Die Boatpeople auf musikalischer Mission

Am Flughafen von Amman wurden die Boatpeople bereits nicht nur in zwei Sprachen, sondern auch zwei Schriften begrüßt. Die Jordanier empfanden sie als moderne und aufgeschlossene Muslime. Foto: Privat
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Mitten in die jordanische Wüste nach Al-Asrak führte ihre Reise die Boatpeople, die seit einigen Jahren mit einer musikalischen Mission unterwegs sind und die lautet: Die deutschen Bundeswehrsoldaten fern der Heimat musikalisch zu erfreuen.

Und während andere hier das lange Pfingstwochenende als Freizeit genossen, machten sich die Bandmitglieder auf, um nach Amman, die jordanische Hauptstadt zu fliegen und sich von dort aufzumachen zum 100 Kilometer entfernten Luftwaffenstützpunkt Al-Asrak.
„Es war schon beeindruckend mitten in der Wüste dieses Lager zu sehen und auf Straßenschildern in arabischer und lateinischer Schrift darauf hingewiesen zu werden wo es in den Irak und wo nach Saudi-Arabien geht“, schildert Bandmitglied Marty West.
Und dann galt es das Beste aus der Situation zu machen, denn eigentlich sollte das sperrige Gepäck oder besser die Instrumente bereits vor Ort sein, wenn die Musiker eintreffen, aber...

Im Vorfeld: Eine Panne folgt auf die nächste

„Das Gepäck wurde per Transall-Maschine vorausgeschickt. Nur leider spielte auf dem Militärflughafen in Niedersachen die Logistik verrückt. Aber das haben wir ja einen Tag vor unserem Abflug erfahren und konnten gerade noch akkustische Gitarren und ein Akkordeon ausleihen“, lacht der abenteurlustige Musiker.
Er hat seinen Ersatz-Bass auf einem Foto in Augenschein nehmen können und hat die Sache mit Humor genommen. Nur die Sache mit dem fehlenden Instrumenten war nicht das einzige Handicap dieser Reise. „Zwei Tage vor dem Abflug hatte unser Techniker einen Fahrradunfall und wurde dabei außer Gefecht gesetzt. Und der Akkordeonist saß im falschen Zug und hatte dann noch einen Kripo-Einsatz, weil ein anderer Reisender eine Bierflasche mit einer Dose Reizgasspray öffnen wollte und unbelehrbar war. Er hat dann den Flug verpasst.“

Begegnung mit Kamelspinne blieb erspart

Doch der Empfang, den die Soldaten den Musikern aus der weit entfernten Heimat bereiteten, entschädigte für alles. „Das Camp Al-Asrak hat eine Fläche von 25 Quadratkilometern und hier sind US-Amerikaner, Belgier, Niederländer, Jordanier und eben Deutsche untergebracht. Bis wir in das deutsche Lager kamen, mussten wir durch drei Sicherheitsschleusen. Und auf dem Weg konnten wir feststellen, dass das deutsche Lager wirklich das ordenstlichste war“, stellt Marty West mit einem Augenzwinkern fest.
Die Unterbringung der Musiker erfolgte in Container und es gab eine kurze Einführung, in der vor Kamelspinnen gewarnt wurde. Die bis zu 15 Zentimeter großen Tiere sind zwar ungiftig, wie die Gelsenkirchener erfuhren, aber sie sind mit gefährlichen Beißern ausgestattet, mit denen sie ganze Stücke aus Säugetieren herausreißen können. Keine schöne Vorstellung, aber eine Begnung mit dieser Art blieb der Band auch erspart.

Frühstück mit Soldaten kann schön sein

Die Verpflegung erfolgte über die Kantine und die Musiker genossen es, dass hier amerikanische und deutsche Küche angeboten wurden. „Da gab es zum Frühstück schon Pancakes mit Ahornsirup und andere Leckereien“, strahlt Marty West.
Ausflüge waren nur innerhalb des Camps möglich, aber dabei konnten sich die Gäste einen Überblick über das Lager verschaffen, dass von den 200 deutschen Soldaten und ihren internationalen Kollegen bezogen wurde, nachdem die Truppen, die den Kampf gegen den IS unterstützen sollen aus dem türkischen Incirlik nach Jordanien verlegt wurden.
„Das jordanische Quartier war sehr bescheiden und der amerikanische Bereich hingegen war mit einer voll ausgestatten Erholungshalle bestückt, in der sich die Soldaten entspannen konnten“, schildert der Musiker. Es gab eingezäunte Tennis- und Sportplätze sowie ein Fitnessstudio. Bei tagsüber 43 Grad im Schatten und abends immerhin noch 35 Grad eine Herausforderung. Aber da es Alkohol nur zu bestimmten Zeiten gab, erklärte der Schlagzeuger der Band: „Wenn es kein Bier gibt, gehe ich eben in die Muckibude.“
Das Lager umfasst aber auch das zweitgrößte Flüchtlingslager im Nahen Osten, in dem rund 25.000 Menschen leben. Das bedeutet für Jordanien eine große Herausforderung, denn das Land liegt mitten im Krisengebiet und das erschwert das wirtschaftliche Leben.

Tornados starten gern auch mal nachts

Die Aufgabe der deutschen Soldaten besteht darin mit vier Tornados bei Aufklärungsflügen die Lage im Krisengebiet zu kontrollieren. Auch Oberst Kristof Conrath, der Kontingentführer des deutschen Einsatzkontingent Counter Daesh, geht als Pilot auf die Aufklärungsflüge, jedenfalls wenn er nicht gerade eine Musikband aus Gelsenkirchen zu Gast hat und diese begleitet.
Und eine Erfahrung werden die Gelsenkirchener vermutlich nicht so schnell vergessen: „Als die Tornados in der Nacht gestartet sind, saßen wir alle aufrecht im Bett!“
Möglich wurde dieses Abenteuer, weil eine andere Band, die vor den Truppen auftreten sollte, ausgefallen war. Einen Monat vor dem Abflug erhielten die Boatpeople die Anfrage und die abenteuerlustigen und auch -erprobten Musiker sagten natürlich sofort zu. „Wir sind sehr dankbar für das außergewöhnliche Abenteuer“, wie Marty West beteuert.

Von Jordanien überBorkum zum Kulturkanal

Aber da die Boatpeople auch ein Kontrastprogramm nicht scheuen, waren sie inzwischen musikalisch unterwegs auf Borkum, sind Mitte Juni zu Gast am IJsselmeer und bitten am 30. Juni zur Bootstour zur Extraschicht. Im Rahmen des Kulturkanals starten die Musiker am Anleger Nordsternpark und fahren von dort zum Gasometer, das ja ebenfalls Teil der Extraschicht ist. Allerdings ist die Kulturkanal-Tour bereits ausverkauft.

Am Flughafen von Amman wurden die Boatpeople bereits nicht nur in zwei Sprachen, sondern auch zwei Schriften begrüßt. Die Jordanier empfanden sie als moderne und aufgeschlossene Muslime. Foto: Privat
Mit zum Teil geliehenem Equipment absolvierten die Musiker aus Gelsenkirchen ihr Konzert vor den auf der Luftwaffenstützpunkt Al-Asrak stationierten deutschen Soldaten. Der Stimmung tat es keinen Abbruch und sowohl die Musiker als auch das Publikum hatten viel Spaß an dem 36-Stunden-Abenteuer. Foto: Privat
Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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