Plan B für Leistungssportler
Jeder Schüler sollte, was seine Berufswahl angeht, einen Plan B haben. Für Jugendliche im Leistungssport ist dieser Plan B jedoch das, was für viele Plan A ist: eine Ausbildung oder ein Studium. Damit nicht eine Karriere für die andere aufgegeben werden muss, unterstützt ein starkes regionales Netzwerk die Sportler.
In einer Stadt, die sich Sprüche auf die Fahne geschrieben hat wie „Kein Kind zurücklassen“ und „Kein Abschluss ohne Anschluss“, darf ein starkes Netzwerk für junge Leistungssportler nicht fehlen. Denn nicht immer endet das harte Training in der Weltklasse und mit einigen Millionen auf der Bank. Verletzungen, Leistungsdefizite und Alter können dazu führen, dass der Traum von der großen Karriere als Sportler schnell vorbei ist. Deshalb ist ein guter Plan B wichtig: ein Studium oder eine Ausbildung. Besonders letztere ist nicht immer einfach im vollen Terminplan eines jungen Leistungssportlers unterzubringen.
Paul Stieber geht seinen eigenen Weg
Paul Stieber, U17-Nationalspieler und Spieler in der U17-Mannschaft des FC Schalke 04, geht nun diesen eher ungewöhnlichen Weg. Stieber hat sich dazu entschieden, im Anschluss an die zehnte Klasse nicht in die Oberstufe zu gehen, sondern eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann, Fachbereich Sport, bei Sport 11 in Buer zu machen. „Meine Freunde meinten, ich sei verrückt, das zu machen“, lächelt der junge Mann, „Sie meinten, ich würde gar keine Freizeit mehr haben.“ Die hat er natürlich trotzdem noch - nur eben nicht so viel wie zuvor. „Dienstag, Donnerstag und Freitag arbeite ich, Montag und Mittwoch habe ich Berufsschule und danach eigentlich immer frei; nur im Moment muss ich auch ab und zu nachmittags arbeiten, weil ein Mitarbeiter erkrankt ist“, erklärt Paul seinen vollen Terminkalender. Abends folgt das Training und am Wochenende die Spiele. Disziplin ist gefragt.
Leistungssportler sind begehrt
Genau diese Disziplin macht Leistungssportler für potenzielle Arbeitgeber so attraktiv. „Natürlich ist es nicht immer leicht und nicht in jedem Betrieb machbar, die Ausbildung um den Sport herum zu organisieren“, lenkt Egbert Streich, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Emscher-Lippe-West, ein. „Doch das Handwerk wird in den kommenden Jahren unter massivem Fachkräftemangel leiden. Mit den Auszubildenden von heute investieren wir also in die Zukunft. Und vor allem junge, motivierte und disziplinierte Menschen sind dafür gefragt.“
Diese fehlen momentan im Handwerk nachweislich. Obwohl der Bundesagentur für Arbeit im letzten Jahr mehr Bewerber als Ausbildungsstellen gemeldet wurden, finden die Betriebe scheinbar nicht die richtigen Azubis. „In NRW fehlen momentan de facto 25.000 Stellen“, weiß Roland Schüßler, Geschäftsführer Arbeitslosenversicherung der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit, „Und dabei haben wir noch keine Präferenzen oder die Berufseignung in Betracht gezogen.“
Handwerk braucht fähigen Nachwuchs
Das Handwerk braucht fähigen Nachwuchs, junge Leistungssportler, die sich gegen ein Studium entscheiden, eine Ausbildung: Angebot und Nachfrage stimmen also. Doch was sagt der dritte im Bunde, der Verein, dazu? „Prozentual gesehen schafft es nur ein ganz kleiner Teil der jungen Leistungssportler ganz nach oben. Der Rest wird irgendwann einem anderen Beruf nachgehen, und genau dafür wollen wir unsere jungen Talente wappnen“, betont Oliver Ruhnert, Direktor Nachwuchs beim FC Schalke 04. „Außerdem gilt auch für die erfolgreichen Leistungssportler: Das Leben ist mit 30 noch lange nicht vorbei!“
Ein guter Schulabschluss ist wichtig
Bevor man an Studium oder Ausbildung denken kann, muss man jedoch auch als Leistungssportler erst einmal die Schule schaffen. An der Gesamtschule Berger Feld, NRW-Sportschule und Eliteschule des Fußballs, finden junge Leistungssportler genau die Unterstützung, die sie in ihrem durchgeplanten Leben brauchen. „Es ist schön zu sehen, was aus unseren Altschülern geworden ist: runde Persönlichkeiten, für die es im Leben mehr als Fußball gibt“, berichtet Georg Altenkamp, Leiter der Gesamtschule Berger Feld. Als Beispiel nennt er Manuel Neuer, der sich immer noch sehr aktiv für das Schulleben interessiert und sich mit seiner Kids Foundation für junge Menschen einsetzt. Doch auch er weiß, dass nicht jeder Leistungssportler ein so großer Star wie Neuer wird. „Wir arbeiten eng mit der Bundesagentur für Arbeit zusammen, um die jungen Menschen früh auf ihren ‚Plan B‘ vorbereiten zu können.“
Eigens für die Betreuung zirka 160 junger Leistungssportler hat die Gesamtschule Berger Feld einen Arbeitspädagogen in ihren Lehrerreihen. Er soll den jungen Menschen berufliche Orientierung geben und sie fit für eine Zeit nach dem Sport machen. „Das ist ein in NRW einmaliges Projekt“, versichert Altenkamp, der sehr stolz darauf ist, dass seine Schule auch nach dem Abschluss für Altschüler eine Anlaufstelle bleibt.
Pilotprojekt sucht starke Netzwerkpartner
Wie gut sich eine Ausbildung mit Leistungssport vereinen lässt, wird man in diesem Pilotprojekt (bisher gibt es nur eine Handvoll junger Leute, die den Weg mit Paul gehen) sehen. Fest steht jedoch, dass ein solches Unterfangen nicht möglich ist, ohne ein starkes Netzwerk aus Verein, Betrieb, Schule und Arbeitsagentur - und dem jungen, leistungswilligen Sportler, der diesen Weg gehen möchte.
Autor:Deborrah Triantafyllidis aus Gelsenkirchen |
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