Leben ohne Hektik
Gewöhnlicherweise servieren Claudia Rau und Rüdiger Haarmann Currywurst und Pommes im Vitus-Grill in der Ewaldstraße 38. Im April durften die beiden für eine Fernsehsendung nach Bangkok, um dort Spezialitäten wie Kakerlaken, Mehlwürmer und Frösche zuzubereiten.
Als eine Castingfirma von Kabel eins/pro sieben beim Vitus-Grill anrief und fragte, ob sie nicht am Casting für „Stellungswechsel – Job bekannt, fremdes Land“ teilnehmen möchten, kam Chef Hans Kipfstuhl zunächst ins Grübeln.
Er fragte seine Belegschaft, was sie davon halten würde. Nachdem Rüdiger Haarmann und Claudia Rau sich freiwillig für dieses Abenteuer meldeten, war klar, dass der Vitus-Grill sich mit Feuer und Flamme in die Bewerbung stürzen würde.
Obwohl zum Zeitpunkt der Entscheidung schon die Dreharbeiten mit Automobile Basdorf in Gelsenkirchen stattfanden (Folge 1 der Fernsehsendung), konnte sich der Vitus-Grill gegen alle anderen Bewerber durchsetzen, obwohl man bei Kabel eins/pro sieben eigentlich nicht zwei Sendungen in einer Stadt drehen wollte. Letzte Woche lief die Folge mit dem Vitus-Grill auf Kabel eins.
Für Rüdiger Haarmann, Claudia Rau und den Chef Hans Kipfstuhl ging es zwei Wochen nach der Zusage des Fernsehsenders schon zum Flughafen. Kipfstuhl wurde in einem Frankfurter Hotel einquartiert und bekam die Anweisung, er solle früh aufstehen, da die Gäste früh landen würden. Woher sie kommen, wurde ihm nicht gesagt. Auch seine beiden Angestellten erfuhren vorab nichts von ihrem Reiseziel. Dass sie in eine warme Region fliegen würden, kitzelten sie trickreich bei den Vorgesprächen aus den Produzenten heraus. Mehr wussten sie aber nicht. Haarmann und Rau bekamen am Flughafen direkt vor dem Abflug das Ticket nach Bangkok ausgehändigt.
„Bangkok ist laut und farbenfroh. Die Taxis haben so schrille Farben wie Pink, fahren links und die Luft ist voller Abgase. Smog und Hitze vermischen sich, denn der April ist der heißeste Monat des Jahres in Bangkok“, so schildern die beiden ihren ersten Eindruck von der Hauptstadt Thailands.
Auch der erste Eindruck des Imbisses war eindrücklich: „Da waren zwei Häuser links und rechts und dazwischen ein Wellblechdach, unter dem sich die Küche befindet“, sagt Claudia Rau. Mit den deutschen Hygienevorstellungen sei dort auch nicht zu rechnen gewesen. Bei der Unterbringung im Haus von Muuu, dem Besitzer des Imbisses, wurde es zum ersten Mal schwierig. Die beiden Imbiss-Köche durften die Matratze nicht miteinander teilen. Dafür muss man in Thailand verheiratet sein. Da Muuu angenommen hatte, die beiden seien ein Ehepaar, musste nachträglich noch ein zweiter Schlafplatz eingerichtet werden.
Beim ersten Frühstück war es dann umgekehrt: Reispampe und Huhn war schon ungewöhnlich genug. Als Claudia Rau dann auch noch ein pinkfarbenes Ei gereicht wurde, dessen Inneres sich als schwarz und stinkend heraus stellte, konnte sie ihr Frühstück nicht mehr wirklich genießen. Tapfer überwand sich Claudia Rau und aß die schwarzen Eistücke in der Reissuppe.
Ansonsten sei auffällig gewesen, dass so gut wie alles scharf gewürzt wurde – selbst im thailändischen Zucker sei Chili gewesen, sagt Rüdiger Haarmann.
Aber auch im thailändischen Arbeitsalltag gab es Aufgaben, die die Gelsenkirchener an ihre Grenzen brachten: Froschschenkel sezieren, Wasserkäfer, Kakerlaken und Mehlwürmer frittieren und danach auf der Straße verkaufen.
Dabei hatten die beiden großen Spaß. Da ihr Deutsch eh niemand verstehen konnte, begann Claudia Rau zu rufen: „Vitamine, Proteine, Potenzia!“ Die Plastiktütchen mit den Thai-Spezialitäten waren schnell verkauft.
Über die Zeit in Thailand sagen die beiden Vitus-Mitarbeiter, dass sie das Abenteuer nie vergessen werden und jederzeit wieder woanders zur Mitarbeit hinfliegen würden, wenn sich die Gelegenheit böte. Der Einblick in fremde Arbeitsbedingungen sei sehr interessant gewesen.
Ähnlich äußert sich auch der Vitus-Chef über die Arbeitswoche mit den beiden Thailändern Jeab und Tee im Vitus-Grill in Gelsenkirchen. Es sei anstrengend gewesen, weil man den Gästen nach der Arbeitszeit auch noch etwas von Deutschland zeigen wollte, aber die Woche habe allen im Betrieb Spaß gemacht. „Die größte Sorge der Gäste war, etwas verkehrt zu machen und damit den Ruf meines Hauses zu schädigen. Ich musste ihnen erstmal bewusst machen, dass sie im Grunde nichts falsch machen können“, schildert Hans Kipfstuhl.
Dann ging es an die Arbeit. Zunächst musste Kipfstuhl Jeab und Tee die in Deutschland üblichen Hygienevorschriften erklären. Das Tragen von Arbeitskleidung, die Händehygiene, das Desinfizieren des Tisches bevor man Fleisch darauf legt. Über die Arbeitsweise beschwerte der Chef sich nicht, sondern kommentierte ironisch: „Es wäre von Vorteil, immer solche Arbeitnehmer zu haben, die zu allem Ja sagen und bereit sind, den ganzen Tag zu arbeiten.“ Durch die Gäste habe man wieder einen ganz neuen Blick auf sein eigenes Leben und die Arbeit bekommen. „Da bleibt nur das Fazit, dass es uns hier sehr gut geht, und wir uns dessen manchmal gar nicht so bewusst sind“, sagt Hans Kipfstuhl.
Jedoch bekamen auch Jeab und Tee ihren Graus vor den deutschen Essgewohnheiten. Als sie dabei helfen sollten, eine Grützwurst herzustellen, da war ihnen das Unbehagen anzusehen.
Auch mit der deutschen Hektik kamen die Thailänder nicht klar. Wenn zur Mittagszeit der Vitus-Grill richtig brummt, muss jeder Handgriff sitzen. „Dann merkte man den beiden Gästen an, dass es zuhause ruhiger zugeht“, sagt der Inhaber. Allerdings schildert der Vitus-Chef auf die Frage, was er von seinen Gästen gelernt habe, eben dies als erstrebenswerte Eigenschaft: Möglichst keine Hektik, keinen Stress, immer die Ruhe bewahren, aber auch den anderen diese Ruhe gewähren.
Autor:Harald Gerhäußer aus Bochum |
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