein Baurecht besteht,“ wundert sich Raith.

Nach Ansicht des „Bürgerforums“-Vorsitzenden hat die Stadt Gladbeck sowohl im Gladbecker als auch im Bottroper Planfeststellungsverfahren sehr eindeutige und gut fundierte Stellungnahmen abgegeben, die man mit einem Satz zusammenfassen kann: die Autobahn darf so nicht gebaut werden. Und Raith verweist auf das Ergebnis des Ratsbürgerentscheids, bei dem Ende die Gladbecker Urnengänger haben mit einer deutlichen Mehrheit die Autobahn samt Tunnel und Dreieck auf Gladbecker Gebiet ablehnten. Und Mattthias Raith bezweifelt, ob aus Gladbecker Sicht aktuell der richtige Weg eingeschlagen wird“ „Statt aber auf dem für diesen Fall versprochenen „Abbruch der Planungen“ zu bestehen, reist der Gladbecker Bürgermeister im November zum zweiten Mal nach Berlin, um dort über die Art des Autobahndreiecks (A52 /A2) und des Tunnels durch die Innenstadt zu verhandeln.“

Geplant ist jedenfalls, dass noch im Herbst 2015 das Bundesverkehrsministerium den neuen Bundesverkehrswegeplan vorstellen wird, der die für die nächsten 15 Jahre zum Bau und zur Sanierung beabsichtigten Bundesfernstraßen enthalten soll. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wird der Entwurf der Öffentlichkeit zur Stellungnahme vorgelegt, bevor er endgültig im Kabinett verabschiedet wird. „Die Gladbecker haben also demnächst wieder die Möglichkeit, ihre Meinung zur A52 an kompetenter Stelle vorzutragen,“ hofft Matthias Raith auf Unterstützung durch die Bevölkerung.

Das Gladbecker Bürgerforum stellt sich seit jetzt fast zwei Jahren konsequent gegen den Autobahnbau. Jetzt geht die Initiative aber einen Schritt weiter: Sie stellt mit ihrem „Plädoyer für eine bessere Mobilität“ ein eigenes Alternativkonzept vor. Mit den aufgezeigten Maßnahmen, so die Überzeugung des „Bürgerforum“, könne man die Probleme des Fern- und Nahverkehrs in der Region und der Mobilität der Bevölkerung nachhaltig lösen - und zwar ganz ohne neue Autobahn.

Die aktuelle Lage und die Perspektiven für die nächsten Monate waren für den STADTSPIEGEL Grund genug für ein ausführliches Interview mit dem Vorsitzenden des Bürgerforums, Matthias Raith.

Herr Raith, was waren die Gründe für die Veröffentlichung Ihres Konzepts?

Wir stellen in der Diskussion, die ja auf den verschiedensten Ebenen geführt wird, immer wieder fest, dass es sowohl den Befürwortern als auch den Gegnern der Autobahn an Sachkenntnissen und Argumenten fehlt. Oft werden Meinungen vertreten, die eher Vorurteile sind. Sie beruhen nicht auf den zugegebenermaßen komplexen Tatsachen pro und contra Autobahn. Mit unserem Plädoyer wollen wir also einen Beitrag zur Versachlichung der Debatte leisten. Das kann Grundlage für eine neue Konsensbildung in Gladbeck und der Region sein.

Viele maßgebliche Kräfte im Bund, Land und der Region wollen die A52 durch Gladbeck. Wäre sie nicht die beste Lösung vieler Verkehrsprobleme?

Wir zeigen in unserem Plädoyer, dass die Autobahn für den Fernverkehr nicht erforderlich ist; Der weiträumige Verkehr kann ohne nennenswerten Umweg und praktisch ohne jeden Zeitverlust auf bestehenden Autobahnen geführt werden. Dadurch könnte die B224 endlich frei werden für den regionalen Verkehr und die Querverkehre in Gladbeck. Die A52 wird nie zu einer Transitautobahn werden, weil der Bau durch Essen nicht mehr in Betracht kommt. Die beabsichtigten Teilstücke würden aber, wie wir in unserer Arbeit im Einzelnen darstellen, eine Reihe von dauerhaften, nicht wieder gut zu machenden Schäden für Gladbeck mit sich bringen. Vorteile für unsere Stadt gibt es dagegen nicht. Deshalb darf der umstrittene A52-Torso auf Gladbecker Gebiet nicht in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen werden. Die Autobahn würde übrigens auch die Stadtentwicklung auch von Bottrop und Essen für lange Jahre ausbremsen.
Wir müssen endlich Abschied nehmen vom Mythos Autobahn und den Hebel gemeinsam umlegen für eine menschengerechte Mobilitätspolitik, sonst bleiben die unerträglichen Zustände auf unseren Nord-Süd-Achsen noch jahrzehntelang bestehen.

Wie wollen Sie das erreichen?

Wir stellen in unserem Plädoyer eine Reihe von Einzelmaßnahmen samt sorgfältigen Begründungen und Quellenangaben vor, die zusammen ein geschlossenes Konzept für eine kostengünstige und rasch realisierbare Alternative zu A52-Teilstücken darstellen. Umgestaltung der Gladbecker Essener Straße (B224) zu einer innerstädtischen Ortsdurchfahrt, Fernverkehr raus aus Gladbeck mithilfe von Maßnahmen der Verkehrslenkung und durch Beeinflussung von Navigationssystemen, bessere Infrastruktur und Bedienung für die Nutzung von Bus und Bahn, direkte Radwege zwischen Gladbeck, Bottrop und Essen sowie intelligente Umsteigemöglichkeiten zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern. Jede Teilmaßnahme hilft, Staus auf der B224 zu beenden und gibt freie Fahrt für den Autoverkehr, der den Menschen und der Wirtschaft wirklich dient.

Brächten Ihre Vorschläge nicht erhebliche Einschränkungen für die heimische Wirtschaft?

Das genaue Gegenteil ist der Fall: Der Gladbecker Gewebeparks in Brauck behalten ihre direkte Anbindung an das überregionale Straßensystem, die Verkehre vom und zum Chemiepark Marl wären wesentlich erleichtert, Gefahrguttransporte würden nicht durch einen Tunnel eingeschränkt, die Gladbecker Mittelständler behalten ihre betriebsnahen Zufahrten zu den Fernstraßen. In Bottrop könnte sich ein großartiges Gewerbegebiet mit Alleinstellung für die Einrichtung von Haus, Wohnung und Garten etablieren. Am Beispiel IKEA zeigen wir eingehend, welch verheerenden Auswirkungen eine quer durch das entstehende Quartier gelegte Autobahn hätte.

Wie sollte ihre Konzeption umgesetzt werden?

Wir haben keine akademische Studie geschrieben, sondern ein konkretes Handlungskonzept für Politik, Verwaltung und Bürger. Die Umsetzung eines Alternativkonzepts ist deshalb wirklich der entscheidende Punkt. Wir meinen, dass unsere Vorschläge Grundlage für eine nachhaltige Lösung der regionalen Mobilitätsprobleme sein können, wenn ein paar maßgebende Leute wirklich erkennen, dass der Bau einer Autobahn quer durch eine dicht besiedelte Stadt unnötig ist, mit enormen Gesundheitsrisiken für die hier wohnenden Menschen nicht mehr in die Zeit passt und gegen die Interessen der Menschen sowie gegen Recht und Gesetz verstößt. Mit unserem Plädoyer geben wir Denkanstöße in diese Richtung. Wir regen an, die erforderliche Planung als Modellprojekt durchzuführen. Hierfür gibt es gute Vorbilder und eine passende, im Auftrag der Bundesregierung erstellte Anleitung. Auch dazu stellen wir Details in unserem Plädoyer dar.

Info: Das „Plädoyer für eine bessere Mobilität auf der Nord-Süd-Verbindung zwischen Marl, Gladbeck, Bottrop und Essen als Alternative zum Bau von Teilstücken einer A52“ kann über die Website des Bürgerforums Gladbeck www.buergerforum-gladbeck.de bestellt werden. Die Gladbecker Humboldtbuchhandlung hält ebenfalls Exemplare zum Verkauf vor, ISBN 978-3-00-050513-3, Preis 8 Euro.

Autor:

Uwe Rath aus Gladbeck

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