Streit um Gladbecker Baumschutzsatzung: GRÜNE befürchten ein "Kettensägen-Massaker"
Gladbeck. In ihre derzeitig gültigen Fassung gilt die Baumschutzsatzung der Stadt Gladbeck seit dem Jahr 1995: CDU, GRÜNE und BIG waren es, die gemeinsam vor nunmehr 22 Jahren eine Verschärfung der bis dahin geltenden Satzung beschlossen. Doch nun gibt es in gleich mehreren im Stadtrat vertretenen Parteien, die Satzung aufzuweichen oder gar auszusetzen. Ein Vorhaben, gegen das sich die Gladbecker GRÜNEN vehement wehren.
In der Haupt- und Finanzausschusssitzung am 3. Juli war es die CDU, die den Antrag stellte,, die Gladbecker Baumschutzsatzung komplett zu streichen. Die Christdemokraten begründeten ihren Antrag mit den Schäden, die der Sturm "Ludger" am Fronleichnamstag vor allen Dingen im Gladbecker Norden angerichtet hatte. Dabei, so hat GRÜNEN-Ratsherr Franz-Josef Wegener herausgefunden, seien aber gerade einmal rund 30 der etwa 10.000 auf Gladbecker Stadtgebiet stehenden Bäume dem Sturm zum Opfer gefallen. "Mit dem Hinweis, der mündige Bürger wisse schon, was er in seinem Garten mache, wurde die schwarze Axt an die Satzung gelegt," beklagt sich Wegener.
"Absurdes Anliegen!"
Das Anliegen sei absurd, führt Wegener weiter aus. Denn bei den sich häufenden Extremwetterereignisse wie Starkregen, Hitzeperioden und Stürme handele es sich um die Folgen des Klimawandels, der nur mit mehr und nicht mit weniger Stadtökologie bekämpft werden könne. Bäume in der Stadt würden durch Verschattung und Befeuchtung das städtische Kleinklima verbessern, Feinstäube aus der Luft filtern und reichlich Sauerstoff spenden. Und im Sturmfall würden stark belaubte Bäume zudem die Mini-Windhosen in den Straßen ausbremsen, so dass es erfahrungsgemäß zu weniger Schäden an den Hausdächern komme. Wegener verweist diesbezüglich auf die Ausführungen von Heinrich Vollmer, Betriebsleiter des Zentralen Betriebshofes Gladbeck. Vollmer habe diese Wohlfahrtswirkung des Gladbecker Baumbestandes ausdrücklich betont.
Grüne Gartenstadt Gladbeck
GRÜNEN-Ratsherr Franz Wegener selbst hatte in der Sitzung darauf hingewiesen, dass auch für das Image der grünen Gartenstadt Gladbeck unverzichtbar sei: „Wer von außen unsere Stadt besucht, bemerkt sofort positiv den sehr hohen Grünanteil. Das ist ein weicher Standortfaktor, der in die spätere Wohnortwahl mit einfließt. Und wer dann in Gladbeck sein Eigenheim baut, trägt aktiv dazu bei, dass die Stadt künftig nicht im Sog des demografischen Wandels untergeht.“
Und Wegener verweist darauf, dass die 1995er-Baumschutzsatzung in den Folgejahren bereits zwei leichte Aufweichungen erfahren musste: Der Abstand zu großen Gebäuden, innerhalb dessen die Satzung nicht gilt, wurde von vier auf sechs Meter angehoben. Und Birken, Weiden sowie Pappeln wurden komplett aus dem Schutzwerk gestrichen. "Die aktuelle Satzung lässt der Verwaltung zudem für echte Notfälle zahlreiche Schlupflöcher, um tatsächlichen Problemen bürgerfreundlich und flexibel zu begegnen. In Folge wurden in den letzten Jahren lediglich 6,6 Prozent der Fällanträge abgelehnt – oder positiv: 93,4 Prozent % der Anträge wurden im Sinne der AntragstellerInnen entschieden!", hat Wegener herausgefunden.
Kein Verständnis hat der GRÜNEN-Politiker daher für den Antrag der CDU, zumal die Christdemokraten bereits im Jahr 2015 mit einem gleichlautenden Antrag scheiterten. "Der CDU-Hinweis, die Bäume müssten weg, da sie im Sturmfall umfallen könnten, ist korrekt – aber mit dem Argument wären alle Altbauten mit Satteldach zum Abriss freizugeben: Schließlich können im Sturmfall einzelne Dachziegel auf Passanten stürzen," gibt Wegener zu bedenken.
"Komplett neben der Spur"
Komplett neben der Spur sei auch der Hinweis der CDU auf ein aktuelles Gutachten der Gemeindeprüfungsanstalt gewesen. In dem Gutachten hatte die Gemeindeprüfungsanstalt vergleichsweise hohen Kosten für die Pflege der städtischen Straßenbäume in Gladbeck angemahnt. Franz-Josef Wegener zeigt sich irritiert: "Der Witz: In der Baumschutzsatzung geht es ausschließlich um Bäume auf Privatgrundstücken – städtische Straßenbäume werden gar nicht erwähnt! Seltsam auch die Anregung der CDU, die Satzung jetzt erst einmal abzuschaffen, um sie womöglich später wiedereinzuführen. Dass die CDU damit ein Zeitfenster für ein mögliches Kettensägen-Massaker in den Privatgärten öffnen würde, war ihr (hoffentlich) nicht bewusst. Die Baumschutzsatzung ist ein Ausdruck des klassischen Naturschutzes, der ein erz-konservatives Anliegen darstellt. Der Gladbecker CDU stände eine andere Position hier deutlich besser."
Wie unverzichtbar die GRÜNEN vor Ort seien, zeige das zum Glück nur vorübergehende Agieren der SPD, führt Wegener weiter aus. Denn die Genossen hatten im Vorfeld in einer Anfrage um Prüfung einer Satzungsänderung gebeten, die folgende Ergänzung der Satzung vorsah: „Ausnahmen zu den Verboten ... sind zu genehmigen, wenn von dem geschützten Baum Gefahren für Personen oder Sachen von bedeutendem Wert, die nicht gegenwärtig sind, ausgehen und die Gefahren nicht auf andere Weise mit zumutbaren Aufwand beseitigt werden können, insbesondere wenn bei einem kranken oder gesunden Baum das Abbrechen des Baumes oder von Ästen bei Sturm drohen und dadurch Gefahren für Personen oder Sachen von bedeutendem Wert eintreten können.“
Entsetzt über SPD-Ausführungen
Franz-Josef Wegener zeigt sich entsetzt von den SPD-Ausführungen: "Auf Deutsch: Das Abholzen von Bäumen, auch der gesunden, die theoretisch bei einem Sturm umfallen könnten, ist von der Verwaltung zu genehmigen – also effektiv alle Bäume! Das wäre die Abschaffung der Baumschutzsatzung auf kaltem Wege gewesen, denn bei einem starken Sturm ist generell jeder Baum gefährdet. Zudem wäre eine derartige Formulierung sicherlich nicht gerichtsfest gewesen. Zum Glück spielte diese Variante in der Sitzung keine Rolle mehr. Offenbar hatten sich die Genossen derweil von Experten beraten lassen."
Die GRÜNEN heben daher warnend den Zeigefinger: Wer die Baumschutzsatzung abschaffen wolle, lege die Axt an ein Regelwerk, das für eine grüne Stadt unverzichtbar sei. Dies würden allein schon die Hunderte von Baumersatzpflanzungen der letzten Jahre, die es größtenteils ohne den sanften Druck der Satzung wohl nie gegeben hätte, belegen. "Bei Abschaffung der Satzung drohen ganze Stadtquartiere ihr freundliches, grünes Erscheinungsbild zu verlieren," wagt Wegener eine beängstigende Zukunftsprognose.
Am Ende stimmten in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses nur noch die CDU-Vertreter für den Antrag ihrer Partei. Damit ist das Thema aber noch keineswegs vom Tisch, denn die Ausschussmehrheit bat die Verwaltung um eine Überarbeitung der Satzung bis zur Sitzung am 28. September 2017. "So eröffnet sich die Chance, die aktuellen Ergebnisse der Klimaforschung in eine dann aufgewertete, neue Satzung einfließen zu lassen und die Satzung ökologisch wieder aufzuwerten," hoffen die Gladbecker GRÜNEN auf eine zukunftsweisende Entscheidung.
Autor:Uwe Rath aus Gladbeck |
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