Christoph Werecki (37) ist Priester
"Wir werden noch viele Menschen verlieren"
Als junger Priester kämpft Christoph Werecki (37) gegen den Mitgliederschwund und für eine Modernisierung der katholischen Kirche In einer Zeit, in der sich hunderttausende Menschen von der Katholischen Kirche abwenden, hat Christoph Werecki sich entschieden, Priester zu werden. Im Alter von 28 Jahren empfing er die Priesterweihe. Heute ist er 37 und arbeitet an "Gleis X" in Gelsenkirchen.
Wie kam es, dass Sie Priester geworden sind?
Das war bei mir eher unspektakulär. Ich stamme aus einem kirchlich sozialisierten Elternhaus und bin da quasi reingewachsen. Ich hatte in meiner Jugend einen guten Draht zum Pfarrer meiner Heimatgemeinde in Bottrop, habe mich als Messdiener und in der Jugendarbeit engagiert. Und irgendwann habe ich beschlossen, Theologie zu studieren. Während meines Studiums hatte ich genügend Zeit zu überlegen, ob ich wirklich Priester werden will. Irgendwann fiel dann die Entscheidung.
Wie hat Ihr Umfeld darauf reagiert?
Meine Eltern waren anfangs überrascht. Meine Freunde hingegen nicht wirklich.
Warum haben Sie sich entschieden, Priester zu werden?
Der Glaube bringt mir Halt und Orientierung. Er ist im Laufe meines Lebens gewachsen. Im Studium habe ich mich stark mit der Heiligen Schrift befasst. Die Botschaft, die da drinsteckt, ist meiner Meinung nach aktuell und hat eine große Kraft.
Sie haben sich damit für ein Leben im Dienste Gottes entschieden. Das heißt auch heute noch: gegen eine Familie. Ist Ihnen das schwer gefallen?
Für mich persönlich ist das die richtige Lebensform, ich lebe sie gerne. Damit einher geht ja nicht nur Verzicht auf eine Familie, sondern zum Beispiel auch mehr Freiheiten. Wenn ich sage, ich bin im Sommer drei Wochen in einem Zeltlager, nimmt mir das niemand krumm. Ich bin aber der Meinung, dass Kirche beide Lebensformen ermöglichen sollte.
Würde das Ihrer Meinung nach mehr Männer bewegen, Priester zu werden?
Ich kann mir vorstellen, dass es einige mehr gäbe, aber den Fachkräftemangel würde die Aufhebung des Zölibats allein nicht lösen.
Was sagen Sie zum Thema "Frauen in der katholischen Kirche"?
Ich persönlich fände es gut, wenn Frauen mehr Ämter bekleiden könnten. Allerdings sehe ich das momentan nicht. Die Weltkirche ist ein langsamer Tanker und ich glaube, die Öffnung beispielsweise des Priesteramtes für Frauen, wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht denkbar. Wir in Deutschland stellen uns aktuell einfach andere Fragen als in anderen Teilen der Erde.
Gerade waren wieder zwei Kollegen von Ihnen in den Nachrichten, weil sie sich über ein Verbot des Papstes hinweggesetzt haben und homosexuelle Paare segnen.
Ich entspreche auch dem Wunsch nach einer Segnung, wenn sich Paare an mich wenden. Aber auch hier bewegt sich die Kirche in kleinen Trippelschritten vorwärts.
Die Zahl der Kirchenaustritte ist auf einem Rekordhoch. Der am häufigsten genannte Grund ist der Missbrauchsskandal.
Ich kann verstehen, dass Gläubige dadurch das Vertrauen in die Institution Kirche verlieren und austreten. Ich kann aber auch eine deutliche Veränderung in der Kirche erleben, die mit dem Missbrauchsskandal begründet ist. Der Rückblick, verbunden mit der Frage "Was ist falsch gelaufen" spielt eine große Rolle, die Sensibilität ist deutlich erhöht. Es gibt mehr Prävention. Ich stelle ein ernsthaftes Bemühen fest, sich in die Perspektive der Betroffenen hineinzuversetzen. Es ist bei weitem nicht perfekt, aber die Kirche ist auf dem richtigen Weg.
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Statistik
2022 sind mehr Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten als jemals zuvor: In Deutschland waren es laut statista.de 522.821. Damit wurde das Rekordjahr 2021 mit 359.338 Austritten noch einmal deutlich getoppt.
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Was entgegen Sie Menschen, die aus diesem Grund aus der Kirche austreten?
Als erstes: dass ich sie verstehen kann. Die Wut, den Zorn, die Hilflosigkeit. Ich könnte dann nur darum werben, der Kirche eine Chance zu geben, denn Glaube kann ich als Christin, als Christ besser in Gemeinschaft leben. Und es gibt viele gute und engagierte Menschen in der Kirche, die um eine glaubwürdige und ehrliche Kirche ringen!
Wie bewerten Sie den Abbau der Statue des Kardinals Franz Hengsbach, nachdem Missbrauchsvorwürfe gegen ihn bekannt wurden?
Ich finde das richtig. Ich halte es mit den Worten des Bischofs von Essen, der in seinem Brief an die Gemeinden geschrieben hat: "Zur Demut, die unsere Kirche zu lernen hat, gehört nun auch die Zurückhaltung mit Denkmälern, die wir für einzelne Menschen errichten."
Im Gegenzug zu den vielen Austritten lassen sich mehr Menschen kirchlich trauen, die Zahl der Taufen und Erstkommunionen steigt. Was ist dafür der Grund?
Ich vermute, dass es noch mit den coronabedingten Einschränkungen zusammenhängt; dass viele jetzt ihre Trauung oder die Taufe des Kindes nachholen. Ich glaube, das hat viel mit Traditionen zu tun.
Wo sehen Sie die katholische Kirche in 30 Jahren?
Uh, das ist schwierig. Ich weiß ja nicht einmal, wo sie in zehn Jahren steht. Ich wünsche mir, dass wir dann weiter sind, was die Modernisierung betrifft. Dass wir über Themen ernsthaft reden und nachdenken, die heute noch oft weggedrückt werden unter dem Motto "Das haben wir immer so gemacht". Ich wünsche mir, dass es weiterhin christliche Gemeinschaft gibt. Fest steht, dass die Pfarreien größer sein werden als heute, dass es viel weniger Priester geben wird und auch die Finanzmittel knapper sein werden. Die Herausforderung wird sein, sich auf seine Kernaufgaben zu besinnen.
Ihre Prognose in Bezug auf die Mitgliederzahlen?
Wir werden noch viele Menschen verlieren, die den Weg der Modernisierung nicht mitgehen werden.
ZUR PERSON
Christoph Werecki hat Theologie in Bochum, Würzburg und Krakau studiert. Nach dem Studium gab es eine ca. zweijährige praktische Ausbildung gemeinsam mit dem Bistum Münster. Dabei war er als pastoraler Mitarbeiter und später als Diakon in Gelsenkirchen eingesetzt. Nach der Priesterweihe war Werecki vier Jahre als Priester in Ennepetal, Gevelsberg und Schwelm und arbeitet nun als Seelsorger an „GleisX – Kirche für junge Menschen“ in Gelsenkirchen.
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