Wenn die Welt plötzlich lautlos ist - Zu oft treffen Hörgeschädigte auf Unverständnis - Klaus-Dieter Seiffert erzählt seine Geschichte

Klaus-Dieter Seiffert zeigt Hans Peter Sievert und Arnos Graf die Gebärdensprache. | Foto: Gerd Kaemper
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Das Rascheln von Herbstlaub, pfeifende Vögel, plätscherndes Wasser, das Schnurren einer Katze oder die Worte eines lieben Menschen. Wenn das alles auf einmal weg ist, bleibt Stille. Klaus-Dieter Seiffert verlor „über Nacht“ seinen Gehörsinn...

„Bis ich sieben Jahre alt war, konnte ich ganz normal hören. Mein Lehrer merkte dann, dass meine Konzentration immer mehr nachließ und informierte meine Eltern“, erzählt der heutige Leiter der Selbsthilfegruppe für Hörgeschädigte in Gelsenkirchen. Der Grund für die Konzentrationsschwäche war schnell gefunden: Er konnte seine Mitmenschen kaum noch verstehen. Und zwar im wörtlichen Sinn. „Alles hörte sich so an, als wäre es weit entfernt, ganz undeutlich. Das Sprechen fiel auch immer schwerer, ich nuschelte nur noch.“ Dann bekam er nach den nötigen Untersuchungen zwei Hörgeräte und alles wurde wieder lauter und deutlicher. „Aber als Kind ist es nie leicht, wenn man anders ist. Das war ich von da an“, erinnert sich Seiffert.

Plötzlich konnte er gar nicht mehr hören

Dass sein Leben oft schwer war, steht dem Gelsenkirchener ins Gesicht geschrieben. Trotzdem hat er nie aufgegeben und alle Hürden genommen, wie sie eben kamen. „Für Menschen, die ganz normal hören können, ist das Gefühl der Schwerhörigkeit nicht vorstellbar. Laufen sie mal den ganzen Tag mit Ohrenstöpseln herum, das ist nicht einfach.“
Mit 38 traf es Klaus-Dieter Seiffert dann erneut. Diesmal kam es noch fataler. An einem Sonntagmorgen im Jahr 1999 wurde seine Welt plötzlich komplett lautlos. „Ich setzte meine Hörgeräte ein und trotzdem war da nichts. Gar nichts mehr. Kein Geräusch, nur Stille. Ich war ertaubt, von einem Tag auf den anderen. Das war eine Katastrophe, alles war auf einmal weg. Ich fiel in ein tiefes Loch der Verzweiflung.“ Seine Tochter war zu diesem Zeitpunkt gerade fünf Monate alt. Auf einmal konnte er sie nicht mehr hören, die Laute, wenn sie lachte, ihr Weinen... Selbst nervenraubende Geräusche wünscht ein plötzlich Gehörloser sich sehnlich zurück.

„Da ich wusste, wie es ist, stand für mich fest, ich will wieder Hören“, sagt Seiffert voller Überzeugung. Darum entschied er sich für ein Cochlea Implantat (CI). „Bevor das Gerät eingesetzt wird, müssen verschiedene Untersuchungen gemacht werden. Denn Schnecke und Hörnerv müssen für das Implantat auf jeden Fall intakt sein. Mir fiel ein riesengroßer Stein vom Herzen, als der Arzt sagte, ich sei CI geeignet. Als es dann eingesetzt war, musste ich das Hören ganz neu lernen. Natürlich wird es nie so wie bei einem Normalhörenden, aber es vereinfacht das Zusammenleben enorm.“
Heute kann er dank des CI nicht nur wieder Hören und Reden, sondern sogar Singen. Als Mr. Deaf (Taub) tritt er meist gemeinsam mit einem Gittaristen und einer Gebärdensprachdolmetscherin auf.

„Mir macht das Singen so viel Freude. Musik muss man vor allem fühlen und nicht nur hören.“ Trotzdem ist Seiffert sehr froh, dass er wieder über die gesprochene Sprache kommunizieren kann. „Viele Gehörlose wollen in ihrer eigenen Welt bleiben und nichts von einem CI wissen. Aber man kann nicht von jedem verlangen, dass er die Gebärdensprache lernt. Und darum ist es für die Gehörlosen dann häufig schwer, deren Alltag problemlos zu bewältigen.“
In NRW leben 17.000 Gehörlose, die ausschließlich die Gebärdensprache, die seit 2002 als eigenständige und vollwertige Sprache anerkannt ist, nutzen. Doch im Beruf, beim Behördengang und sogar bei einer Fahrt mit dem Bus, stoßen sie auf Barrieren. „Ich habe eine Ausbildung zum Bürokaufmann gemacht, da muss man auch oft telefonieren, was selbst mir bis heute nicht leicht fällt, wenn am anderen Ende des Telefons jemand nicht deutlich genug spricht oder zu leise. Denn auch ich lese, wie die meisten Hörgeschädigten auch noch vieles von den Lippen ab. Zumindest unterstützend.“

Damit sind die meisten Bürojobs für Hörgeschädigte keine Option. Wer nur Gebärdensprache spricht, kann meist auch Jobs mit Kunden- oder allgemein Personenkontakt vergessen, dazu zählen etwa Klienten, Schüler oder Ähnliches. Viel bleibt da nicht übrig. „Und Arbeitgerber stellen einen oft so oder so nicht ein, wenn sie hören, dass man dieses Handicap hat.“

„Viele Leute stempeln Hörgeschädigte als dumm ab. Aber wir können fast alles, was andere Menschen auch können. Nur die Sache mit dem Hören klappt eben nicht oder nicht so gut, aber das Zuhören fällt bekanntlich auch vielen Hörenden schwer“, betont Seiffert. Und das ist für den 53-Jährigen auch das Schlimmste: „Mein oberstes Ziel ist es, die Öffentlichkeit aufzuklären. Ich habe das Gefühl, ich stoße bei Leuten, die eigentlich hören können, nur auf taube Ohren und das macht mich traurig.“

Ihre Reaktionen seien der Spiegel der Unwissenheit der meisten Menschen. „Oft höre ich, „warum starrt der mich denn so an“, weil ihnen nicht klar ist, dass ich von den Lippen ablese. Andere schreien mich total an, weil sie denken, ich höre sie sonst nicht. Ich würde mir so wünschen, dass die Leute zumindest ein bisschen über die Beeinträchtigung wissen.“

Sozialer Absturz durch Isolation

All dies führe zum sozialen Absturz vieler Hörgeschädigter, die sich nicht in die Gemeinschaft integrieren könnten und keine sozialen Kontakte hätten. Gerade hörgeschädigte Senioren würden sich isolieren. „Es ist meine Horrorvorstellung, irgendwann mal auf Pflege angewiesen zu sein und die Betreuer können mich nicht verstehen und ich sie nicht.“ Glücklicherweise gibt es auch in NRW Altersheime speziell für Hörgeschädigte. Gleichwohl muss noch sehr viel getan werden, um Inklusion mehr als nur ein Wort sein zu lassen.

Klaus-Dieter Seiffert zeigt Hans Peter Sievert und Arnos Graf die Gebärdensprache. | Foto: Gerd Kaemper
Auch der kleine Joel und seine Mama Stefanie hören Klaus-Dieter Seiffert aufmerksam zu, wenn er über seine Geschichte und das Leben als Hörgeschädigter erzählt. | Foto: Gerd Kaemper
Autor:

Laura da Silva aus Gelsenkirchen

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