Ein Gladbecker entdeckte vor über 40 Jahren seine Liebe für Wölfe
Auge in Auge mit Isegrim

Wölfe sind sein Leben: Seit über 40 Jahren beschäftigt sich der Gladbecker Eckard Schwedhelm mit den Urahnen unserer Haushunde. In einer Zeit, in der Wölfe ihr Comeback in unserer Landschaft feiern, tritt er gegen Falschinformationen und für Aufklärung ein. | Foto: Schwedhelm
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  • Wölfe sind sein Leben: Seit über 40 Jahren beschäftigt sich der Gladbecker Eckard Schwedhelm mit den Urahnen unserer Haushunde. In einer Zeit, in der Wölfe ihr Comeback in unserer Landschaft feiern, tritt er gegen Falschinformationen und für Aufklärung ein.
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Vor über 40 Jahren hat sich Eckhard Schwedhelm unter Wölfe begeben – und ihnen sein Leben gewidmet. Am Anfang stand aber eine blutige Winternacht – und ein Brief vom berühmtesten Verhaltensforscher seiner Zeit.

von Oliver Borgwardt

Sie kamen in der Nacht, und ihre Opfer hatten keine Chance. Als die Wintersonne des Jahres 1977 wieder aufgegangen war, wurde das ganze Ausmaß des blutigen Überfalls deutlich. Tote Schafe mit aufgerissenen Kehlen lagen in dunkelroten Lachen, die sich im zerwühlten Schnee ausgebreitet hatten. Zwischen den zerstörten Leibern hatten die Täter ihre unverwechselbaren Spuren hinterlassen.

Eckard Schwedhelm erkannte die vierzehigen Abdrücke sofort: „Das waren freilaufende Hunde gewesen, ganz klar. Ich war schockiert – und wütend. Die würde ich mir greifen.“ Mit der Wut eines jungen Mannes legte er sich auf dem elterlichen Kotten im Essener Umland auf die Lauer – aber die Hunde erkannten alle Fallen und ließen sich nicht erwischen. „Ich schaute mir die Spuren an, um zu verstehen, wie das Rudel vorgegangen war. Und ich begann mich zu fragen, wie das erst bei Wölfen ausgesehen hätte“, erinnert sich Schwedhelm.

Doch in den 70er Jahren waren Wölfe in Deutschland nur noch Märchengestalten – seit Kaisers Zeiten hatte es praktisch keine wildlebenden Exemplare mehr gegeben. „Es gab über das Verhalten von Wölfen auch so gut wie keine Literatur“, stellte Schwedhelm ernüchtert fest.

Post an Konrad Lorenz

Da fiel ihm das Werk „Das sogenannte Böse“ von Konrad Lorenz in die Hände. Der „Vater der Tierpsychologie“ schrieb hier über Aggressionen im Tierreich. Eckard Schwedhelm beschloss kurzerhand, seine Beobachtungen in einem Brief niederzuschreiben und ihn an Konrad Lorenz zu senden. „Ich hatte natürlich nicht viel Hoffnung, dass er mir zurückschreiben würde“, erzählt der Gladbecker lachend. Der vielbeschäftigte Forscher und Nobelpreisträger würde den Brief des jungen Unbekannten aus dem Ruhrgebiet vermutlich nicht einmal lesen, oder?

Einige Tage später, Eckard Schwedhelm hatte den Briefwechsel schon fast vergessen, flatterte auf einmal Post aus Österreich in den Briefkasten. Der Inhalt verschlug dem jungen Mann fast die Sprache: Konrad Lorenz persönlich hatte den Wunsch, mehr über das Verhalten der Wölfe zu erfahren, so unterstützenswert gefunden, dass er einen Anruf in den USA getätigt hatte. Dort gäbe es ein neues Wolfsprojekt, und dessen Leiter wisse nun von Schwedhelms Interesse. Ob er nicht für ein paar Wochen nach Amerika fahren wolle? „Da war ich natürlich erst einmal baff“, erinnert sich der Gladbecker.

Schlüsselerlebnis in der Neuen Welt

Nach kurzer Überlegung kratzte er seinen Jahresurlaub und sein Erspartes zusammen und machte sich auf den Weg über den großen Teich. Am Flughafen in Chicago wartete ein bärtiger Mann mit graumeliertem Haar und wachem Blick hinter der randlosen Brille auf ihn – Professor Dr. Erich Klinghammer.

Schwedhelm hatte einen noch eher unbekannten Wissenschaftler mit naturburschenhafter Erscheinung vor sich, ohne zu ahnen, dass dieser Mann später als Koryphäe auf dem Gebiet der Verhaltensforschung und legendärer Wolfsexperte gelten sollte. „Wir hatten eine Fahrt von fünf Stunden vor uns. Genug Zeit, um uns zu beschnuppern“, berichtet Schwedhelm, dem man den Wolfsenthusiasten auch in seinen sprachlichen Bildern anmerkt. Die Verständigung war kein Problem (Klinghammer war Exil-Deutscher), und die Chemie passte auch. Der Professor nahm den Gladbecker mit in ein verschlafenes Kaff in Indiana, wo er einige Jahre zuvor seinen „Wolf Park“ gegründet hatte – ein weitläufiges Forschungsprojekt mit wilden Tieren.

Der Ort wurde zu einem Eldorado und einem Schlüsselort für Eckard Schwedhelm. „Ich blieb sechs Wochen – und kam im nächsten Jahr für zwölf Wochen wieder“, erinnert er sich. Der Gladbecker half bei der Aufzucht von Wölfen, studierte das Verhalten im Rudel und ging auf Tuchfühlung mit den großen Raubtieren. Immer wieder zog es ihn in den „Wolf Park“, wobei er einen Teil der Reisekosten durch Berichte für eine Tierzeitschrift von Bernhard Grzimek abdeckte. Unter den Wölfen wurde aus dem Funken ein Feuer – das bis heute in Schwedhelm brennt. „Das mache ich, bis ich in der Kiste liege“, sagt er 40 Jahre später.

Der Wolf ist zurück in Deutschland

Gelegenheit dazu hat er inzwischen auch in der Heimat genug: Kurz vor der Jahrtausendwende wanderten die ersten Wolfsrudel seit Generationen wieder nach Deutschland ein, und sie kamen, um zu bleiben.

Nun zog es Schwedhelm nach Brandenburg, dem Bundesland mit den meisten freilebenden Wölfen. Im Wildpark Schorfheide nördlich von Berlin ist er seit Jahren regelmäßig zu Gast, wo er neben dem Gründer Dr. Frank Heyter auch den berühmten Wolfsforscher Erik Zimen noch kennenlernen durfte. „Von diesen Forschern konnte ich im Laufe der Jahre sehr viel über das Leben der Wölfe lernen“, freut sich der mittlerweile 63-jährige Gladbecker, der bei seinen Besuchen inzwischen auch immer öfter von seiner Ehefrau begleitet wird.

Schwedhelm braucht auch nicht zu befürchten, dass es ihm nun im Ruhestand langweilig werden könnte: Je öfter Wölfe auch im Westen der Republik heimisch werden, desto gefragter ist auch seine Expertise bei Diskussionen zwischen Naturschützern und Landwirten, oder bei Fragerunden mit Bürgern. Die kann er meist beruhigen: "Wölfe sind sehr scheu. Sie gehen uns Menschen aus dem Weg." In über 40 Jahren mit Wölfen gab es nur einmal eine gefährliche Situation, „und da hatte ich mich dumm angestellt.“

Doch wen die Faszination für die sozialen und hochintelligenten Tiere einmal so gefasst hat, wie Eckard Schwedhelm, den schreckt ein einzelner Biss in den Hintern nicht ab.

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Ausstellung

Am 3. März 2020 beginnt eine Fotoausstellung von Eckard Schwedhelm in der Stadtbibliothek Gladbeck. Um 20 Uhr führt der Wolfsexperte in die Ausstellung ein und ist für Fragen offen. Weitere Ausstellungsführungen sind am 10. und 17. März ab 18.30 Uhr. Eintritt frei.

Autor:

Oliver Borgwardt aus Dorsten

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