Junges Mathe-Genie aus Rumänien

Ihre Liebe zur Mathematik hat die aus Rumänien stammende Schülerin schnell entdeckt. Ihre Zukunft sieht sie aber in der Juristik. Foto: Gerd Kaemper
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Denisa-Nicoleta lebt seit nicht einmal einem Jahr in Gelsenkirchen und spricht abgesehen von einem kleinen Akzent fließend deutsch. Die Schülerin des Ricarda-Huch-Gymnasiums stammt aus Hermannstadt in Rumänien und ist ein echtes Mathe-Talent.

Von der Schule 25 ans Ricarda-Huch-Gymnasium

Im März 2014 kam Denisa-Nicoleta mit ihrer älteren Schwester und der Mutter nach Gelsenkirchen. Ihre Eltern leben getrennt und so blieben der Vater und ihr Bruder in Rumänien. Mit dem Zuzug nach Gelsenkirchen musste die damals Elfjährige auch die Schule wechseln und kam von der Schule Nummer 25 in Hermannstadt an das Ricarda-Huch-Gymnasium in Gelsenkirchen.
In Rumänien durchlaufen die Kinder von der ersten bis zur achten Klasse eine Schule nach Art unserer früheren Volksschule. Anhand der Zeugnisse, die Denisa-Nicoleta vorweisen konnte, wies das Kommunale Integrationscenter Gelsenkirchen, kurz KiGE, sie dem Ricarda zu und das wurde für die junge Neu-Gelsenkirchenerin zu einem Glücksfall.
Denn das Ricarda-Huch-Gymnasium ist als Unesco-Schule ohnehin eine Einrichtung mit einem hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund, aber hier gibt es auch eine Deutsch-für-Anfänger-Gruppe, die die Schüler mit fremden Wurzeln, die neu nach Gelsenkirchen kommen, aufnimmt und auf den Regelunterricht vorbereitet, sie fördert und ihnen zur Seite steht, auch im normalen Klassenunterricht.

Deutsche Sprache - schwere Sprache?

„Am Anfang war es ein wenig schwer“, erinnert sich Denisa-Nicoleta, die inzwischen nicht nur sehr gut deutsch spricht, sondern auch viele neue Freundinnen gefunden hat.
„Man muss aber auch wissen, dass auch Denisa Mutter deutsch lernt und zwar bereits genauso lange wie Denisa selbst. Inzwischen benötige ich für die Elterngespräche mit ihr schon keinen Dolmetscher mehr“, freut sich Hanna Sagert, die als Fellow durch die Bildungsinitiative Teach First Deutschland an der Schule im Einsatz ist.

Die früh entdeckte Liebe zur Mathematik

Klassenlehrerin Birgit Griese, die Mathe unterrichtet, stellte schnell fest, dass Denisa-Nicoleta ein Faible für Mathematik hat. „Ich bin schon seit der zweiten Klasse ein Mathe-Fan“, strahlt die inzwischen 12-Jährige.
So kam Birgit Griese gemeinsam mit ihren Kolleginnen aus der Deutsch-für-Anfänger-Gruppe auf die Idee, die Schülerin zur Mathe-Olympiade anzumelden.
Die Mathematik-Olympiade wendet sich an alle Schülerinnen und Schüler, die schon früh Spaß an interessant gestellten Aufgaben auch außerhalb des Schulstoffes verspüren. Jährlich nehmen über 250.000 Schülerinnen und Schüler teil. Das Ziel der Olympiade ist es, Freude und Interesse am Fach Mathematik zu wecken und interessierte und begabte Schüler zu erkennen und zu fördern.
Der nach Altersstufen gegliederte Wettbewerb erfordert logisches Denken, Kombinationsfähigkeit und kreativen Umgang mit mathematischen Methoden. Die Teilnahme am Wettbewerb regt häufig zu einer weit über den Unterricht hinausreichenden Beschäftigung mit der Mathematik an.Der Wettbewerb wird in vier nationalen Runden ausgerichtet: im September findet die Schulrunde statt, im November die Regionalrunde, im Februar oder im März der Landeswettbewerb und im Mai die Bundesrunde.

„Die Mathe-Olympiade war bis jetzt einfach“

Denisa hat die Schulrunde und die Regionalrunde mit Bravour absolviert und fährt nun als eine von zwei Schülerinnen aus Gelsenkirchen am 21. Februar zum Landeswettbewerb nach Wupptertal. Sie selbst sagt dazu: „Die Mathe-Olympiade war bis jetzt einfach.“ Beneidenswert!
Um ihr Talent weiter zu fördern, legten ihre Lehrerinnen nahe, dass die kleine Mathe-Begabung sich zum Mathe-Zirkel an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf anmelden solle. „Der Mathe-Zirkel ist schon schwieriger“, schildert die 12-Jährige, die aber die Herausforderung zu schätzen weiß und auch kein Problem damit hat, allein mit dem Zug nach Düsseldorf zu fahren, um den Mathe-Zirkel zu besuchen.
Erstaunlicherweise sieht die junge Dame ihre Zukunft derzeit nicht im Bereich der Mathematik, sondern möchte Rechtsanwältin werden. Aber bis dahin fließt ja noch viel Wasser die Emscher entlang.

Die Eingliederung der jungen Neubürger

Die Deutsch-für-Anfänger-Gruppe besteht derzeit aus 13 Schülerinnen und Schüler im Alter von 12 bis 18 Jahren, die aus Rumänien, Lettland, Kosovo-Albanien, Spanien, Russland und Tschetschenien. Betreut werden die Schüler neben Hanna Sagert auch von Lehrerin Madeleine Burbach und lernen dabei an bis zu fünf Tagen in der Woche jeweils drei Stunden lang deutsch und andere nötige Unterrichtseinheiten.
„Am Anfang kommunizieren wir mit den Schülern wirklich mit Händen und Füßen, weil sie ja noch kein Wort deutsch sprechen“, verrät Hanna Sagert.

Das Problem mit der lateinischen Schrift

„Wenn Kinder aus dem russisch-sprachigen Raum hier aufgenommen werden, die noch keine Englischvorkenntnisse haben, dann müssen sie zunächst alphabetisiert werden, weil sie ja nur die kyrillischen Schriftzeichen kennen, nicht aber unsere lateinische Schreibweise“, erläutert Hanna Sagert eine Schwierigkeit, die man gar nicht bedenkt.
Nebenbei werden die SchülerInnen in die normalen Klassen integriert und nach zwei Jahren wird darüber entschieden, ob sie für das Gymnasium geeignet sind. Denisa-Nicoleta schreibt bereits die ein oder andere Klassenarbeit mit, erhält aber in diesen zwei Jahren noch kein Zeugnis, sondern nur ein Gutachten, das Aufschluss gibt über ihre Sprachkenntnisse. Die Neu-Gelsenkirchenerin bedarf nach nicht einmal einem Jahr nur noch an drei Tagen in der Woche des zusätzlichen Unterrichtes.
„Neben Deutsch unterrichten wir aber auch mit einer Super-Extra-Förderung bis hin zur Einzelbetreuung Englisch, damit die Schüler den verpassten Stoff möglichst schnell aufholen können“, schildert Sagert.

Hanna Sagert ist der „Joker“ des Gymnasiums

Hanna Sagert fühlt sich ein wenig als „Joker“ am Ricarda-Huch-Gymnasium, weil sie keine festen Unterrichtszeiten hat und so immer entsprechend des Bedarfs einzelner Schüler zu deren Förderung eingesetzt werden kann.
Dass sie hier zum Einsatz kommt, verdankt sie der Tatsache, dass das Ricarda das einzige Gymnasium mit einer internationalen Förderklasse ist. Trotzdem erhält die Deutsch-für-Anfänger-Gruppe kaum eine Unterstützung durch das Schulministerium. „Wir mussten uns alles selbst erarbeiten“, schildert Hanna Sagert. „Egal ob es sich dabei um die Materialien oder das Vorgehen handelt. Die Schulen werden bei dieser Integrationsarbeit sehr allein gelassen.“
Umso mehr Unterstützung erfahren die Sagert und Burbach durch die Schulleitung, die nicht nur einen Raum zur Verfügung stellt, sondern auch Zeit und Engagement ermöglicht.
„Eigentlich hätten alle Kinder mit Migrationshintergrund den Anspruch auf eine solche Förderung, aber das ist natürlich nicht bezahlbar“, bedauert Sagert, die einen Abschluss in Interkultureller Kommunikation hat.

Teach First Deutschland

Teach First Deutschland will dazu beitragen, dass jedes Kind die Schule mit einem Abschluss und dem festen Glauben an den eigenen Erfolg verlässt.
An jeder Schule sollen sich Schüler unabhängig von ihrer sozialen Herkunft zu selbständigen jungen Menschen entwickeln. Sie sollen dazu befähigt werden, ihre Potenziale zu nutzen, um geleitet von ihren Stärken und Interessen Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen.
Teach First Deutschland unterstützt Schulen und Schüler durch Fellows– das sind verantwortungsbewusste Akademiker, die mit Leidenschaft Veränderung bewirken wollen. Sie arbeiten für zwei Jahre in Vollzeit an Schulen in schwierigen Umfeldern. Dort verhelfen sie Schülern zu besseren Leistungen und tragen zu einem Ausbau ihrer persönlichen Fähigkeiten für ihren weiteren Lebensweg bei. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen immer die Schüler.

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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