Sebastian Buntkirchen: „10.000 Anfragen pro Saison bei Schalke hilft!“
Ein Angebot aus Hamburg von einem großen Unternehmen für den nächsten Karriereschritt lag unterschriftsreif parat. Doch in „allerletzter Sekunde entschied ich mich um, weil Manuel Neuer auf mich zukam und eine tolle Idee hatte“. Die Rede ist von Sebastian Buntkirchen, der seit exakt zwei Jahren Geschäftsführer der Stiftung „Schalke hilft!“ ist. Dabei war er 2010 praktisch auf dem Sprung, Gelsenkirchen zu verlassen.
Sein Gelsenkirchen, wohlgemerkt. Denn der 35-Jährige ist hier aufgewachsen, unweit vom Parkstadion, und verließ nur für seinen ersten Studienabschluss im Wirtschaftsingenieurwesen die Stadt, um in Bochum zu studieren.
Das Ende seines Studiums mit dem Schwerpunkt Energie- und Umweltmanagement fand aber „natürlich“ in Gelsenkirchen statt, genauer gesagt an der Westfälischen Hochschule. „Eigentlich wollte ich Medizin studieren und Arzt werden; genau wie mein Vater“, erinnert sich Buntkirchen und muss dabei lächeln. Denn es war sein Vater, der ihn und seinen drei Jahre jüngeren Bruder damals im ev. Krankenhaus entband. Der Vater war es aber auch, der „gegen meinen Medizinwunsch steuerte und meinte, dass ich besser etwas anderes machen solle.“ Kurz danach muss Buntkirchen sogar lachen: „Mit meinem Abiturschnitt hätte ich sowieso erst mit einigen Wartesemestern das Medizin-Studim beginnen können.“
„Der Rat vom Schuldirektor Georg Altenkamp hat mich geprägt.“
Im Jahre 2004 entstand die Freundschaft zu Manuel Neuer. „Lange bevor Manuel in die Profi-Abteilung wechselte, wurden wir gute Freunde. Trotz des Altersunterschiedes“, erinnert sich der heute 35-Jährige, der damals schon als Praktikant für den S04 arbeitete. Dann kam für Buntkirchen 2010 die Anfrage aus Hamburg, ehe Neuer im allerletzten Moment ebenfalls eine Idee hatte. „Manuel hatte schon damals sehr viele Anfragen, was soziale Projekte anging. Er sagte mir, dass er gerne etwas Nachhaltiges gründen und seiner Stadt etwas Gutes tun wolle. Also gründeten wir die Stiftung „Manuel Neuer Kids Foundation“. Für mich war es damals ein großes Risiko. Ich war gerade mit meinem Studium fertig und der erste Job war für mich völlig fachfremd. So habe ich in den folgenden eineinhalb Jahren diverse Weiterbildungen absolviert und Stiftungs-management in Berlin und Bonn studiert.“ Der Plan beider Gelsenkirchener ging vollends auf. „Wir wollten beide Gelsenkirchen helfen und haben abgewägt, was es schon gibt und was nicht. So konnten wir Nischen besetzen.“ Neuer und Buntkirchen zogen die Stiftung komplett alleine auf und zogen nur für die Homepage Agenturen oder für rechtliche Fragen einen befreundeten Steuerberater und Rechtsanwalt aus Gelsenkirchen zu Rate. „Ich habe auch immer wieder den Rat von Georg Altenkamp gesucht, dem damaligen Direktor der Gesamtschule Berger Feld und Lehrer von Manuel Neuer. Er war am Nabel der Zeit und sein Rat hat mich sehr geprägt.“
„Ich war öfter in München als in Gelsenkirchen.“
Für Buntkirchen war das Benefizispiel „Manuel Neuer & Friends gegen die Nowitzki Allstars“ mit dem gleichnamigen Basketball-Superstar im Juni 2013 in Würzburg der Höhepunkt und „ein großer Meilenstein unserer Arbeit“. Das Fußballspiel in der Heimatstadt Nowitzkis wurde damals sogar live im Fernsehen übertragen. Was sich erst bei der Planung für dieses Benefizspiel ergab, hätte vorher wohl kaum einer für möglich gehalten. „Anfang 2013 ist Peter Peters (Finanzvorstand Schalke 04) auf mich zugekommen und hat mich gefragt, ob ich so etwas Ähnliches nicht für Schalke machen wollen würde“, so Buntkirchen. Zu diesem Zeitpunkt war Manuel Neuer schon längst nicht mehr beim S04 aktiv. 2011 wechselte der Torwart zum FC Bayern München. Buntkirchen aber blieb (natürlich) Geschäftsführer der Neuer-Stiftung. „Ich war öfter in München als in Gelsenkirchen“, weiß Buntkirchen noch ganz genau. Dort musste er allerdings nicht in einem Hotel übernachten. „Manuel hat seinen Keller ausgebaut, so dass ich dort wohnen konnte.“ Für Buntkirchen etwas völlig Normales. „Wenn du und ich ein Bier trinken gehen und sich danach über Jahre eine Freundschaft entwickelt, dann spielt es keine Rolle, ob du danach berühmt wirst oder nicht. Wir waren Freunde und es war praktisch schon fast wie eine WG.“
„Für mich war es immer ein Traum, beim S04 zu arbeiten.“
Doch Anfang 2013 drohte eine große Veränderung, als die Anfrage von Peters kam. „Es war eine riesige Ehre, dass Peter Peters mich gefragt hat. Für mich war es immer ein Traum, beim S04 zu arbeiten, auch wenn ich nie darauf hingearbeitet habe. Mir war klar: So eine Tür öffnet sich nur einmal im Leben. Zudem hat Manuel knapp zwei Jahre zuvor diesen Schritt ja auch gemacht.“ Dennoch fiel ihm die Entscheidung, die Neuer-Stiftung zu verlassen, nicht leicht. „Der Abschied von ihm von Schalke zu den Bayern war für mich genauso emotional wie mein Abschied bei der Kids Foundation. Das war schon schwer.“ Buntkirchen bat auch Manuel Neuer um seine ehrliche Einschätzung, der ihm aber keine Steine in den Weg legen wollte. „Ich habe damals die Arbeit für Manuel mit einem lachenden und einem weinenden Auge verlassen“, erklärt Buntkirchen. „Ich habe in der Zeit viele Perspektiven kennengelernt und wir konnten super Projekte verwirklichen. Auch, wenn es schwer war, nach nur drei Jahren schon Vergleiche zu ziehen, würde ich behaupten, dass es kaum noch besser gehen konnte.“
Mittlerweile pflegen Neuer und Buntkirchen nach wie vor noch eine gute Freundschaft. „Wir sehen uns aber sehr selten. In der vergangenen Saison war es dummerweise so, dass Schalke und Bayern nie gleichzeitig daheim oder auswärts spielten. Wir haben uns natürlich gesehen, wenn er hier war oder beispielsweise in Paderborn oder Köln oder wenn Schalke in Augsburg gespielt hat. Ansonsten telefonieren wir regelmäßig oder haben Kontakt über WhatsApp.“
Nach Neuer war aber vor Schalke. Das Team von „Schalke hilft!“ ist vierköpfig. „Als CSR-Chef (Corporate Social Responsibility, Unternehmerische Sozialverantwortung) bin ich auch für Breitensport und „Schalke hilft!“ zuständig“, erklärt Buntkirchen, der kurz inne hält und dann sagt: „Wenn mich jemand fragen würde, wo ich mit 35 hätte sein wollen, dann wäre das genau da, wo ich jetzt bin! Ich mache Erfolg nicht an Geld oder einer Position fest. Meine Identifikation mit der Stadt und dem Verein könnte nicht höher sein. Und wir haben die Möglichkeit, in und um Gelsenkirchen noch sehr viel zu bewegen.“
„Seit ich 14 Jahre alt bin, fahre ich zu fast jedem Auswärtsspiel von Schalke.“
Die Identifikation bei Buntkirchen kommt nicht von ungefähr. Seit 1992 ist der Gelsenkirchener Mitglied beim S04, seit 1991 hat er sogar eine Dauerkarte von seinem Lieblings-Fußballverein. „Und seit ich 14 bin, fahre ich zu fast jedem Auswärtsspiel von Schalke mit!“
Dass der Pferdesport in der Familie Buntkirchen schon immer dazu gehörte und die Familie „seit jeher Rennpferde besitzt“, ist sicherlich kein Nachteil, wenn „Schalke hilft!“ den gleichnamigen Renntag veranstaltet. Mitreden kann Buntkirchen ebenso, wenn sich die Fußball-Prominenz zum Golf Charity-Cup trifft. „Jetzt habe ich zwar kaum noch Freizeit und daher keine Zeit zum Golfen. Früher habe ich es aber gespielt“, so Buntkirchen, der vor allem die Projekte „Fußball trifft Kultur“ und „Schalke macht Schule“ unter all‘ den vielen Projekten hervorhebt. „Hierbei gibt es hervorragende Ansätze. Ich finde aber grundsätzlich alle Projekte gut. Wenn ich bei einem Projekt Kinder sehe, wie viel Spaß sie haben und dabei immer wieder vor Freude lachen, dann ist das toll und hat schließlich auch eine Signalwirkung auf andere.“ Kein Wunder, wenn Buntkirchen eine Brücke zu Schalkes berühmter „Knappenschmiede“ baut. „Wir sind wie eine Talentschmiede. Wir erkennen Talente und fördern sie.“
„Alle Fußballer sind für die Kinder große Vorbilder und sie wissen manchmal gar nicht, wie groß.“
Alle zu fördern ist aber zu schwierig. Dafür gehen zu viele Anfragen ein. „Pro Saison bekommen wir über die Post, per E-Mail oder das Telefon rund 10.000 Anfragen.“ Grundsätzlich macht Buntkirchen diese hohe Anzahl an Anfragen stolz. „Vor zwei Jahren hatten wir deutlich weniger. Ich würde schätzen nur um die 6.000.“ Trotz der vielen Anfragen verfolgt das Team von Buntkirchen ein bestimmtes Ziel. „Wir haben den Anspruch, jede Anfrage zu beantworten. Durch unsere festgelegten Kriterien stellt sich meistens schon sehr schnell heraus, was weiter verfolgt werden kann und was nicht.“ Dabei ist die Kinder- und Jugendhilfe mit dem Schwerpunkt Bildung im Fokus.
Dass nicht alles königsblau ist, weiß der Geschäftsführer von „Schalke hilft!“ auch. „In Gelsenkirchen brechen elf Prozent der Schüler die Schullaufbahn ab, unsere Arbeitslosenquote ist hoch und jedes zweite Kind hat einen Zuwanderungshintergrund. Wir müssen das endlich als Chance begreifen und lernen, daraus die positiven Effekte zu ziehen“, fordert Buntkirchen. Dabei spielen die Fußballer eine ganz besondere Rolle. Hat Buntkirchen daher auch vor kurzem die Vorstellung vom Weltmeister Toni Kroos über seine namensgleiche Stiftung genau verfolgt? „Alle Fußballer sind für die Kinder große Vorbilder und sie wissen manchmal gar nicht, wie groß. Eine Bewertung über Toni Kroos steht mir aber nicht zu. Aber ich hoffe, dass er sich in seinen Projekten wiederfindet und sich nicht zu viel von Beratern lenken lässt. Denn eine erfolgreiche Stiftung funktioniert nur, wenn man seinen eigenen Weg geht. Die vom FC Bayern würde hier im Ruhrgebiet nicht funktionieren. Anders herum aber genau so wenig.“
Dabei will Buntkirchen grundsätzlich nicht falsch verstanden werden. „Wir gehen nicht aktiv auf Spendensuche, denn wir wollen den Menschen nichts nehmen. Sie sollen anderen etwas geben.“ Und die „Schalke hilft!“-Stiftung soll dabei unterstützen. Dafür ist vor allem die neue Initiative „Kumpelkiste“ ein ideales Projekt - mit der großen Sachspendenaktion möchten die Königsblauen notleidenden Menschen schnell und pragmatisch helfen - vor allem in Gelsenkirchen und dem Ruhrgebiet. Seine Heimatstadt liegt Buntkirchen am Herzen.
Deshalb freut er sich auch auf das Gemeinschaftsprojekt „Made in Gelsen“, in dem „Schalke hilft!“ mit Partnern versucht, über soziale Projekte der Stadt neues kulturelles Leben für junge Menschen einzuhauchen.
„Schalke hilft!“
> Ein prominent besetzter Stiftungsbeirat entscheidet über die Verwendung des Geldes.
> Zum Beirat zählen: Frank Baranowski, Moritz Beckers-Schwarz, Wolfgang Clement, Hans-Joachim Dohm, Herbert Hainer, Bodo Hombach, Peter Lange, Ulrich Nickel, Fritz Pleitgen, Gerhard Rehberg und Dr. Heinz-Werner Voß.
> Die Stiftung wurde 2008 gegründet und konnte laut Geschäftsführer Sebastian Buntkirchen seitdem geschätzte 3 Millionen Euro spenden.
> Das neueste Projekt ist die „Kumpelkiste“. Eine Sachspenden-Aktion, bei der der „Kumpel“ Bücher, Sportartikel, Kleidung, Geld, Dienstleistungsspenden oder Ähnliches in eine Art Umzugskarton verpacken kann. 3 Euro kostet solch ein Karton. Das Geld fließt dann später ebenfalls zu den Spenden.
Autor:Raphael Wiesweg aus Gelsenkirchen |
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