Im Lalok Libre stehen besondere Kinder im Fokus

Die Zebras aus dem Lalok Libre hatten viel Spaß an dem bunten Trommelfest. Fotos: Gerd Kaemper
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Egal, ob man dem Daz-Unterricht für die Schulkinder oder der Bastelstunde der Kleineren zuschaut, bei einem Besuch im Lalok Libre stellt man schnell fest, dass hier mit sehr viel Herzblut eine gute Arbeit geleistet wird. Dabei geht es vor allem um die „besonderen Kinder“, deren Familien zu großen Teilen aus Südosteuropa stammen und damit einem gänzlich anderen Kulturkreis entspringen.

Pro Tag finden sich 35 bis 40 Kinder im Alter von vier bis 13 Jahren in dem „Haus der offenen Tür“ an der Dresdener Straße/Ecke Grillostraße ein. Sie stammen aus Syrien, Afghanistan, Eritrea, Myanmar, Griechenland, Marokko, der Türkei, Bulgarien und Rumänien. Eben besondere Kinder, die einer besonderen Förderung bedürfen.

"Schulbank drücken" trotz Herbstferien

Im Unterrichtsraum in der ersten Etage des Lalok Libre drücken Samuel, Naomi, Sebastian, Amalia und weitere zwölf Kinder während der Herbstferien die Schulbank und lernen mit den zwei ehrenamtlich tätigen Grundschullehrerinnen Margareta Plum und Urte Hardering aus Gelsenkirchen „Daz“. „Daz“ steht für Deutsch als Zweitsprache und die Kinder werden hier fit gemacht für den Regelunterricht in den Gelsenkirchener Schulen. Oder wie Samuel sagt: „Daz ist für Kinder, die nicht so gut Deutsch können und es lernen wollen.“
Und sie alle wollen lernen. „Sie sind alle ganz heiß auf die Arbeitsblätter, weil sie durch Bilder helfen unsere Sprache besser zu verstehen und zu lernen“, schildert Lehrerin Urte Hardering, die sich über die Begeisterung der Ferienschüler freut.

Von Profiwörtern, Verben und Substantiven

Da ist die Rede von Profiwörtern, mit denen die bestimmten und unbestimmten Artikel gemeint sind. Singular und Plural werden erläutert und erprobt. „Verben sind Tu-Wörter“, weiß Amalia und kann auch gleich ein Beispiel nennen: „trommeln“. Und beinahe alle wissen schon, dass man Verben klein schreibt, „außer wenn sie am Anfang eines Satzes stehen“, berichtigt die Lehrerin.
Venetia Harontzas, die gute Seele des Lalok Libre, wird gleich in den Unterricht integriert und muss bei einem pantomimischen Spiel erraten, was die Kinder gerade „tun“. Das geht über trinken und trommeln bis hin zum in der Nase popeln, denn auch das ist ein Verb, wie die Schüler wissen.
Und nach und nach werden aus Verben und Nomen mit Hilfe von Tierbildern auch ganze Sätze, die die Kinder auf ihren Arbeitsblättern notieren. „Die Elefanten gehen“, heißt es da etwa und „Die Zebras springen“, was besonders wichtig ist, denn am Ende der ersten Ferienwoche stand für alle Kinder eine große Trommelaktion an, die sie gemeinsam mit drei Gelsenkirchener OGS in der Sternschule durchführten. Und da waren die Kinder des Lalok Libre die Zebras.

Eine Trommel aus dem Blumentopf

Eine Etage tiefer wird derweil gebastelt was das Zeug hält. In einem Raum werden aus Tonblumentöpfen und Papier Trommeln gefertigt. Wer hätte das gedacht, dass man mit so einfachen Mitteln ein Instrument erstellen kann? Aber das Panschen mit dem Kleister und dem Papier macht den Kindern sehr viel Freude und wenn die Trommeln dann erst einmal getrocknet sind, geht es im nächsten Schritt weiter ans Musizieren. Denn am Ende der ereignisreichen ersten Herbstferienwoche musste ja alles fertig gestellt und der Auftritt gut vorbereitet sein.
Die Jüngsten probierten sich währenddessen an Papier, Stiften und Scheren und gestalteten Palmblätter und vieles mehr, was man zu einer afrikanischen Steppe, auf der Zebras leben, so benötigt.

Deutsch lernen mal anders

Genau genommen wird auch hier in den Bastelgruppen Deutsch gelernt. Denn die Kinder kommen aus vieler Herren Länder zusammen und müssen sich der deutschen Sprache bedienen, um miteinander kommunizieren zu können. „Unser Ziel ist es, diesen Kindern, die sehr häufig aus bildungsfernen Familien stammen, zu zeigen, dass sie ernst genommen werden und man sich um sie kümmert. Wenn sie das spüren, zeigen sie großes Interesse und haben viel Spaß, auch wenn sie dafür in den Ferien die Schulbank drücken“, erläutert Harontzas.

Ein geregelter Tag mit drei Speisen

Im Lalok Libre werden die Kinder gefördert, aber auch gefordert. Sie erhalten während der Ferienfreizeit morgens ein Frühstück, später ein Mittagessen und am Nachmittag noch einen Snack. Dazwischen stehen das Trommelspiel, eine Entspannung und der Unterricht beziehungsweise das Basteln auf dem Programm. Damit wird dem Tag der Kinder eine Struktur gegeben, die sie aus ihrem familiären Alltag in den meisten Fällen so nicht kennen.
Ermöglicht wird ein solches Angebot durch viel ehrenamtliches Engagement, wie das der Lehrerinnen und der vielen Betreuer, die mit den Kindern basteln und mehr. Aber auch durch eine großartige Hilfe der Gelsenkirchener Tafel, ohne die die kostenlose Speisung der Kinder nicht möglich wäre.

Es geht um das Wohl der Kinder

„Uns liegen diese Kinder am Herzen. Wir versuchen, sie aus der Armutsspirale heraus zu holen. Und damit meine ich nicht nur die finanzielle, sondern auch die Bildungsarmut. Gerade in Gelsenkirchen weiß man ja schon seit langem, dass Bildung der beste Weg in ein gutes Leben ist. Damit dienen wir mit unserer Arbeit auch der Stadtgesellschaft in Gelsenkirchen“, ist sich die engagierte Gelsenkirchenerin mit griechischen Wurzeln sicher.
Gerade darum aber hadert sie auch mit der Politik, die immer wieder erklärt wie wichtig die Arbeit des Lalok für den Stadtteil, die Integration der Neubürger und die Stadt ist. Wenn es dann aber um die finanzielle Förderung des erfolgreichen Projektes geht, dann bauen sich immer wieder hohe Hürden auf. Dabei liegt der Ansatz des Lalok gerade in der niederschwelligen Arbeit und die ist gar nicht mal so teuer.

Eine finanzielle Sicherheit wäre wünschenswert

„Wenn wir eine Perspektive hätten, die uns für die nächsten fünf Jahre 50.000 Euro Förderung pro Jahr sichert, dann ginge es uns allen hier besser. Denn seit einem Jahr rechnen wir wirklich mit jedem Cent, der an Spendengeldern hier eingeht, den wir mit unseren Buffets, die von Ehrenamtlern erstellt werden, erwirtschaften, und den wir uns durch Bitten und Betteln verdienen“, beklagt Harontzas.
Wem die Summe nun sehr niedrig erscheint, der sollte bedenken, dass hier Menschen mit viel Herzblut im Einsatz sind, denen es nicht darum geht, Geld zu verdienen, sondern die anpacken und helfen wollen, wo Hilfe benötigt wird. Bürokratie und komplizierte Strukturen sind den hier Tätigen eher fremd.

Niederschwellige Tätigkeit für Leute mit Herz

Ihre Herzensangelegenheit ist es, „sich für die Sache der Gleichberechtigung der Neubürger einzusetzen. Dazu ist keine hohe Qualifikation notwendig, sondern nur ein Herz am richtigen Fleck, denn bei der hier anfallenden niederschwelligen Arbeit sind helfende Hände mehr gefragt als theoretische Planungen“, schildert Venetia Harontzas. Hilfe ist übrigens jeder Zeit erwünscht, egal ob finanzielle oder ehrenamtliche.

Ein Ferienprogramm mit Trommeln und einer Polen-Reise

Das Trommelprojekt in den Ferien wurde ermöglicht durch den Quartiersfond, das Referat Kultur der Stadt, die RAG-Stiftung und natürlich durch die Hilfe von Ehrenamtlern. In der aktuellen zweiten Ferienwoche ist das Lalok auf Reisen. Dank der Unterstützung durch den LWL geht es auf eine einwöchige Gedenkstättenfahrt nach Polen, wo Besuche in Krakau und Auschwitz auf dem Programm stehen. 20 Jugendliche aus Rumänien, Bulgarien, Marokko und Syrien sind derzeit mit vier Betreuern in Polen unterwegs. Denn auch die deutsche Geschichte gehört zur Bildung und auch zur Integration dazu.

Die Zukunft steht in den Sternen

Sollte sich keine neue Förderung für das Lalok ergeben, sehen sich die Akteure gezwungen ihre Angebote drastisch zurückzufahren und nur noch Dienst nach Vorschrift zu tun. Denn finanziert werden derzeit nur maximal zwei halbe Tage in der Woche.
„Damit fällt die Arbeit in einem Stadtteil, der nicht zu den schönsten und reichsten der Stadt gehört und der darum viele Problemfamilien anzieht, hinten rüber. Und vor allem bleiben die Kinder auf der Strecke“, befürchtet Venetia Harontzas, die das Herz und die Seele des Lalok ist, sich aber selbst langsam aber sicher am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen sieht.

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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