Schalke muss auf ein Fußball-Wunder hoffen

Der FC Schalke 04 steht im Viertelfinale der Europa League vor dem Aus. Die Knappen verloren das Hinspiel gegen Athletic Bilbao mit 2:4 (1:1) und müssten das Rückspiel in Spanien mit drei Toren Unterschied gewinnen, um noch ins Halbfinale einziehen zu können.

„Eigentlich sollte man um diese Uhrzeit im Bett liegen und schlafen. Aber so sind die Regeln“, begann Huub Stevens kurz vor Mitternacht die Pressekonferenz nach dem Spiel. Stevens wirkte ruhig, erkannte aber die verdiente Niederlage an. „Du musst dich auch mal mit einem 2:1 zufrieden geben. Aber wenn nicht jeder Spieler 100% gegen einen guten Gegner gibt und deine Organisation verloren geht, dann musst du dich nicht wundern, hier noch deutlich zu verlieren.“

„Nicht jeder hat 100% gegeben.“

Schalkes Chefcoach hatte das gesehen, was viele zu sehen bekamen. Mit Glück habe man sofort das 1:1 schießen können und auch in der zweiten Halbzeit hätte Bilbao schon viel früher mehr Tore schießen können. „Heute hat man gesehen, dass meine jungen Spieler noch viel lernen müssen“, analysierte Stevens das Verhalten seiner Mannschaft.
Die wurde im Vergleich zu den letzten vier Pflichtspielen auf einer Position umgebaut. Marco Höger durfte im defensiven Mittelfeld neben Jermaine Jones von Beginn an auflaufen. Für ihn nahm Lewis Holtby auf der Bank Platz. „Diese Umstellung hat mich auch etwas überrascht. Ich habe auch mit Holtby dort gerechnet. Wahrscheinlich wollte Schalke so für mehr Stabilisierung in der Mannschaft sorgen“, sagte Bilbaos Trainer Marco Bielsa im anschließenden Pressegespräch.
Höger erwischte aber keinen guten Tag und wurde folgerichtig nach 55 Minuten bereits für Holtby wieder ausgewechselt.
Es war eine unterhaltsame erste Halbzeit, die nach vorsichtigem Abtasten beider Mannschaften nach gut zehn Minuten ins Rollen kam. Erst schloss Bilbao einen gut vorgetragen Angriff kläglich ab, als man aus aussichtsreicher Position den Ball weit über das Tor drosch, als Klaas-Jan Huntelaar praktisch im direkten Gegenzug Zentimenter am rechten Pfosten vorbeischoss (13.).
Schalke drückte weiter und musste dennoch dann den unglücklichen Rückstand hinnehmen. Nachdem Hildebrand einen harten, aber nicht wirklich platzierten Schuss von Ander nicht festhalten konnte und nach vorne abklatschen ließ, stocherten Llorente und Uchida um die Wette - der spanische Nationalstürmer gewann das Duell und bugsierte den Ball zum 0:1 ins Tor der Gelsenkirchener (20.). Hildebrand verletzte sich sogar noch bei der Aktion und wurde in der Halbzeit für Matthias Schober ausgewechselt.
Nur 89 Sekunden später war es der nächste Spanier, der traf. Doch dieses Mal war es ein Schalker. Raul war einen Tick schneller als sein Gegenspieler, als er am ersten Pfosten eine flache Hereingabe von Uchida ins kurze Eck zum viel umjubelten Ausgleich einschob (22.).
Es war der Auftakt für einen furiosen Schalker Sturmlauf. So hätte Schalkes Kapitän Raul in der 33. Minute nach Draxlers Vorlage bereits die Führung erzielen können, traf das runde Leder aber nicht richtig und auch Innenverteidiger Papadopoulos köpfte einen Farfan-Freistoß knapp über das Tor.
Zwei Minuten vor dem Halbzeitpfiff hätte Bilbao wiederum den zweiten Auswärtsreffer erzielen können, doch der letzte Pass im Strafraum nach einem Konter ging an Freund und Feind vorbei (43.).

Schalkes vierter Torwart im Einsatz

Matthias Schober musste den verletzten Hildebrand dann zur zweiten Halbzeit ersetzen. Der älteste Schalker Spieler ist somit nach den schweren Verletzungen von Fährmann und Unnerstall und nun auch Hildebrand der bereits vierte Torhüter in der Saison, der zum Einsatz kommt.
„Ich glaube nicht, dass das eine Rolle gespielt hat. Aber heute kam vieles zusammen“, so Stevens, der noch nicht wusste, wen er als Ersatztorhüter hinter Schober zum Auswärtsspiel am Sonntag gegen Hoffenheim mitnehmen wird. „Lars (Lars Unnerstall, d. Red.) kann morgen vielleicht zwar wieder etwas mehr trainieren. Aber es wäre ein großes Risiko ihn schon mit in den Kader zu nehmen.“
Zwar hatte Bilbao gleich in der 48. Minute auch die nächste Chance, als Papadopoulos im letzten Moment zur Ecke klären konnte. Doch mit der Hereinnahme von Holtby für Höger und auch Jurado für Draxler (55.), kam frischer Wind ins Schalker Spiel.
Erst traf Huntelaar aus knapper Abseitsposition zum vermeintlichen 2:1, dann köpfte Papadopoulos nur hauchdünn am rechten Pfosten vorbei (56.), bis schließlich auch noch Farfan mit einem starken Schuss an Bilbaos Schlussmann Iraizoz scheiterte (57.).
Stattdessen war es dem besten Schalker am gestrigen Abend vorbehalten, das 2:1 zu schießen. Raul scheiterte erst selbst noch mit einem hart gespielten Pass in den Strafraum. Die Spanier konnten den Ball aber nicht richtig klären und so nahm Europas gefährlichster Stürmer den Ball beim zweiten Versuch direkt per Volley aus 18 Metern und traf unhaltbar ins rechte Eck (60.).
Raul war ers auch, der nur vier Minuten später mit einem gekonnten Lupfer knapp das 3:1 verpasste. Doch ab diesem Zeitpunkt war es vorbei mit der Schalker Herrlichkeit.
Llorente bewies seine Kopfballstärke, als er nach einem Eckball sich gegen Matip und Papadopoulos durchsetzen und aus kurzer Distanz zum 2:2 einköpfen konnte (73.). Was folgte, waren teilweise Auflösungserscheinungen auf Schalker Seite.

Nach 70 Minuten Auflösungserscheinungen

Erst klärte Papadopoulos zum wiederholten Male an diesem Abend im letzten Moment zum Eckball, als Schober schon geschlagen war (76.), dann setzte Bilbao einen direkten Freistoß nur knapp auf das Schalker Torgehäuse (80.).
Doch keine 60 Sekunden später klingelte es erneut im Tor von Matthias Schober. Der Keeper konnte eine abgefälschte Hereingabe nur nach vorne abklatschen, genau vor die Füße von de Marcos, der nur noch zum 2:3 locker einschieben musste (81.). Auch in Minute 85 und 87 hätten die Gäste den Sieg noch höher gestalten können. Doch abermals Papadopoulos und auch Schober verhinderten Schlimmeres.
Schalker warf noch einmal alles nach vorne. Erst traf Huntelaar nur den Pfosten (87.), dann musste Bilbaos Schlussmann Iraizoz bei einem Distanzschuss von Raul sein ganzes Können unter Beweis stellen.
Als alle mit dem Schlusspfiff rechneten, konterten die Gäste noch einmal blitzschnell und Muniain vollstreckte eiskalt zum nicht unverdienten 2:4 (90.+3). „Unnötig, das Spiel hätte auch ganz anders ausgehen können“, wie auch Schalkes Sportdirektor Horst Held nachher zu Protokoll gab.
Nun muss der S04 auf ein kleines Fußballwunder hoffen und mit drei Toren Unterschied in Biblao am kommenden Donnerstag (5. April) gewinnen. Was vielleicht den Schalkern noch ein Fünkchen Hoffnung machen sollte: Auf den Tag genau am 5. April 2011 gewann der FC Schalke 04 auch ein wichtiges Spiel auswärts mit 5:2, was zum Weiterkommen jetzt auch benötigt würde. Der Gegner damals? Kein Geringerer als Inter Mailand.
Huub Stevens hatte in seiner bekannten Art und Weise alle Fragen der Journalisten schnell beantwortet, so dass sogar noch um kurz vor Mitternacht dann alle nach Hause und schlafen gehen konnten. Auch Herr Stevens.

Hier gibt es noch mehr Bilder zum Spiel zu sehen: http://www.lokalkompass.de/gelsenkirchen/sport/schalke-vor-dem-aus-in-der-europa-league-d151329.html