Die unendliche Geschichte des Trabrennsports in Gelsenkirchen
Die Trabrennbahn in Gelsenkirchen ist ein wahres Relikt aus anderen Zeiten. In mehr als 100 Jahren seiner Geschichte hat der Trabrennsport in Gelsenkirchen so manches erlebt und gerade in den letzten 30 Jahren eine recht wechselhafte Geschichte von Präsidenten, Vereinen und sportlichen Highlights erfahren.
Stadtspiegel- und Trabrennbahn-Kooperationen
Dabei ist auch die Geschichte des Stadtspiegel immer wieder mit der Trabrennbahn verbunden, denn hier fanden zahlreiche Stadtspiegel-Renntage statt und zuletzt in diesem Jahr der Retter- und Helfertag, der unter dem Stadtspiegel-Logo lief.
Die bewegte Geschichte der Trabrennbahn
Ein kleiner Rückblick in die bewegte Geschichte der Trabrennbahn gibt einen Eindruck von dem, wovon die Rennbahn erzählen könnte, wenn sie dazu im Stande wäre. So überlebte das Gelände am Nienhauser Busch die Monarchie des letzten deutschen Kaisers, mit der Weimarer Republik die erste Demokratie in Deutschland, später die Diktatur Adolf Hitlers und seine Nationalsozialistische Herrschaft und schließlich gibt es sie noch heute in einer Zeit, in der wir bereits seit mehr als 60 Jahren in der Bundesrepublik leben.
Traben auf dem Flugplatz
Am 29. September 1912 fand auf dem Gelände des Gutsbesitzers Ernst Nienhausen, das er an die Westdeutsche Fluggesellschaft mbH verpachtet hatte, das erste Trabrennen in Gelsenkirchen statt. Mitten auf dem ersten kommunalen Flugplatz in Deutschland flogen nun die Trabrennpferde über den Parcour und die Trabrennsportler arrangierten sich mit den Fliegern.
Allerdings fanden im Jahr 1913 nur zwei Renntage am Nienhausen Busch statt. 1914 fiel der zweite geplante Renntag dem Ersten Weltkrieg zum Opfer. Erst 1919 wurde hier wieder getrabt und zwar bei Wohltätigkeitsrennen. Die Goldenen 20er Jahre fanden auch hier statt und in den Jahren 1920 und 1921 wurden jeweils 16 Rennen veranstaltet und selbst unter französischer Besatzung, die den ehemaligen Flugplatz als Exerzierplatz nutzte, gab es 1923 18 Renntage. In den Jahren 1924 bis 1934 erlebte die Rennbahn eine erste Blüte mit 22 Renntagen pro Jahr.
Vor dem 2. Weltkrieg gewinnt Gelsenkirchen an Ansehen
Im Dritten Reich setzte sich der Erfolg durch und Gelsenkirchen wurde neben Berlin und Hamburg zu einer festen Größe im Trabrennsport. Doch der Bombenhagel der Alliierten setzte dem ab 1942 ein Ende und der Rennbetrieb wurde komplett eingestellt.
Nach dem Ende des Krieges rappelten sich die Trabrennsportler schnell wieder auf, obwohl die Anlage schwer beschädigt war und die Pferde kaum zu gebrauchen.
1947 findet das 1. Eliterennen in Gelsenkirchen statt
Doch schon am 7. Oktober 1945 fanden wieder erste Rennen statt. Das wurde belohnt durch das Erste Elite-Rennen, das 1947 in Gelsenkirchen stattfand. !954 wurde genau so das erste Deutsche Traber St. Leger in Gelsenkirchen ausgetragen. Im Jahre 1956 verfügte Gelsenkirchen deutschlandweit über den ersten Startwagen. Die Trabrennbahn war zu einem Wirtschaftsfaktor für die Stadt Gelsenkirchen geworden.
Der Einzug des Elektro-Toto in Gelsenkirchen
Und wer erinnert sich heute noch daran, dass im Jahr 1969 hier in Gelsenkirchen das erste Elektro-Toto die Wetten revolutionierte? Anfang der 70er Jahre hatte sich der Trabersport zum gewinnreichsten Sportzweig der Bundesrepublik entwickelt. Gelsenkirchen war damals hinter München-Daglfing die Nummer 2 in Deutschland. 1981 feierte man am Nienhausen Busch mit 71 Millionen Mark ein Rekordjahr bei den Umsätzen.
Die Krisen beginnen
Doch schon Mitte der 80er Jahre kam eine kleine Krise, der zum Trotz es der vom Rennsekretär zum Geschäftsführer aufgestiegene Hans Schneider schaffte Gelsenkirchen nach Paris-Vincennes zu bedeudetensten Bahn Europas zu machen. Gekrönt wurde dieser Erfolg im Jahr 1984 mit einer Sternstunde des internationalen Trabersports als im Jahrhunderkampf zwischen Lurabo und Lutin D‘Isigny sogar ein Weltrekord auf der Bahn gelaufen wurde.
Nach dem Tod von Hans Schneider übernahm Hubert Bergmann die Geschicke der Trabrennbahn am Nienhausen Busch. Unter seiner Regie wurde die Bergehalde Zollverein 4/12 Ende der 80er Jahre an das Gelände angegliedert und bietet seitdem mit ihrem Höhenprofil einzigartige Trainigsmöglichkeiten.
1989 war Superstar Napoletano zu Gast und siegte erwartungsgemäß, doch der Amerikaner Mack Lobell war bei einem späteren Rennen in diesem Jahr noch eine Zehntelsekunde schneller.
„Kein Renntag unter 500.000 Mark Umsatz.“
Und Anfang der 90er Jahre war Gelsenkirchen die umsatzstärkste deutsche Trabrennbahn, auf der die von Hubert Bergmann ausgegebene Devise lautete: „Kein Renntag unter 500.000 Mark Umsatz.“ Der Stadtspiegel-Renntag gehörte einmal im Jahr fest auf die Wetterkarte und das Loser-Game war bei den Besuchern sehr beliebt, denn dank der Stadtspiegel-Geschäftspartner konnte in jedem Rennen ein Zusatzgewinn ausgelobt werden, der unter allen Wettscheinen ausgelost wurde, für die es hieß „leider nicht gewonnen“.
So kamen auch die, die eigentlich zu den Verlierern gehörten in den Genuss von tollen Sachpreisen, die die Stadtspiegel-Geschäftspartner für jedes Rennen zur Verfügung stellten.
Schwere Zeiten im neuen Millenium
Während die 90er Jahre die Blütezeit des deutschen Trabersports darstellten, brachte das neue Jahrtausend eine schwere Zeit, die die ganze Branche ins Trudeln brachte und viele Rennbahnen zum Aus zwang. Das bis dahin so erfolgreiche Geschäftsmodell der Züchter und der allermeisten Trabrennbahnen brach zusammen. Sie hatten sich einzig auf das Totalisator-System, das Toto, verlassen, während der Springsport sich von TV-Geldern und Sponsoren nährte.
Bis dahin stiegen die Wettgewinne mit den Menschen, die wetteten. Und es konnten hohe Prämien an die Siegerpferde und ihre Besitzer gezahlt werden. Aus dem Toto waren aber große Summen ins Ausland geflossen. Während 1993 noch 350 Millionen Euro Toto-Umsatz in Deutschland blieben, waren es 2008 nur noch 73 Millionen Euro.
Bereits im Jahr 2002 führte diese Entwicklung zum Sturz des einst so erfolgreichen Hubert Bergmann. Der damalige Vereinspräsident Dr. Heinz Heescher gab in einem Zeitungsinterview unumwunden zu: „Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt“. Bergmann musste Ende Februar 2002 gehen, eine Woche später trat der Vorstand desVereins zurück und am 26. März wurde ein Insolvenzantrag gestellt.
Michael Schroer leitet die Geschicke
Doch schon im April 2002 gründete der Großbesitzer Michael Schröer gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter einen neuen Verein und sicherte so den Fortbestand der Rennbahn. Der Besitzer des Stalles November setzte viel Herzblut ein, um dem Gelsenkirchener Trabrennsport zu helfen. Sein Einsatz sorgte dafür, dass bereits im Mai 457.000 Euro umgesetzt werden konnten. In den folgenden Jahren entschied Schröer, dass der Permit-Club, der bis dahin im Tribünengebäude als VIP-Club diente, ausgedient hatte. Es entstand der moderne und durchaus mondän zu nennende Abano As-Club. Doch auch das rettete den Verein nicht und im November 2005 musste auch Schröer Insolvenz für seinen Rennverein anmelden.
Win Race übernimmt den GelsenTrabPark
Im Jahr 2006 übernahm der Tchibo-Erbe Günter Herz mit seinem Sohn Christian die Geschicke auf der Trabrennbahn in Gelsenkirchen. Die Firma Win Race Pferdevermarktungs GmbH kümmert sich derzeit um sechs Trabrennvereine in Deutschland, von denen Gelsenkirchener einer ist. Christan Herz erklärt die damalige Situation mit den Worten: „Ich glaube, der sport musste so tief sinken, um die Einsicht zu befördern, dass grundlegende Reformen für das Überleben unumgänglich sind.“
Und die beiden Herz‘ wissen wovon sie reden, denn Trabrennpferde gehören seit Generationen zum Alltag der Familie, die vor den Toren Hamburgs im Gestüt Lasbek 30 Rennpferde und weitere 30 Mutterstuten ihr eigen nennt. Und sowohl Günter Herz als auch sein Sohn Christian steigen selbst, wann immer es ihre Zeit erlaubt in den Sulky. „Wir investieren in eine Sache, die für uns eine Herzensangelegenheit ist; wir leisten, wenn Sie so wollen, Hilfe zur Selbsthilfe“, ist sich Christian Herz 2006 sicher.
Und seine „Hilfe“ sollte sich für den Trabrennsport in Gelsenkirchen als Rettung entpuppen. Denn heute finden jährlich rund 50 Renntage am Nienhausen Busch statt, darunter auch Hochkaräter wie das Elite-Rennen, das Deutsche Traber St. Leger, der Bild-Pokal, der traditionell am 1. Mai stattfindet, die mehrtägige Breeders Crown oder auch der Schalke hilft!-Renntag, der Trabsport mit Fußball-Sport verbindet und die Besuchermassen anlockt, weil es dann die Königsblauen auch zum Anfassen gibt.
100 Jahre Trabrennbahn und ein Ende ist nicht in Sicht
Im Jubiläumsjahr erlebte die Nacht des Pferdes nach vielen Jahren in Gelsenkirchen eine Neuauflage und das mit einem so großen Erfolg, dass sie in diesem Jahr wiederholt wurde. Mit den PMU-Renntagen geht die Gelsenkirchener Trabrennbahn neue Wege, denn die Rennen werden live nach Frankreich übertragen und sind erstklassig dotiert. Hinzu kommen die Schweden-Wetten, die den Wettern hohe Gewinne ermöglichen.
Auch nach mehr als 100 Jahren gehört die Trabrennbahn am Nienhausen Busch wie man sieht noch lange nicht zum alten Eisen und vor allem kann sie sich im nationalen Vergleich mit vielen Rennbahnen in deutschen Metropolen messen.
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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