Wirtschaft in Gelsenkirchen: Gestern - Heute - Morgen

Moderator Lars Tottmann plauderte mit dem Vorsitzenden der Wirtschaftsinitiative Gelsenkirchen, Roland Hundertmark, über dessen letztjährige "Auszeit" bei der Gala. Foto: Gerd Kaemper
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  • Moderator Lars Tottmann plauderte mit dem Vorsitzenden der Wirtschaftsinitiative Gelsenkirchen, Roland Hundertmark, über dessen letztjährige "Auszeit" bei der Gala. Foto: Gerd Kaemper
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„Läuft bei uns!“ lautete das Motto zur diesjährigen Gala der Wirtschaftsinitiative Gelsenkirchen. Und mit dabei war in diesem Jahr auch der Vorsitzende der Wirtschaftsinitiative, Roland Hundertmark, dem im vergangenen Jahr die 1:6-Niederlage des FC Schalke 04 gegen Real Madrid gesundheitlich nicht bekommen war. Das 0:2 der neuerlichen CL-Partie verkraftete Hundertmark besser, wie er selbst verschmitzt lächelnd gestand.

GEmeinsam an der Außenwirkung arbeiten

Nach einem Jahr Vorsitz liegt viel Arbeit hinter Roland Hundertmark, aber auch die Erkenntnis, dass Gelsenkirchen wirtschaftlich ein „wahnsinniges Potential hat“, in das man aber noch Bewegung bringen kann. „Wir müssen GEmeinsam Ideen auf den Weg bringen, um nach außen noch mehr zu strahlen“, wünschte sich Hundertmark.
Moderator Lars Tottmann ist ein Kind des Ruhrgebiets und ihm fiel es leicht in Erinnerungen zu schwelgen an die Zeit von Kohle und Stahl. Und genau um die Industrie ging es im ersten Teil der Veranstaltung, der durch einen Film von Frank Bürgins „Zeitlupe“ eröffnet wurde.

Industriestadt Gelsenkirchen?

Er ging der Frage nach, was geworden ist aus den einstigen industriellen Standbeinen Gelsenkirchens. Vieles findet sich heute noch wieder. So wird weiterhin mit Glas gearbeitet, wenn dieses auch nicht hier hergestellt, sondern nur noch bei NSG veredelt wird. Stahl wird heute verarbeitet bei Electrical Steel und Bridon, die Armaturenfabrik Seppelfricke existiert heute weiter in der Firma Aalberts Industries und der Küchenbauer Küppersbusch baut weiterhin Großküchen. Und so könnte man die Liste fortsetzen, die beweist, dass Gelsenkirchen noch immer ein Industriestandort ist.
Doch wie Oberbürgermeister Frank Baranowski erläuterte, ist es besser das Wohl der Stadt auf viele Säulen zu verteilen, als nur auf zwei oder drei große. Das Stadtoberhaupt bedauerte dabei, dass es noch zu wenig vernetztes Denken im Ruhrgebiet gibt: „Denn die Menschen aus Gelsenkirchen arbeiten nicht allein hier und die Gelsenkirchener Firmen beschäftigen nicht nur Gelsenkirchener.“ Darum sieht Baranowski die Wirtschaftsförderung Ruhrgebiet als richtigen und wichtigen Schritt.
Dem schloss sich Dr. Karl-Heinz Walter, General Manager der Sabic Polyolefine GmbH an. Der Gelsenkirchener Standort ist der einzige des saudi-arabischen Unternehmens in Deutschland und hier arbeiten 400 der rund 40.000 Mitarbeiter des Unternehmens mit Firmensitz in Riad. „Das große Fund des Standortes ist die Entwicklung des Ruhrgebietes in viele Richtungen und weg von der reinen Montan-Industrie,“ schilderte Walter, der sich glücklich schätzen durfte am Tag der Wirtschafts-Gala auch mit dem „Top Employer Award 2015“ ausgezeichnet worden zu sein.
Das führende Petrochemie-Unternehmen SABIC wurde für seine Mitarbeiterbedingungen in Deutschland ausgezeichnet. Mit der am 19. Februar in Düsseldorf verliehenen Zertifizierung wird die Art und Weise anerkannt, wie SABIC seine Mitarbeiter in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung unterstützt. Basierend auf Untersuchungen des Top Employers Institute und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Grant Thornton wurde SABIC in Deutschland im Vergleich zu anderen bewerteten führenden Arbeitgebern als über dem Durchschnitt eingestuft.

Der Mittelstand als wichtiges Standbein

Der nächste Zeitlupe-Film nahm die Gäste mit zum hiesigen Mittelstand und berichtete von Waffeln, Pumpernickel, den Bäckereien Gatenbröcker und Malzers, Schrauben, Reisebussen, Leuchtreklamen und Tischlerarbeiten, die von Gelsenkirchen in die Republik und die ganze Welt gehen.
Als Beispiele der Enkel-Generation standen Thomas Oexmann und Ulrich Nickel als Gesprächspartner bereit. Seit 1926 backt Oexmann in Gelsenkirchen Waffeln und ist glücklich über den Standort „mitten im Herzen Europas“, wie Thomas Oexmann es schilderte. Sein Großvater hatte dabei eine Not zur Tugend gemacht, denn für sein Eis brauchte er Waffelhörnchen und als diese knapp wurden, schaffte er die erste Backmaschine an. Später drängten die Waffeln das Eis in den Hintergrund und Oexmann-Senior belieferte Eisdielen mit seinen Waffeln und ist heute Großlieferant für bekannte Eismarken.
Als wahrer Gelsenkirchener Jung bewies sich Ulrich Nickel, der die Anfänge seiner Firma schilderte. Sein Opa hatte in die Plane eines Lkw Sichtlöcher geschnitten und auf die Ladeflächen Bierzeltgarnituren montiert, damit ging es dann für die Städter raus aufs Land, um frische Landprodukte zu kaufen. Später wurden angesichts der Ausdünnung der Zechen die Bergleute per Bus zur Arbeit gefahren oder auch zum Vergnügen zur Cranger Kirmes. Inzwischen feiert Nickel die 30-jährige Verbundenheit mit dem FC Schalke 04.
Auf die Frage, ob er je am Standort Gelsenkirchen gezweifelt habe, ließ Ulrich Nickel wahre Kopfbilder bei den Gästen entstehen: „Da muss ich gleich an die Westernserie „Der lange Treck“ denken. Stellen Sie sich mal unsere Busflotte auf dem Weg in den Süden vor. Wir würden glatt die A3 dicht machen.“

Die Perlen des Branchenbuches

Den „Perlen des Branchenbuches“ widmete sich der dritte Zeitlupe-Film und hier kamen die Schülerhilfe, edata, Foto Raabe, Loxx, Roller SB, Hunkemöller, medicos, Norres und Masterflex sowie Mr. Chicken ins Spiel.
Zum Gespräch standen Erhan Baz von Mr. Chicken und Dirk Reinhardt von edata/Limego bereit. Allein schon mit dem Hingucker-Gebäude der Firmenzentrale machte Mr. Chicken Gelsenkirchen eine Liebeserklärung, wie es Lars Tottmann formulierte.
Mit inzwischen 16 Betrieben will sich Baz aber nicht an den großen Fastfood-Ketten messen, sondern vielmehr an Betrieben von anderen Unternehmern mit Migrationshintergrund. „In diesem Vergleich sind wir dann schon richtig groß“, weiß Erhan Baz.
Wer irgendwo einen Kontoauszug aus einem Bankdrucker nimmt, kann sich beinahe sicher sein, dass dieser von edata stammt. Trotzdem, schilderte Reinhardt, dass edata zwar europaweit tätig sein, die Geschäfte aber auf jeden Fall weiterhin von Gelsenkirchen aus steuern möchte. Und hier gibt es neben der IT auch noch das Restaurant und Hotel Heiners sowie schon bald ein Fitnessstudio für den gehobenen Anspruch.

Die jungen Wilden sichern die Zukunft

Und auch die wirtschaftliche Zukunft ist gesichert, wie der letzte Film bewies, der das Verschlüsselungstechnik-Unternehmen cryptovision, den FC Schalke 04, Stage Systems, Bang Bang Gelsen oder Wilddesign beleuchtete.
In der Gesprächsrunde beschrieben Joe und Sara Urbais die Anfänge ihrer Firma „urbclothing“, die mit Latexmode Erfolge feiert, und Markus Wild von Wilddesign sprach über sein Unternehmen, das Praktikanten aus der ganzen Welt nach Gelsenkirchen lockt, wo sie in einer WG leben und bei Wilddesign arbeiten können. Das Designunternehmen, das auch ein Büro in Shanghai betreibt, widmet sich dem Design von Medizintechnik, aber auch dem von Sexspielzeug, das in China erstellt und dann weltweit verkauft wird. Markus Wild nutzte die Gelegenheit, einen Vibrator zu präsentieren, aber leider nicht dessen Funktion zu erläutern. Es blieb Raum für Gedankenspiele.
Ben Küstner schilderte wie aus einer Idee eine Marke wurde: „In Gelsenkirchen war einfach nicht genug los für junge Leute und da hatten wir die Idee zu einer eigenen Party-Reihe für die Jugend. Die Bang Bang Gelsen-Partys waren immer gut besucht und wir verdienten uns etwas dazu. Inzwischen haben wir mit „Bang Bang Hamburger und Beer“ ein weiteres Standbein geschaffen.“ Und das mit Erfolg.

"Ein bisschen Spaß muss sein...."

Für das Unterhaltungsprogramm sorgten neben den durchaus unterhaltsamen Gesprächsrunden auch die Trios „Small is beautiful“ aus Essen und „Trio Nova“ aus Duisburg, die gemeinsam als „Trionale“ unplugged Musik aus vier Jahrzehnten im Repertoire haben und so gut waren, dass sie gleich eine Zugabe geben mussten.
Die Lachmuskeln strapazierte das Improvisationstheater „Springmaus“ aus Bonn mit seinen spontanen und überaus gekonnten Darbietungen - das auch nicht vergaß besagten Vibrator von Wilddesign noch einmal ins Spiel zu bringen...

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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