Neue Galerie Gladbeck Vernissage DOLL vs. HAVEKOST
DOLL vs. HAVEKOST umfasst neuere Arbeiten von Tatjana Doll und
Eberhard Havekost – mehrere von ihnen werden hier zum ersten Mal
gezeigt. Und es ist auch das erste Mal, dass Doll und Havekost zu
zweit ausstellen. Beide leben in Berlin, sind miteinander befreundet,
besuchen einander im Atelier und werden von der Galerie Gebr. Lehmann
Dresden/Berlin vertreten, aber es gibt keine offensichtliche
Gemeinsamkeit ihrer Malereien. Zusammen gesehen, tritt in den Bildern
eher hervor, was sie voneinander unterscheidet.
Dolls Bilder haben meist ein sehr großes Format und sind mit
unterschiedlichen Farbmaterialien gemalt, die auch, übereinander
geschichtet, in ein und demselben Bild vorkommen können, Lackfarbe, Öl
und Acryl. Jedem Bild liegt ein anderes Bild zugrunde, von populären
Zeichen und Symbolen über Abbildungen aus der Werbung oder von
Playboy-Covern bis zu Malereien aus der Kunstgeschichte. Doll bezieht
sich auf eine Ansammlung von einfachen und komplexen Bildern, die den
gewöhnlichen Umgang mit der Wirklichkeit prägen, leiten und bestimmen.
Beim Malen resultieren Ungenauigkeiten, Abweichungen und eine Willkür,
die bis dahin geht, die noch nicht getrocknete Farbe über die
Formgrenzen hinweg absacken zu lassen, in rohen und aggressiven, jede
ästhetische Subtilität auflösenden Werken. Zugleich mit der Finesse
der Malerei wird die Autorität der wiedergegebenen Bilder attackiert.
Dolls Arbeit verwandelt Icons, Piktogramme, Comics und Meisterwerke in
anarchische Konstellationen von Formen und Farben. Diese lösen sich
aus der Verbindung mit der Wirklichkeit, den Dingen und Situationen,
die der Benennung und Bezeichnung durch die malerisch aufgegriffenen
Bilder unterliegt.
Bilder von Havekost beschränken sich oft auf kleinere oder mittlere
Formate und häufig werden unterschiedliche Leinwände zu einem
mehrteiligen Werk zusammengestellt. Auf der einen Seite malt Havekost
Motive seines Archivs. Die Gegenstände bewegen sich zwischen klarer
Erkennbarkeit und vollkommener Auflösung, doch auch scharf umrissene
Objekte sind in solcher Weise inszeniert, fragmentiert oder in den
Dimensionen verändert, dass ihre Identität fraglich bleibt. Bevor er
sie malt, manipuliert Havekost seine Vorlagen mit verschiedenen
Bildbearbeitungsprogrammen; die Malerei selbst folgt dann aber
methodisch dem Modell und führt zu einer einheitlichen, dünnen und
neutralen Bildoberfläche. Diese Oberfläche unterstützt und bestätigt
die dem Betrachter zugewandte Oberfläche der gemalten Dinge –
Bildoberfläche und Oberfläche der Gegenstände kommen einander nahe und
gehen ineinander über. Bis auf geringfügige Reste, die sich an den
Rändern mancher Bilder als übriggebliebene Störungen bemerkbar machen,
bleibt vom Gegenstand nichts als seine leere Haut. In Fällen wie der
Kopie eines mehrfarbigen Streifenbildes von Ellsworth Kelly oder einer
Farbtafel von Gerhard Richter lässt sich dann kein Unterschied
zwischen der Bildoberfläche und der Oberfläche des gemalten
Gegenstandes mehr ausmachen. Auf der anderen Seite malt Havekost
vollkommen ungegenständliche Bilder, die aus einzelnen schweren und
krustigen, sorgsam, jedoch ohne die Vorgabe einer erkennbaren Regel
aneinandergesetzten Pinselstrichen bestehen. Während bei ersterer Art
von Malerei die Oberfläche der Dinge und die Oberfläche des Bildes
ineinander übergehen und sich von der gegenständlichen Wirklichkeit
der abgebildeten Dinge lösen, wird mit der Malerei aus einzelnen
Pinselstrichen eine völlig andere Realität von eigener Körperlichkeit
produziert.
Der gemessenen Malweise von Havekost steht Dolls malerische
Regellosigkeit gegenüber. Sie verwischt und vermalt den Film
standardisierter Bilder, den Konvention und Geschichte über die Dinge
und Situationen gelegt haben. Havekost hingegen bestätigt die Flucht
der Dinge in eine glatte Oberfläche oder entzieht sie mit dick
aufgetragener Malerei der Umsetzung in eine Wiedergabe.
Beide Maler reagieren auf das Hervortreten von Bildern gegenüber einer
zurücktretenden Wirklichkeit, das die vergangenen einhundert Jahre in
zunehmendem Maß bestimmt hat . Die Malerei von beiden bezieht sich auf
mechanisch vervielfältigte Bilder. Doll macht die Ebene der Bilder zu
einem Schlachtfeld, auf dem neue Bilder hervortreten, die ungeeignet
sind, Herrschaft über die Dinge auszuüben, während Havekost die
unbeherrschte Wirklichkeit pastoser Malerei um eine Malerei der
versiegelten und erwartungsvollen Oberfläche der Dinge ergänzt. Die
„Konstruktion einer möglichen Zukunft“ vollzieht sich, wo Bilder
gemalt werden, die fremd und unverständlich sind, weil sie die Bindung
an eine verlässlichen Basis des Objektes willentlich, einsehbar und
ohne Zynismus oder Nostalgie auflösen.
Ausstellungseröffnung:
DOLL vs. HAVEKOST
am Freitag, den 07. Februar 2014
um 19.30 Uhr
Pressetext
Autor:Frank Gebauer aus Oberhausen |
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