Skandal: Kein Bier für OB Ude!
Münchens Oberbürgermeister Christian Ude hat gleich mehrmals darauf angespielt, dass man ihm ein Glas Wasser ans Rednerpult gestellt hat. Aber niemand hat die Bitte oder Aufforderung dahinter bemerkt und ein Einsehen mit dem Gastredner gehabt, der für sein Können beim Zapfanstich weit über die Grenzen der bayerischen Landeshauptstadt hinaus bekannt ist.
Von Silke Sobotta
GE. Nicht zuletzt durch diese Frotzeleien sorgte der populäre Gast für gute Stimmung bei den versammelten Gelsenkirchenern aus Politik, Kunst, Kirche, Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaft, Medien, Vereinen und Verbänden sowie den Jahrgangsbesten der Gelsenkirchener Schulen und Ausbildungsstätten.
Ein Stadtfilm aus
Sicht der Stadt
Eröffnet wurde der Abend durch einen Stadtfilm der besonderen Art, denn hier beleuchteten Studierende der Fachhochschule Gelsenkirchen die Stadt einmal ganz anders: Sie ließen die Stadt für sich sprechen.
„Ich bin nichts Besonderes? Die kennen Euch nicht!“, hieß es in dem Film, der das Leben in Gelsenkirchen zeigte, mit seinen schönen und auch mal traurigen Seiten, aber immer gefüllt mit Menschen, die hier leben. Sei es nun auf Schalke oder bei der Vorbereitung des Essens in den Räumen der Gelsenkirchener Tafel. Am Ende verkündete „die Stadt“ dann voller Stolz und Zuversicht: „Ich bin Gelsenkirchen!“ und meinte damit die Menschen, die hier leben und damit Stadt ausmachen.
Wilger „missioniert“ in
Sachen Fußball
Als bekennender Gelsenkirchener verriet Moderator Martin Wilger, der seinen beruflichen Dienst beim WDR im Studio Dortmund versieht, dass er neben seiner Tätigkeit als Moderator noch einen neuen Job hat: missionieren. Damit spielte er natürlich auf die Fußball-Hass-Liebe an, aber auch dafür, dass er Gelsenkirchen gern ins rechte Licht setzt bei Außenstehenden.
Das Thema des Abends: „Was macht Stadt aus?“
Oberbürgermeister Frank Baranowski ging in seiner Ansprache den Fragen nach: „Was macht eine Stadt aus? Was macht eine Ansiedlung zur Stadt und was wiederum macht diese Stadt schließlich unverwechselbar? Die Straßen, Gebäude, Plätze? Die Zahl der Arbeitsplätze und Einkaufsmöglichkeiten? Büroschluchten und Schlösser? Museen oder eine prachtvolle Fußball-Arena?“
Dabei kam er schnell dazu, dass es nicht die „toten“ Gebäude sind, die Stadt ausmachen, sondern die Menschen, die in ihr leben. „Vor allen anderen Dingen prägen die Menschen den Charakter unserer Stadt. So spannend Gelsenkirchen in der Erneuerungsphase nach dem Abschied der Schwerindustrie auch ist, so beeindruckend die Industriedenkmäler und das Musiktheater im Revier sein mögen – es sind zuallererst die Menschen, die diese Stadt ausmachen. Die Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener mit ihrer Schlagfertigkeit, mit ihrer Offenheit, ihrer Kultur des unprätentiösen Miteinanders und Gemeinsam-Anpackens und damit letztlich mit einer unverwechselbaren Herzlichkeit. Wer hier einmal gelebt hat und dann woanders hingezogen ist, der merkt in aller Regel recht bald, was ihm dort fehlt“, erklärte Baranowski.
Gerade die Menschen hier sind es, nach Ansicht des Stadtoberhauptes, die in dieser finanziell klammen Stadt etwas bewegen. Er lobte die „Kultur des Miteinanders und des Gemeinsam-Anpackens“ auch als Meßlatte für Demokratie. Und diese sieht Baranowski in Gefahr durch Banken- und Finanzkrisen und eben auch klamme Stadtkassen.
Der Oberbürgermeister stellte das ehrenamtliche Bürgerengagement in Gelsenkirchen auf eine Stufe mit den Bemühungen der Stadtverwaltung „für möglichst frühe und gute Bildung und Betreuung“ zu sorgen. „Denn wir können als Stadtverwaltung vieles bewerkstelligen, aber nicht alles alleine.“
An die Bürgerinnen und Bürger appellierte Baranowski mit den Worten: „Wir sollten, ob in der Gegenwart oder beim Blick in die Zukunft, unsere Stadt nicht mit dem leider immer noch viel zu verbreiteten Klischee von dieser Stadt verwechseln. Gelsenkirchen hat einen harten Umbruch hinter sich – aber wir sind doch nicht an der Bruchstelle stehen geblieben. Wir haben weiter gemacht, als Stadt und als Bürgergesellschaft, und dabei haben wir Einiges weggeschafft und Neues aufgebaut.“
Der „gute“ Münchener
OB Christian Ude
Der Münchener Oberbürgermeister und Präsident des Städtetages Christian Ude strebt derzeit einer neuen politischen Aufgabe entgegen und wird sich bei der Landtagswahl in Bayern für das Amt des Ministerpräsidenten zur Wahl stellen. Für seine Information, dass sich Ude als Fußballfunktionär betätigt und zwar für die Münchener Löwen vom TSV 1860 München, erntete Martin Wilger viel Beifall. Denn damit bewies der OB, dass er ein „guter“ Münchener ist.
Ude selbst eröffnete seine Rede mit seiner ersten Bitte nach einem Bier: „Daran merkt man das multikulturelle Gefälle zwischen Gelsenkirchen und München. Bei uns würde man nie wagen, einem Gast ein Glas Wasser anzubieten!“
Während seiner Rede informierte sich der ein oder andere Fußballfan im Publikum über den Spielstand der Rückrundeneröffnungspartie zwischen Borussia Mönchengladbach und dem FC Bayern München. Dazu passte, dass Ude schilderte, dass er im gleichen Flieger ins Ruhrgebiet kam wie Hoeneß und seine Kicker, und dass das vielleicht kein ganz gutes Omen für die Bayern war.
Udes familiäre Bande nach Gelsenkirchen
Durch einen Zufall hatte Christian Ude auch von seinen familiären Bindungen nach Gelsenkirchen erfahren. „Ich bekam einen Anruf von einem Architekten Albert Ude, der mich nach meinem Großvater fragte. Dabei kam heraus, dass wir den gleichen Opa hatten. Wenn man dann noch betrachtet, dass wir beide Freiberufler sind, einen Schnauzbart haben, SPD-Mitglied sind und die Parteizeitung der SPD betreut haben, könnte man fast meinen, dass mein für mich bis dahin immer recht originell anmutendes Leben nur genetisch bedingt sein könnte!“
Ein Schwafelthema
wird umgedreht
Das Thema „Was macht Stadt aus?“ bezeichnete Ude als „ein Schwafelthema zur Gymnasialzeit. Da konnte man drüber schwafeln, ohne präzise zu antworten.“ Darum ging er das Thema anders herum an und der Frage nach, was Stadt nicht ausmacht.
Dabei erklärte er deutlich, dass Städte keine Meßlatte sind für Renditezuwachs und das „raten“ von Städten verkehrt ist: „Es ist Unsinn Ratings auf Städte anzuwenden und höhere Zinssätze für klamme Kommunen zu berechnen.“ Er warnte auch davor, arm und reich durch unterschiedliche Wohnquartiere voneinander zu trennen. Vielmehr muss die soziale Durchmischung erhalten werden.
„Finanznot darf nicht zum Makel werden“
„Finanznot darf nicht zum Problem oder Makel werden“, forderte Ude, der auch anprangerte, dass Städte sparen müssen, damit Bund und Länder bessere Zahlen vorweisen können.
Als Unterschied zwischen Städten und dem ländlichen Raum kam Ude auf eine einfache Formel: „Enge, Dichte und Höhe“. Wobei die Menschen Enge und Dichte mögen, aber nicht die Höhe, jedenfalls nicht in der Nachbarschaft. „Jeder, der eine Wohnung gefunden hat, mutiert sofort zum fundamentalistischen Gegner von Wohnraum-Neubau. Stadtbewohner möchten alle Vorteile der Stadt nutzen, aber bitte ohne Geräusche und Lebenszeichen all der anderen.“
Wenn in Gelsenkirchen die Vergangenheit spürbar bleibt, die Zukunft aber vorangetrieben wird durch Kreativität, sieht Ude „große Chancen für die Stadt. Darum keine Angst vor Leerständen. Sie eignen sich für Zukunftswerkstätten und Kreativquartiere. Man muss nur die Chancen erkennen und nutzen.“
Mit Ballett und Kabarett klingt der Abend aus
Nach einer Kostprobe der Ballett-Choreographie von Bridget Breiners „Großstadt-Triptychon“ sorgte Kabarettist Vincent Ebert noch für ein lehrreiches wie unterhaltsames Ausklingen des Programms.
Im Foyer erwartete die Gäste ein Buffet, das in diesem Jahr von der in „Vivawest“ geeinten THS wohnen und Evonik wohnen gesponsert wurde. Und natürlich gab es noch reichlich Zeit für Gespräche und Gedankenaustausche.
Autor:silke sobotta aus Gelsenkirchen |
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