Alte Nikolausbräuche: Wildes Treiben vermummter Gesellen
Vor allem für Kinder war der Nikolaustag früher mit einiger Aufregung verbunden. "In katholischen Gegenden freuten sich die Kinder sogar mehr auf diesen Tag als auf Weihnachten, denn er war hier der Hauptgeschenketag", erklärt Jutta Nunes Matias, Volkskundlerin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).
Viele Gewährspersonen aus Westfalen, deren Berichte die Volkskundliche Kommission für Westfalen beim LWL sammelt, berichten, dass mit dem Besuch des Nikolaus' auch eine Art Prüfung verbunden war. Dabei mussten die Kinder Gebete und Verse aufsagen und der Nikolaus lobte oder rügte ihr Verhalten im vergangenen Jahr. Erst dann gab es die ersehnten Geschenke und Süßigkeiten. Die Nikolausbescherung galt bei katholischen Familien in Westfalen bis ins 20. Jahrhundert hinein als Hauptgeschenktermin für Kinder, bevor sie zunächst in den evangelischen Familien später dann auch bei den Katholiken durch das Familien- und Geschenkfest zu Weihnachten in den Hintergrund rückte.
Geblieben sind dennoch viele Bräuche rund um den 6. Dezember, zum Beispiel, dass die Kinder an diesem Tag Süßigkeiten bekommen. In Kindergärten und Schulen, Vereinen oder Nachbarschaften gibt es Feiern, bei denen der Nikolaus im Mittelpunkt steht. Er kommt bei solchen Gelegenheiten natürlich im Kostüm, in katholischen Gegenden ist er an seinem Stab und der Mitra als Bischof zu erkennen.
Begleitet wird er von seinem Gegenspieler Knecht Ruprecht, der mehr oder weniger furchteinflößend daherkommt. Dunkel gekleidet und mit einer Rute ausgerüstet, betont er als finstere Erscheinung den Gegensatz zum gütigen, heiligen Bischof. Bemerkenswert ist, so Nunes Matias, dass in Berichten des Archivs für Volkskunde in Westfalen für die Zeit um 1900 erwähnt wird, dass in einigen evangelischen Familien der Nikolaus zunächst unbekannt war. Erst durch die Veranstaltungen in Kindergärten und Schulen lernten sie den Nikolausbrauch kennen. In diesem Zusammenhang spielten auch Lieder wie "Nikolaus komm in unser Haus" und "Lasst uns froh und munter sein" eine wichtige Rolle. Sie machten den Nikolaustag als Bescher- und Brauchtermin populär.
Vermummtes Treiben
Ein Auftreten ganz anderer Art war das Nikolaustreiben, bei dem junge Männer vermummt mit Lumpen und alten Kitteln um den 6. Dezember oder auch in den Tagen vor Weihnachten durch die Straßen zogen. Belege aus Westfalen für diesen Brauch gibt es schon aus dem 18. Jahrhundert. Selbst Annette von Droste-Hülshoff kannte diese unheimlichen "Niklöse", die ihre Mitmenschen in Angst und Schrecken versetzten. "Vielleicht als Reaktion auf das wilde Treiben, dem man gesittetere Brauchformen entgegensetzen wollte, oder aus einem generellen Interesse, die Figur des Nikolaus vermehrt in die Öffentlichkeit zu tragen, setzten sich organisierte Nikolausumzüge durch", erklärt Nunes Matias. "Sie verbreiteten sich ab den 1920er Jahren in Westfalen und waren vor allem in den katholisch geprägten Regionen an der Grenze zu den Niederlanden anzutreffen", so die Expertin der Volkskundlichen Kommission weiter.
"Die Nikolausumzüge sind bis heute sehr beliebt", sagt Nunes Matias. Viele Städte und Gemeinden nutzen neben dem Weihnachtsmarkt und anderen vorweihnachtlichen Veranstaltungen das Auftreten des Nikolaus' als Attraktion für ihr Stadtmarketing. So sieht man ihn in vielen Orten Westfalens in Begleitung von Knecht Ruprecht sogar übers Wasser fahren. Die Fahrt mit einem Boot ist aber nicht nur ein willkommenes Veranstaltungselement, es besteht auch ein Zusammenhang zwischen Gewässern und dem heiligen Nikolaus, denn er ist unter anderem als Patron der Seeleute bekannt. Eine der vielen Nikolaus-Legenden beschreibt, wie er in Not geratene Seeleute gerettet und ihnen den sicheren Weg in den Hafen gewiesen hat.
(Mit Material des LWL)
Autor:Oliver Borgwardt aus Dorsten |
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